Kein Merkel-Vakuum, Ampel spricht über EU – und Werkzeuge gegen die Energiekrise

Die Watchlist EUropa vom 13. Oktober 2021 –

Ampel oder Jamaika? In Brüssel interessiert das kaum jemanden. Die EU macht auch nach der Bundestagswahl „Business as usual“. Wer gedacht hatte, dass der Betrieb nach dem Ende der Ära Merkel zusammenbricht oder zumindest ein wenig runterfährt, sieht sich getäuscht.

Die Maschinerie ist so gut geölt, dass sie locker bis ins neue Jahr weiter läuft – auch ohne Deutschland. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, hat sich vieles verselbständigt.

In der EU-Kommission arbeitet man die lange Wunschliste von Behördenchefin Ursula von der Leyen ab, die sie bei ihrer Rede zur „Lage der Union“ im September vorgestellt hat. Natürlich war alles mit Merkel und Präsident Emmanuel Macron abgestimmt – am 1. Januar übernimmt Frankreich den halbjährlichen EU-Vorsitz.

Im Rat, der Vertretung der 27 Mitgliedsländer, tut sich auch kein Merkel-Vakuum auf. Die alte Bundesregierung hat längst nationale Experten nach Brüssel geschickt, die in speziellen Ratsarbeitsgruppen über das Klimapaket „Fit for 55“ verhandeln.

Mit Entscheidungen wird erst im zweiten Halbjahr 2022 gerechnet. Die neue Bundesregierung hat also noch genug Zeit, um Akzente zu setzen.

Weber greift nach Macht in der EVP

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Das Europaparlament ist ohnehin vollauf mit sich selbst beschäftigt. Dort zeichnet sich nach der Bundestagswahl zwar eine Schwächung der bisher dominierenden Europäischen Volkspartei ab, CDU/CSU müssen kleinere Brötchen backen.

Doch der Chef der EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), will gegensteuern – und sich die Kontrolle über die EVP (die Partei) sichern. Wenn ihm dies gelingt, wäre Weber künftig der starke Mann der Konservativen – er würde Fraktion und Partei in Personalunion führen.

Paradoxerweise könnte der Niederbayer so als Gewinner aus der Bundestagswahl hervorgehen, während die CSU in Bayern eine historische Schlappe eingefahren hat. Die EVP bliebe in deutscher Hand, auch wenn die Union keine Volkspartei mehr ist.

Von der Leyen kann auch ohne Merkel

Auch von der Leyen sieht sich gestärkt. Dass Merkel, ihre Busenfreundin, bald geht, ist für die CDU-Politikerin zwar ein herber Verlust. Mit niemandem hat sie enger und vertrauensvoller zusammen gearbeitet.

Umso mehr will sie nun mit Macron kooperieren. Die Deutsche und der Franzose planen bereits einen „Verteidigungsgipfel“ im Frühjahr 2022 – Aufrüstung wird zum EU-Programm.

Die Kommissionschefin stützt sich aber auch auf externe, transatlantische Hilfe. So telefonierte sie vor einem Sonder-EU-Gipfel in Slowenien ausführlich mit US-Präsident Joe Biden, um eine gemeinsame Agenda abzustecken.

Paradoxerweise deckt sie sich weitgehend mit der Tagesordnung in Brüssel.

Vor allem gegen China wollen Biden und von der Leyen Front machen. Es geht doch nichts über gemeinsame Feindbilder – vor allem wenn man selbst in der Krise steckt, z.B. mit Polen

Dieser Beitrag erschien zuerst im “Makroskop”. Teil zwei kommt am Donnerstag.

P. S. Sie haben über EUropa geredet! Das verlautete nach der jüngsten Ampel-Sondierung aus Berlin. Auch die Migration war ein Thema, sagte der baden-württembergische Landesvater Kretschmann. Doch mehr sickerte nicht durch, Scholz & friends haben Vertraulichkeit vereinbart. Den Demokratie-Preis für Transparenz bekommen sie so aber nicht…

Watchlist

Was empfiehlt die EU-Kommission gegen die Energiekrise? Am Mittwoch will die Brüsseler Behörde einen “Werkzeugkasten” vorstellen, aus dem sich die Mitgliedsstaaten mit freundlicher Genehmigung der EU bedienen dürfen. Im Wesentlichen geht es um Steuersenkungen und Zuschüsse für “Energiearme”. Auch staatliche Beihilfen wie in Frankreich, wo die Gaspreise gedeckelt werden, sollen erlaubt werden. An die strukturellen Ursachen der Krise traut sich Brüssel aber nicht ran… – Mehr hier

Was fehlt

Die neuen EU-Hilfen für Afghanistan. Angesichts einer drohenden Hungerkatastrophe will die EU-Kommission ihre ZUsagen mehr als verdreifachen – von bisher 300 Millionen Euro auf eine MiIliarde. Das verkündete Kommissionschefin von der Leyen vor einem G20-Sondertreffen. Warum sie ausgerechnet den Taliban so großzügig helfen will, blieb offen. Und warum das Land so kurz nach dem Abzug der USA, der Nato und der EU völlig verarmt ist, sagte sie auch nicht… – Mehr dazu hier