Ein neuer Aufbruch?
Die Spannung ist raus. Obwohl die EU auf eine rasche Regierungsbildung in Berlin hofft, weckt die Endphase der GroKo-Verhandlungen in Brüssel kein großes Interesse mehr.
Das liegt nicht nur daran, dass niemand mehr mit einem Scheitern rechnet. Es liegt auch daran, dass man mittlerweile ziemlich genau weiß, was mit dem “neuen Aufbruch für Europa” gemeint ist – fast nichts.
Von der großen Eurozonen-Reform ist nicht mehr viel übrig – Interims-Finanzminister Altmaier hat schon klargemacht, dass es weder einen neuen Finanzminister noch ein Eurozonen-Budget geben wird.
Auch die in der Sondierung angekündigte Erhöhung des deutschen EU-Beitrags dürfte eher symbolisch ausfallen. Dafür sorgt schon Haushaltskommissar Oettinger (CDU), der nur unwesentlich mehr Geld fordert.
Und beim zweiten großen Thema, der Asylreform, hat Noch-Bundesinnenminister De Maizière sich bereits halb von neuen Quoten verabschiedet. Der Streit mit Osteuropa wurde auf Juni vertagt.
Bleibt eigentlich nur noch die Frage, ob man EU-Finanzhilfen künftig an Wohlverhalten binden wird. Solidarität in der Flüchtlingspolitik und Rechtsstaatlichkeit werden immer wieder als Kriterien genannt.
Doch auch das liegt in Oettingers Händen. Die GroKo-Verhandler in Berlin haben zu diesem brisanten Thema bisher auffällig geschwiegen – vermutlich wird es am Ende zwischen Oettinger und Kanzlerin Merkel geregelt.
Falls die GroKo am Montag wie geplant zu Potte kommt, sollte man deshalb weder Freudentänze in Brüssel erwarten – noch neuen Schub für die EU-Reform. Im Grunde geht alles weiter wie bisher.
Spannend könnte nur noch die für März angekündigte deutsch-französische Initiative zur EU-Reform werden. Dabei dürfte der Schwerpunkt auf der Außen- und Sicherheitspolitik liegen.
Optimisten mögen auch auf eine Regierungserklärung der Kanzlerin oder eine Europa-Rede des künftigen Außenministers (Gabriel? Schulz?) hoffen. Doch erstmal muss die SPD ihr parteiinternes Referendum überstehen…
WAS FEHLT? Der Auftakt im Prozess gegen den mutmaßlichen Terroristen S. Abdeslam. Abdeslam soll an der Pariser Terrorwelle im November 2015 beteiligt gewesen sein. In Belgien muss er sich zunächst wegen einer Schießerei in einem Brüsseler Vorort kurz vor seiner Festnahme 2016 verantworten. Der Prozess beginnt am Montag in Brüssel; Ende offen.
Kleopatra
6. Februar 2018 @ 03:35
„Bleibt eigentlich nur noch die Frage, ob man EU-Finanzhilfen künftig an Wohlverhalten binden wird. Solidarität in der Flüchtlingspolitik und Rechtsstaatlichkeit werden immer wieder als Kriterien genannt.“
— Hierauf ist die Antwort dieselbe wie immer: Diese Hilfen haben den Zweck, wirtschaftliche Ungleichgewichte auszugleichen, und sind deshalb sachlich notwendige Voraussetzungen für den Freihandel innerhalb der EU. Deshalb können sie nicht von „Solidarität“ in der Flüchtlingspolitik“ abhängig gemacht werden.
Claus
5. Februar 2018 @ 11:30
“Falls die GroKo am Montag wie geplant zu Potte kommt . . . ” – dann sollten wir erst einmal abwarten, wie das Befinden der SPD-Parteibasis ist, wenn sie dem GroKo-“Verhandlungsergebnis” zustimmen soll. Der Widerstand dort wächst, die Erkenntnis setzt sich durch, dass sich mit den selben Verlierer-Figuren, den stets gleich beschworenen Themen (wieso sind die nicht längst erledigt?) und ein paar Milliarden Euro zum Übertünchen für diese oder jenes kein “Aufbruch in die Zukunft” machen lässt. Und schon garnicht die SPD aus ihrem Elend befreien könnte.
Und was dann?
Peter Nemschak
5. Februar 2018 @ 11:14
Wer hat überhaupt ein Interesse, dass besonders viel in eine gemeinsame Richtung weitergeht? In einer so großen Staatenkoalition wie die EU ziehen verschiedene Interessen in verschiedene Richtungen. Es gibt derzeit keine von allen Mitgliedern gleichermaßen empfundene existentielle Bedrohung, welche die Staatenkoalition eint. So gesehen ist die Verzögerung der BREXIT-Verhandlungen im Interesse der EU als Ganzes. Die größte Gefahr besteht darin, dass die einzelnen EU-Mitglieder vom UK gegeneinander ausgespielt werden, eine Strategie welche die USA seit Jahrzehnten gegenüber den europäischen Staaten verfolgt. Diese Strategie des UK zu hintertreiben, sollte vorrangig das Ziel der EU als supranationales Gebilde sein. Was wir heute beobachten können, hat in der der europäischen Geschichte wiederholt stattgefunden. Die Versuchung sich auf einen Separatfrieden einzulassen ist ungebrochen.