Johnson fordert von der Leyen heraus

Der britische Premier will die deutsche Kommissionschefin treffen, die Bundesregierung will die Reisewarnung für Europa aufheben – und die EU-Kommission will eigene Feldlazarette: Die Watchlist EUropa vom 3. Juni 2020.

Brüssel spricht wieder von einem “No Deal”. Denn auch in der vierten – und wohl entscheidenden – Verhandlungswoche kommen die Gespräche über ein Freihandelsabkommen kaum voran. Premier Johnson setzt offenbar auf ein persönliches Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, um den Knoten durchzuschlagen. Doch von der Leyen ziert sich.

Auf die Frage, ob es bald Verhandlungen auf Chefebene geben würde, reagierte ein Kommissionssprecher ausweichend. Im Prinzip seien solche Gespräche bereits im vergangenen Herbst vereinbart wurden, hieß es.

Einen Termin – etwa am Rande des nächsten EU-Gipfels am 19. Juni – wollte er jedoch nicht nennen.

Dahinter steht taktisches Kalkül. Die EU würde die Gespräche gerne verlängern, um so einen sanften Übergang zu sichern – ohne den „No Deal“-Hammer.

Für Johnson wäre eine Verlängerung jedoch gleichbedeutend mit Verwässerung oder gar Verrat. Er hat den Briten den Brexit versprochen und will sie nicht auf 2021 oder später vertrösten.

Hinzu kommt, dass sich Johnson unter einem „guten Deal“ etwas völlig anderes vorstellt als Barnier oder von der Leyen.

Der britische Tory-Chef strebt ein Abkommen nach dem Vorbild des CETA-Deals mit Kanada an – ohne Zölle, Quoten oder andere Handelsschranken. Außerdem will er freie Hand bei den Fischereirechten und dem Umgang mit Irland.

Demgegenüber will die EU Großbritannien so nah wie möglich am Binnenmarkt und seinen Regeln halten. Das Stichwort heißt „level playing field“, also gleiche oder annähernd gleiche Standards bei Steuern, Abgaben und in der Sozial- und Umweltpolitik.

Zudem fordert die EU fairen Zugang zu den britischen Fischgründen und die Umsetzung aller Vereinbarungen zu Irland und Nordirland.

“Man lässt uns keine Wahl”

„Man lässt uns keine echte Wahl“, klagt der britische Chefunterhändler David Frost. Brüssel biete nur alles (Freihandel zu EU-Regeln) oder nichts (also WTO-Zölle). London strebe jedoch einen Kompromiss zwischen diesen beiden Extremen an.

Damit dies möglich werde, müsse Brüssel aber endlich aufhören, Großbritannien so zu behandeln, als sei es immer noch ein EU-Mitglied.

Doch genau das fällt Barnier und von der Leyen sichtlich schwer. Sie wollen die Briten nicht ziehen lassen und hoffen auf enge, partnerschaftliche Beziehungen – nicht nur beim Handel, sondern auch in der Außenpolitik.

Doch auch da spielt Johnson nicht mit: Er fordert von der Leyen heraus – und verhandelt gleichzeitig mit US-Präsident Trump über einen Handelsvertrag. Auch der soll bis zum Jahresende fertig sein…

Siehe auch Nach dem Brexit: EU rules forever?

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Watchlist

Hebt die Bundesregierung die Reisewarnung für Europa auf? Dies hat Außenminister Maas angekündigt – aber der Beschluß ist schon einmal verschoben worden, und es ist auch unklar, ab wann er gültig sein soll. Von dem grünen Licht aus Berlin hängen ganze Urlaubsregionen in Südeuropa ab, de facto entscheidet Maas auch über Sein und Nichtsein von Schengen… – Mehr hier

Was fehlt

Das neue Experten-Gremium gegen “Desinformation”. Weil sich dieser Gummi-Begriff schlecht fassen lässt, hat die EU nun eine Arbeitsgemeinschaft eingesetzt. Das Europäische Observatorium für digitale Medien (European Digital Media Observatory, EDMO) besteht aus Faktencheckern, Forschern und anderen Beteiligten. Brüssel macht dafür 2,5 Millionen Euro locker. – Mehr hier

Das Letzte

Die EU-Kommission will den europäischen Katastrophenschutz drastisch ausbauen – und künftig auch über eigene Flugzeuge, Hubschrauber und Feldlazarette verfügen. Dies ist Teil des “Recovery”-Plans und wird als “Lektion” aus der Coronakrise präsentiert – dabei ist die Pandemie noch längst nicht ausgestanden… – Mehr hier


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