Einig gegen Trump – really?
Nach dem Debakel beim G-7-Gipfel will sich die EU zusammenraufen. “Jetzt ist Einheit gefragt, wir lassen uns nicht über den Tisch ziehen”, sagt sogar Kanzlerin Merkel. Doch werden den schönen Worten diesmal auch Taten folgen?
Unbedingt, meinen die einen. Die EU habe keine andere Wahl, und Merkel sei auch schon eingeschwenkt. Wegen Trump (und Italien) gehe die Kanzlerin bereits auf Frankreich zu, schreibt J. Quatremer in “Libération”.
Dazu passt allerdings schlecht, dass sich Merkel wieder als “Leader of the free world” feiern lässt. Das regierungsamtliche Foto, auf dem sie Trump eine Standpauke zu halten scheint, wird auf allen Kanälen ausgeschlachtet.
Und die Angebote, die Merkel an Präsident Macron gemacht hat, lassen kein Umdenken erkennen. Sie sind bloß ein Neuaufguss alter Pläne. In Paris ist man damit nicht zufrieden, wie Finanzminister Le Maire in einer “Ruck-Rede” klar machte.
Erschwerend kommt hinzu, dass Trumps Drohungen gegen Deutschland gerichtet sind – und offenbar auf eine Spaltung der EU zielen. Kommissionschef Juncker versucht zwar, im Namen der gesamten EU dagegenzuhalten.
Doch derzeit ist nicht ersichtlich, ob Merkel dem amerikanischen Druck nachgeben und die EU-Front aufweichen wird – oder ob Macron die neue Lage nutzt, um von Merkel weiteres Entgegenkommen bei der EU-Reform zu verlangen.
Klar ist nur, dass Berlin und Brüssel den Gesprächsfaden zu Washington nicht abreißen lassen wollen, um einen Handelskrieg zu verhindern, während Paris versucht, die EUropäer auf Widerstand einzuschwören.
Klar ist auch, dass einige EU-Länder versuchen, aus der neuen Lage Profit zu schlagen. So ist die neue italienische Regierung offenbar Trumps Charmeoffensive erlegen; Premier Conte will bald nach Washington fliegen.
Und die polnische Regierung bietet sich den USA sogar als “Mittler” an. Polens Ministerpräsident Morawiecki hat die wachsende Kluft zwischen der EU und den USA sogar als “große Chance” für sein Land bezeichnet…
Siehe auch “In Trumps Falle getappt – schon wieder”
WATCHLIST:
- Jetzt redet Rutte. Der niederländische Premier stellt im Europaparlament seine Sicht auf die EU und die Weltlage dar. Zuletzt hat er sich als eine Art Anti-Macron positioniert – und wurde von Merkel und Altmaier hofiert. Denn mit Ruttes Hilfe könnten sie beim EU-Gipfel Ende Juni Macrons Visionen ausbremsen. Ein aktuelles Porträt (auf englisch) steht hier
WAS FEHLT:
- Die “Einigung” mit dem “Raketenmann”. Worauf hat sich US-Präsident Trump denn überhaupt mit dem nordkoreanischen Diktator verständigt? Auf schöne Bilder – oder mehr? Warten wir es ab. Wie wir vom G-7-Gipfel in Kanada wissen, sind Trumps Erklärungen das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Keep your eyes on Twitter…
RÜCKBLICK:
- Frankreich überholt Deutschland, hieß es in diesem Blog vor einem Jahr: Ausgerechnet deutsche Ökonomen zeichneten ein rosiges Bild der Wirtschaft. Tatsächlich hat sich Frankreich erholt, doch von Überholen kann (noch) keine Rede sein.
Solveig Weise
13. Juni 2018 @ 12:59
Nehmen wir an Merkel würde ihre “Pläne” bis zum Gipfel Ende Juni noch einmal mehr in Richtung der Vorstellungen der Franzosen ändern. Geht man wirklich davon aus, dass Länder wie Österreich, die Niederlande oder Finnland da mitgehen würden?
Ich halte dies für undenkbar.
ebo
13. Juni 2018 @ 13:06
@Solveig Weise – Eben. Merkel nutzt Rutte, Kurz & Co., um Macron auszubremsen. Macron hat den Kardinalfehler gemacht, sich allein auf Merkel zu verlassen. Die Kanzlerin hingegen stellt sich mit allen gut, wie es ihre Art ist. Eine große Reform kann dabei natürlich nicht herauskommen, schon gar keine Neugründung der EU…
Peter Nemschak
13. Juni 2018 @ 20:17
Wir müssen realistisch sein. Transnationale Umverteilung in der EU, unter welchem Titel auch immer, hat wenig Freunde unter jenen, die dafür zahlen müssen. Unverständlich, warum die Linken und Grünen das nicht zur Kenntnis nehmen wollen und immer wieder dagegen remonstrieren. Das Thema sollte längst abgehakt sein und Alternativen auf den Tisch kommen. Das Grundprinzip der EU heißt Subsidiarität. Jedes Land ist in erster Linie für seine Finanzen verantwortlich. Daran zu rütteln, öffnet Tür und Tor für Verantwortungslosigkeit. Das sollte einem eigentlich der gesunde Menschenverstand sagen, der manchen fehlt.
Claus
13. Juni 2018 @ 11:13
„Das regierungsamtliche Foto, auf dem sie Trump eine Standpauke zu halten scheint, wird auf allen Kanälen ausgeschlachtet.“
Das scheint auch so, und auf noch mehr Kanälen ist dieses Bild ein Quell nachhaltiger Heiterkeit und inspiriert, was man aus Aufnahmen wie dieser machen kann. Wie auch ein genauer Blick Informationen bestätigt, dass im Augenblick der Aufnahme Macron, auf den sich auch die meisten Augen richten, gerade etwas zu Trump sagte, und nicht etwas Merkel.
Bester Kommentar zum Bild unter einem Evening Standard-Artikel:
„This looks like an episode of Celebrity Apprentice where Trump is about to fire Angela Merkel because her strudel marketing plan fell through.”
https://www.standard.co.uk/news/world/g7-summit-best-internet-reactions-to-viral-photo-of-merkel-and-trump-a3859561.html
Baer
13. Juni 2018 @ 08:33
Wer sich darüber im Klaren ist,für wen oder besser durch wen Politik gemacht wird ,braucht sich nicht mehr an einen Strohhalm zu klammern.
Eine Studie der Uni Osnabrück belegt eindeutig, dass der Wille der unteren und mittleren Bevölkerungsschicht in den politischen Entscheidungen überhaupt keine Berücksichtigung findet.
Selbst bei der AfD wird z.B. durch Alice Weidel eine ehemalige Goldman Sachs Kraft
die Nähe zum Geld niemals aufgeben,also alter Wein in neuen Schläuchen.
Geld regiert die Welt und das Volk hat zu schweigen,so geht Demokratie.
Wer als Politiker das Wort Demokratie in den Mund nimmt gehört abgewählt .
Dieses Alibigeschwätz kann ich nicht mehr ertragen.
Peter Nemschak
13. Juni 2018 @ 08:24
So wie es aussieht, muss sich Europa mangels politischer Einigkeit und militärischer Schwäche zwischen den USA, Russland und China entscheiden. Unter diesen Umständen fällt die Entscheidung leicht. Eine Koalition der Verlierer mit dem stagnierenden Russland ist unattraktiv und mit China kultur- und wertefremd für uns Europäer. Die USA haben zumindest das Potential Weltmachtführer zu bleiben, auch wenn derzeit ein Präsident am Werk ist, der nicht gerade das Beste Amerikas repräsentiert.