Johnsons letzter Plan – Oettingers letzte Worte

Es wird eng für Boris Johnson: Bis zum EU-Gipfel am Donnerstag muss sein alternativer Brexit-Deal fertig sein, damit der Austritt am 31. Oktober noch klappen kann. Doch sein (bisher) letzter Plan überzeugt nicht.

Am Wochenende waren Europäer und Briten in den so genannten „Tunnel“ eingetreten. Im Brüsseler Jargon werden damit geheime Gespräche bezeichnet. In die Details wurden nicht einmal die Botschafter der 27 EU-Staaten eingeweiht, die sich am Sonntagabend in Brüssel trafen.

Immerhin sickerten die groben Linien einer möglichen Einigung durch. London hat demnach vorgeschlagen,  auf eine Zollgrenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland zu verzichten – ganz, wie von Brüssel gefordert. Stattdessen soll eine neue Zollpartnerschaft kommen.

Diese soll die bisherige Zollunion mit der EU ersetzen und vorsehen, dass Nordirland gleichzeitig die EU-Regeln und neue britische Zölle anwendet. Wenn die britischen Sätze niedriger sind als die europäischen, sollen die Nordiren nach dieser „dualen“ Lösung eine Erstattung von London bekommen. 

Es wäre die Quadratur des Kreises. Sie würde die minutiöse Erfassung aller Warenströme von der britischen Insel nach Nordirland erfordern. Wie das gehen soll, sei völlig unklar, heißt es in Brüssel. Der europäische Binnenmarkt werde so großen Risiken ausgesetzt, warnen Kritiker unter den verbleibenden 27 EU-Staaten.

Auf Sympathie stößt der Plan dagegen in Irland. Immerhin hat er den Charme, die von London bisher geplanten Kontrollen auf beiden Seiten der Grenze zu Nordirland überflüssig zu machen. Außenminister Simon Coveney äußerte sich denn auch verhalten optimistisch. 

Eine Einigung könnte „diesen Monat“ oder „diese Woche“ kommen, sagte Coveney. „Aber wir sind noch nicht da“, schränkte der Minister ein. Vor den Unterhändlern liege noch sehr viel Arbeit. 

Ob der Job rechtzeitig zum EU-Gipfel erledigt werden kann, ist jedoch völlig offen. Und was passiert, wenn dies nicht gelingt, kann derzeit auch niemand in Brüssel sagen…

Siehe auch „Brexit: Vorsicht, Falle!“

Watchlist

  • Wie schätzt die EU Johnsons Brexit-Plan ein? Darüber beraten die Europaminister in Luxemburg. EU-Verhandlungsführer Barnier will sie über den letzten Stand informieren. Zuletzt hat er sich pessimistisch geäußert
  • Weiteres Thema sind die Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien. Die meisten EU-Staaten wollen sie starten, doch Frankreich hält dagegen. Paris will das gesamte Verfahren der Erweiterung neu regeln.

Was fehlt

  • Die persönliche Bilanz des deutschen Kommissars Günther Oettinger. Sie fällt natürlich positiv aus – „wenn ich in den nächsten Wochen keinen Skandal mehr mache“, sagte der CDU-Politiker bei einer Debatte in der hessischen Landesvertretung in Brüssel. Der Saal lachte.
  • Und was erwartet er von den nächsten EU-Kommission – im Vergleich zur aktuellen? „Die letzte Kommission war politisch, die nächste wird geopolitisch. Unter Juncker war es die Kommission der letzten Chance, unter von der Leyen wird es die Kommission der allerletzten Chance.“ Na dann…
  • Ach ja, dann war da auch noch ein Beschluss der EU-Außenminister zum „Nordosten Syriens“. Darin verurteilen sie die „einseitige Militäroperation“ der Türkei, sprechen aber nicht von Einmarsch oder gar Invasion. Sie nennen die Türkei einen „wichtigen Partner“ und verweisen auf „die Entscheidung einiger Mitgliedstaaten“, Waffenausfuhren in die Türkei einzuschränken. Zu einem Waffenembargo konnten sie sich aber nicht durchringen…

Siehe auch „Türkische Invasion: EU ringt um Worte“