Juncker will nicht neoliberal sein

Seit der Lissabon-Agenda aus dem Jahr 2000 verfolgt die EU eine neoliberale, an Markt und Wettbewerb ausgerichtete Politik. Doch Kommissionschef Juncker will damit nichts zu tun haben. Die Wähler seien selbst schuld, sagte der Luxemburger  in einem Interview.

„Europa ist kein neoliberales Projekt. Es gibt keine Spurenelemente in den europäischen Verträgen, die darauf hinweisen, dass man absolute neoliberale Politik in Europa machen müsste“, sagte Juncker meinem Kollegen D. Velasquez.

Die Politik werde von denen gestaltet, die in europäischer und nationaler politischer Verantwortung stehen. Und wer zur Wahl geht, müsse eben wissen, wem er seine Stimme gibt.

„Wenn das Ergebnis dann so ist, dass neoliberale Politikkonzepte angewendet werden, dann ist das das Ergebnis eines Wahlverhaltens und nicht die Schuld der europäischen Verträge.“

Selten hat sich ein EU-Verantwortlicher so billig herausgeredet. Wer hat denn seinen Amtsvorgänger Barroso „gewählt“, der die neoliberale Politik auf die Spitze trieb? Und was tat Juncker, als er noch (ungewählter) Eurogruppenchef war?

Auch heute sieht es nicht besser aus. In Griechenland wird die neoliberale Politik auf die Spitze getrieben – Juncker war maßgeblich am dritten Bailout und den neuen Sparauflagen für die nächsten 50 Jahre beteiligt.

Zudem stellt sich die Frage, wen man bei der Europawahl denn wählen sollte, um den neoliberalen Kurs zu beenden. Junckers Parteifreund Weber vielleicht? Oder den Juncker-Kommissar Sefcovic?

Die Wahrheit ist, dass die neoliberale Politik von Großbritannien und Deutschland vorgegeben wurde – und heute sogar in Frankreich verfolgt wird. Juncker versprach einen Kurswechsel, heute verhöhnt er seine Wähler…

Siehe auch: „Von Grexit bis Brexit: Wie sich die EU verhärtet“

WATCHLIST:

  • Neben dem Friedensnobelpreis interessiert uns heute (vielleicht) die Rede von „Global“ Juncker. Im österreichischen Parlament spricht der Luxemburger zum Thema: „Für ein weltpolitikfähiges Europa„. Mal sehen, ob dabei auch Mittelstreckenraketen und Cyberwars zur Sprache kommen. Die Nato redet schon vom Präventivschlag

WAS FEHLT:

  • Immer noch der „Aufbruch für Europa“. Obwohl er im Koalitionsvertrag steht, ist nichts passiert. Frankreichs Finanzminister Le Maire platzte jetzt der Kragen. Er mahnte mehr Tempo in Deutschland an. „Wir können nicht mehr warten“, sagte er der „Süddeutschen“. Wenn der Euro nicht bald reformiert werde, könne die Währungsunion scheitern.

Siehe dazu meine Sommerserie z.B. „Wortbruch statt Aufbruch“