Erdogan brüskiert die EU – doch die hat keinen Plan
Nach dem Wahlsieg von Sultan Erdogan betont die EU die “strategische Bedeutung” der Türkei. Doch sie hat keinen Plan – was Erdogan eiskalt ausnutzt. Nun will er sogar den großen Europa-Gipfel in Moldau schwänzen.
„Ich freue mich darauf, die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei weiter auszubauen“, erklärte Kommissionschefin von der Leyen noch am Wahlabend. Es sei von “strategischer Bedeutung“, diese Beziehungen „zum Wohle unserer Völker voranzutreiben“.
Ähnlich äußerten sich der Außenbeauftragte Borrell und der für die Erweiterung zuständige EU-Kommissar Várhelyi. Die EU habe ein „strategisches Interesse“ an einer engen Zusammenarbeit. Dabei gehe es auch um eine „stabile und sichere Umgebung im östlichen Mittelmeer“.
Irgendwie haben sie ja recht. Ohne Erdogan kein Flüchtlingsdeal, ohne Erdogan keine Ruhe in der Ägäis. Aber auch mit Erdogan wird es nicht gehen. Er droht immer wieder Griechenland und Zypern, neuerdings flirtet er sogar mit Machthaber Assad in Syrien.
Der Sultan unterstützt die Ukraine, doch er pflegt auch seine Männerfreundschaft mit Zar Putin in Moskau. Wie Putin hat er große Pläne. Ein neues Osmanisches Reich soll es sein, erste Grenzen wurden schon verschoben – in Nord-Syrien wie in Berg-Karabach.
Die EU schweigt zu alldem – denn sie hat keinen Plan. Sie hat bis zur Präsidentschaftswahl nichts unternommen, um die angespannten Beziehungen neu zu ordnen. Selbst für eine Demokratisierung in der Türkei hat sich Brüssel nicht stark gemacht.
Daher bleibt unklar, wie die Beziehungen ausgebaut werden sollen. Nach 20 Jahren Erdogan sind sie auf einem Tiefpunkt. Von der Leyen dürfte schon froh sein, wenn Erdogan nicht noch mehr Porzellan zerschlägt – doch genau das zeichnet sich nun ab.
Der Sultan hat nicht nur gedroht, die Opposition zu zerschlagen. Er will offenbar auch den großen Europa-Gipfel in Moldau schwänzen. Der nächste Schritt könnte ein Nein zum Nato-Beitritt Schwedens beim Gipfel im Juli sein. Was dann? Die EU hat keinen Plan…
Siehe auch Drei bittere Lehren aus der Türkei-Wahl. Mehr zur Türkei hier
Peter Michael
1. Juni 2023 @ 15:36
Die EU mit ihrer ineffizienten Bürokratie möge sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, die sie nicht oder nur leidlich im Interesse der Mitgliedsstaaten ausübt.
Wir brauchen keinen umstrittenen Green Deal, keine Kriegstreiberei, keine Sanktionen die uns selbst am schlimmsten schädigen, wir brauchen keine Gemeinschaftsschulden, wir brauchen keine antidemokratische Medienpolitik mit einseitiger Propaganda für die Interessen der USA gegen Russland/China u.a. kritische Länder, wir brauchen keine Einschränkung der Meinungsvielfalt, wir brauchen keine mutmaßlich korrupte und intransparente Frau v.d. Leyen nebst Kollegen, die für den Ankauf von umstrittenen Impfdosen Milliarden Euro Beträge heraushauen, wir brauchen keine Erpressung von Mitgliedsstaaten wie Polen und Ungarn, nur weil sie angebliche demokratische Defizite haben, was die EU-Spitze selbst nicht hinbekommt.
Die EU überschätzt sich immens, wo doch jeder weiß, dass sie ein Vasallenverhältnis zur USA haben. Sie wird schlicht von den meisten Ländern nicht wirklich ernst genommen, u.a. wegen ihrer zur Schau getragenen Doppelmoral und moralischen Überheblichkeit. Es werden seitens Frau v.d. Leyens viele Pläne kommuniziert, deren Umsetzung dann mangels Qualität erfolgreich durchgeführt werden. Zunächst sollte Frau v.d. Leyen und Co alleine schon wegen der systemischen Intransparenz und der Verwicklung ihres familiären Umfeldes nebst staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren entlassen werden. Das wäre mal ein erster Schritt.
KK
1. Juni 2023 @ 14:39
@ ebo:
“Ich empfehle sogar ausdrücklich, neben diesem Blog eine anständige Zeitung zu lesen.”
Mir sind die “anständigen” Zeitungen leider alle abhanden gekommen – haben Sie noch einen Geheimtipp?
ebo
1. Juni 2023 @ 15:16
Für EU-Themen ist die “Financial Times” immer gut, oft sogar führend. Zu Deutschland möchte ich mich nicht äußern, ich bin befangen 🙂
KK
1. Juni 2023 @ 13:40
@ Hans-heiko Schlottke:
“Na dann fällt Ihnen doch gewiss auch etwas zu von der Leyen ein”
Mir viele was ein: Laienkönigin.
Stef
1. Juni 2023 @ 11:20
@ Monika: Volle Zustimmung. Bei uns gibt es keine Politiker im eigentlichen Sinne mehr. Die verstehen ihre Aufgabe nur noch als dienende Befehlsempfänger. Nur dass die Befehle nicht vom Wahlvolk, sondern aus den USA und vom großen Geld kommen.
Monika
1. Juni 2023 @ 10:53
Ja, ja, der Neid auf echte Politiker ist nagend… Während wir uns durch sämtliche Bänke mit Young Global Leader getunten Politdarstellern, plagen müssen…. Dass bei mir Herren wie Orban, Erdogan, Lawrow, ja auch Putin, einmal das Gefühl von Respekt auslösen könnten, hätte ich bis 2008 nicht gedacht…Mein politischer Liebling ist eine Außenministerin: Natürlich nicht unsere, sondern Naledi Pandor, Außenministerin der Republik Südafrika.
