Schuldenkrise: Rom spielt mit dem Feuer – Brüssel auch
In der Finanz- und Eurokrise haben wir gelernt, dass die Märkte zu Überreaktionen neigen und Krisen verschärfen können. Doch in Brüssel hat man dies offenbar vergessen. Die Märkte sollen nun Italien abstrafen – für ein vergleichsweise bescheidenes Budgetdefizit von 2,4 Prozent!
Auf diese Zahl hatten sich die beiden populistischen Regierungsparteien in Rom am Donnerstag geeinigt. Dabei haben sie ihren parteilosen Finanzminister Tria übergangen, der unter 2 Prozent bleiben wollte. Der Maastricht-Vertrag erlaubt immerhin 3 Prozent.
Die Reaktion der Märkte folgte prompt: Der Spread für italienische Staatsanleihen schnellte auf über 3 Prozent hoch, die Börse rauschte in den Keller. Die FT spricht schon von einem „Ausverkauf“, „Zerohedge“ warnt vor „Panik“.
Da wird die EU schleunigst gegensteuern, sollte man meinen. Doch bis auf Währungskommissar Moscovici, der von einer „explosiven Lage“ spricht, fiel die Reaktion mau aus. Man wolle auf die endgültige Vorlage aus Rom warten, heißt es in der EU-Kommission.
In Wahrheit warten viele in Brüssel und Berlin aber auf einen „heilsamen“ Schock, den die Märkte der ungeliebten Regierung in Rom bereiten sollen. CDU-Kommissar Oettinger hat dies ja schon im Sommer ausgesprochen – und für Empörung gesorgt.
Jetzt könnte sich sein Wunsch „endlich“ bewahrheiten – doch um welchen Preis? Will man etwa warten, bis an den Märkten wieder das Chaos ausbricht – wie in der Eurokrise, als die Panik unkontrolliert von einem Land auf das nächste übersprang?
Sinnvoller wäre es doch wohl, die Märkte zu beruhigen – und mit Italien in einen Dialog einzutreten. Beim Treffen der Eurogruppe am Montag wäre dazu eine gute Gelegenheit – doch die Schuldenkrise steht nicht einmal auf der Tagesordnung…
Holly01
29. September 2018 @ 16:57
Was für eine Diskussion soll das bitte sein?
„Der Markt“ sind gerade einmal eine knappe Hand voll von US Banken.
„Der Markt“ ist eine verlängerte FED Politik.
Was wir sehen ist eine FED die den Wunsch hat, nein die existenzielle Notwendigkeit hat, dass mehr Geld in die USA fliesst.
Das Doppeldefizit aus Staatshaushalt und Warenhandel muss finanziert werden.
Da die Schulden im Ausland anfallen müssen sie auch im Ausland finanziert werden.
Saldenmechanik aka Bilanzwesen …
Es wird also der Euro klein gerechnet und der Dollar hoch gerechnet.
Die Gründe sind austauschbar.
Hauptsache der Dollar ist „der sichere Hafen“ und die Zinsen und die Defizite können finanziert werden.
Wäre es nicht Italien (das 2,4% Haushaltsminus ankündigt, bei 3% „erlaubt“) dann ist es Frankreich oder Deutschland mit Exportproblemen oder der Bankensektor oder der demographische Wandel oder die Infrastrukturprobleme oder der Klimawandel.
Völlig egal, irgend etwas wird man schon aus der Feder leiern.
Italien bietet sich nur gerade an.
Da ist zusammen gewachsen was zusammen gehört (bei uns wäre es konservativer Flügel der CDU/CSU mit den Grünen) und wenn man da herumstochert, dann bedient das die „anti establishment“ Klientel dieser Parteien.
Win win.
Italien änder etwas.
Alle reden drüber.
Die italienische Regierung kann sagen „schaut was die sich aufregen, aber wir machen das“.
Besser geht nicht …
vlg
Peter Nemschak
28. September 2018 @ 20:48
So lange Italien Mitglied des Euro ist wird es immer wieder versuchen zu Lasten der anderen Euro-Mitglieder zu leben. Das war auch der Hintergedanken als Frankreich und Italien Druck auf Deutschland machten den Euro gegen die DM zu tauschen. Das muss ein Ende haben, will man den Frieden in der EU erhalten. Entweder fügt sich Italien der Vorgaben der EU oder es muss aus dem Euro ausscheiden. Transnationale Umverteilung in der EU ist unerwünscht. Außer den Linken will das niemand. Daher sind sie auch nicht mehrheitsfähig.
Solveig Weise
28. September 2018 @ 20:02
@ebo: ich spekuliere jetzt einmal laut was Sie wohl beführworten würden. Deutschland und die Niederlande sollen jetzt endlich ihre dümmlich Blockade gegen die gemeinsame Einlagensicherung für Banken aufgeben, denn sonst kommen italienische Banken in Bedrängnis wenn die Kurse der Staatsanleihen weiter fallen. Es wird Zeit für Solidarität….. Liege ich in etwa richtig?
ebo
28. September 2018 @ 20:50
@S.W. Keineswegs, denn hier geht es nicht um die Einlagensicherung. Mir geht es darum, dass sich Brüssel – und vor allem: Berlin – nicht auf den „rationalen Zuchtmeister“ namens Markt verlassen dürfen. Das ist ein Spiel mit dem Feuer, wie wir seit 2009 gesehen haben. Auch die viel beschworenen EU-Regeln helfen nicht weiter – denn sie sind in sich widersprüchlich, changieren zwischen 3 % (Maastricht) und 0,x % (strukturelles Defizit). Hier geht es um Politik, und die neue Regierung in Rom hat nun einmal ein Mandat. Die bisherige Politik, die von Brüssel gestützt wurde, wurde abgewählt – im übrigen war sie, trotz Sparkurs, auch nicht in der Lage, das Defizit abzubauen.
Peter Nemschak
28. September 2018 @ 21:06
Solange es den Euro gibt, werden sich die Mitglieder realistischerweise nach den Vorstellungen des stärksten Mitglieds richten oder zu einer eigenen Währung zurückkehren müssen. Das ist kein unbilliges Verlangen. Alles andere ist Wunschdenken und ignoriert die realen Machtverhältnisse. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten hat damit kein Problem.