Der Datenschutz soll Juncker retten

Bisher war die Selmayr-Affäre nur etwas für EU-Insider. Doch seit der Rücktritts-Drohung von Kommissionschef Juncker hat sie eine andere Dimension angenommen. Es geht um die Macht – und um Datenschutz.

Diesen Eindruck versucht jedenfalls die Kommission – also Juncker und sein fürs Personal zuständiger Kommissar Oettinger – zu erwecken. Auf Fragen des Europaparlaments antworteten sie Folgendes (Hervorhebungen von mir):

b)  We ask for your understanding that these documents cannot be transmitted for reasons of protection of private life and personal data, and in order not to prejudice the institution’s future staff selection procedures, including the decision-making process. However, we are ready to discuss with the CONT committee appropriate arrangements for confidential access to documents concerning Mr Selmayr, who agreed with this way of proceeding.

c)  These documents cannot be transmitted for reasons of protection of private life and personal data, and in order not to prejudice the institution’s future staff selection procedures, including the decision-making process.

Bei den fraglichen Dokumenten geht es um Selmayrs und andere Bewerbungen sowie um die Rücknahme dieser Bewerbungen. Das Parlament will die Briefe sehen, die Kommission weigert sich.

Allenfalls möchte sie ausgewählten EU-Abgeordneten die Bewerbung Selmayrs zugänglich machen. Doch warum sich die einzige Mitbewerberin blitzschnell zurückgezogen hat, soll im Dunkeln bleiben.

Abgekartetes Spiel

Der Grund ist nicht schwer zu erraten: Andernfalls würde erkennbar, dass es sich um ein abgekartetes Spiel handelte. Selmayr war von vornherein als Generalsekretär gesetzt, die Mitbewerberin gab es nur pro forma.

Man darf gespannt sein, ob das Parlament bei seiner für Dienstag geplanten Untersuchung zu demselben Ergebnis kommt. Dann könnte es ernst werden für Selmayr und Juncker, aber auch für Oettinger.

Denn auch in der konservativen EVP, die Juncker zum Kommissionschef gemacht hat, brodelt es. Sogar CDU und CSU stehen nicht mehr in Treue fest zu Juncker. Deshalb mußte nun der Fraktionschef ein Machtwort sprechen.

Juncker darf nicht fallen

EVP-Fraktionschef Weber (CSU) stellte sich in dem Interview hinter Juncker: „Er muss das Recht haben, seinen obersten Beamten selbst auszuwählen, er braucht das absolute Vertrauen zum Generalsekretär.“

Trotzdem müssten bei einer Beförderung alle Regeln des Beamtenrechts eingehalten werden. „Ich gehe davon aus, dass dies der Fall gewesen ist“, sagt Weber, ohne das Ergebnis der Untersuchung abzuwarten.

Mit anderen Worten: Juncker darf nicht fallen – egal, was der Haushalts-Kontrollausschuss herausfindet. Geleitet wird er übrigens von einer CDU-Politikerin – es bleibt alles in der EVP-Familie…

Siehe auch „Junckers deutsche Seilschaft“. Die Antworten der Kommission finden sich auf der Website des Grünen-Abgeordneten S. Giegold