Hans-Heiko Schlottke
1. Juni 2023 @ 09:14
Sultan Erdogan, Zar Putin, Machthaber Assad – die Titulierung klingt schön und transportiert ein gutes Stückchen Propaganda, mir wäre allerdings der neutrale, sachlich richtige Begriff Präsident lieber.
ebo
1. Juni 2023 @ 09:18
Lesen Sie einfach die FAZ, die sagt immer brav Präsident.
Wir haben auch noch den Sonnenkönig Macron 🙂
Hans-Heiko Schlottke
1. Juni 2023 @ 10:34
Na dann fällt Ihnen doch gewiss auch etwas zu von der Leyen ein
ebo
1. Juni 2023 @ 10:43
Wir hatten schon mal “Macrons Liebling” und “SMS-Ministerin”, glaube ich
Georg Soltau
1. Juni 2023 @ 12:32
Hallo Herr Schlottke, Sie haben m. E. vollkommen recht, es ist Propaganda! Leider macht ebo da meist mit und das finde ich sehr schade
ebo
1. Juni 2023 @ 13:11
Nein, es ist künstlerische Freiheit. Dies ist ein Blog, kein offizielles Nachrichtenorgan
Georg Soltau
1. Juni 2023 @ 14:23
Hallo ebo, “Nein, es ist künstlerische Freiheit. Dies ist ein Blog, kein offizielles Nachrichtenorgan”…. achso “Propagander” in einem Blog wird zur Kunst…. man lernt immer wieder dazu
ebo
1. Juni 2023 @ 14:29
Wie gesagt, für die Präsidenten und Staatenlenker können Sie gern zur FAZ greifen, oder zur taz – je nach Gusto.
Ich empfehle sogar ausdrücklich, neben diesem Blog eine anständige Zeitung zu lesen. Denn hier geht es vor allem um jene europapolitischen Fragen und Themen, die anderswo “vergessen” werden oder wundersamerweise verloren gehen…
Josef Berchtold
1. Juni 2023 @ 08:52
Abwarten, was ihm einfällt. Geld fehlt ihm ohnehin. Ganz klar ist, dass er Geld will.
Stef
1. Juni 2023 @ 07:38
Der Fehler der EU ist, dass ihre aktuelle Elite bis zu den Fersen als Vasall im A. der USA steckt. Alles andere ergibt sich zwanglos. Wie soll man eine eigene Strategie gegenüber Erdogan haben, wenn diesevon den USA vorgegeben wird? Wie soll man seine Interessen auch nur definieren, wenn diejenigen der USA Vorrang haben?
Arthur Dent
1. Juni 2023 @ 00:24
@KK
Kennt jemand noch Franz-Josef Degenhardt und seine Schmuddelkinder?
Ja – und “Wenn der Senator erzählt” auch 🙂
KK
31. Mai 2023 @ 18:45
Kennt jemand noch Franz-Josef Degenhardt und seine Schmuddelkinder?
Für nahezu die gesamte Welt sitzen die Schmuddelkinder heute in Washigton DC, Brüssel und den Hauptstädten der EU! Man könnte diese Länder auch mit “Schurkenstaaten” beschreiben, denn die meissten Konflikte der letzten Jahrzehnte gehen auf deren Einmischungen oder sogar aktive Aggressionen zurück. Ohne die hätte es zB auch gar kein nine-eleven gegeben.
european
31. Mai 2023 @ 17:54
Die EU ist generell ideenlos und das ist ihr Problem.
Wenn man Seiten, wie z.B. Russia-Briefing, China-Briefing etc verfolgt, dann merkt man, dass der Ukraine-Krieg zwar geführt wird, aber politisch – ökonomisch in den Ländern eher eine Nebensache ist. In Windeseile wurden neue Verbindungen geknüpft, Wirtschaftsforen organisiert, Verträge in Milliardenhöhe abgeschlossen, z.B. über den Bau neuer Verkehrswege. Mag man Lavrov nun mögen oder nicht, persönlich finde ich auch nicht, dass er ein Sympathieträger ist, aber er hat da in den letzten Monaten etwas auf die Beine gestellt, das sich sehen lassen kann und m.E. nur durch Arbeit im 24Stundentakt zu bewältigen ist.
Die Länder des globalen Südens wollen den BRICS-Staaten beitreten und eine neue Wirtschaftswährung, durch Sachwerte wie Gold, seltene Erden, Edelmetalle etc gedeckt, ist in Arbeit.
Die Türkei hat auch konsequent ihre eigenen Interessen verfolgt, die da nicht lauteten noch ein weiteres nutzloses Sanktionspaket zu verabschieden, sondern aktiv auf Friedenslösungen hinzuarbeiten, z.B. indem nun Saudi-Arabien und Iran nicht nur wieder miteinander reden, sondern sogar Handelsverträge abschließen. Sieh an. Auch der Getreide-Deal geht auf Erdogan’s Konto.
Der Fehler der EU ist, sich um nichts außer der Ukraine zu kümmern, die Resourcen dort zu verballern bzw. zu verpulvern und die Probleme der Union in den Himmel wachsen zu lassen.
Towanda
1. Juni 2023 @ 08:25
Ideenlos würde ich nicht sagen.
Sie haben leider nur immer die falschen Ideen.
Anstatt diplomatisch nach Friedenslösungen zu suchen, haben sie nur Einfälle welche Sanktionen sie noch aushecken könnten und reiten sich und uns immer tiefer in die Abwärtsspirale.