Italien: Ohrfeige für den Souverän

Nun ist es amtlich: Die EU-Kommission weist den Budgetentwurf der italienischen Regierung zurück. Dies ist ein Präzedenzfall in der Geschichte der Euro-Währungsunion – und ein schwerer Eingriff in die Souveränität eines EU-Gründerlandes.

Schließlich ist der umstrittene Entwurf ja nicht vom Himmel gefallen. Er entspricht dem Willens des Souveräns, also des italienischen Volks, wie Umfragen bestätigt haben.

59 Prozent der Italiener befürworten die Haushaltpläne, die eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent vorsehen. Damit will Rom eine Senkung des Rentenalters sowie ein neues Bürgereinkommen finanzieren.

Das Budgetrecht gilt als vornehmstes Recht des Parlaments in einer Demokratie. Von beidem wird man sich nun wohl verabschieden müssen. Für Brüssel jedenfalls ist der Fiskalpakt wichtiger.

Ausgeheckt wurde er von Kanzlerin Merkel, die ihn gegen den erbitterten Widerstand Großbritanniens durchgedrückt hat. Weil London eine EU-Vertragsänderung ablehnte, musste der Pakt außerhalb des Vertrags eingeführt werden.

Beim Budgetrecht wird die Wahl annuliert

Auf Druck aus Berlin ist die EU-Kommission derzeit damit beschäftigt, den Fiskalpakt nachträglich in EU-Recht überzuführen. Außerdem beruft sie sich auf den sogenannten Six-Pack, der noch schärfere Vorschriften enthält.

Die neue Regierung soll mit diesen Instrumenten dazu gezwungen werden, sich an Vorgaben zu halten, die vor der Wahl mit der EU-Kommission verabredet wurden. Anders gesagt: Beim Budgetrecht wird die Wahl annuliert.

Man mag dies aus ökonomischen Gründen für berechtigt, vielleicht sogar zwingend halten. Demokratietheoretisch ist es fatal. Denn der EU fehlt ein Demos und ein Souverän, mit der sie ihr Handeln begründen könnte.

Ein schwerer, vielleicht unlösbarer Konflikt

Sie kann ihren tiefen Eingriff in das Budgetrecht nur aus abstrakten Prinzipen und Regeln begründen, nicht aber mit dem Willen eines europäischen Volkes oder legitimen Herrschers, wie in einer Demokratie üblich.

Wir haben es hier also mit einem schweren, potentiell unlösbaren Konflikt zwischen der (nicht gewählten) europäischen und der nationalen Ebene zu tun – und nicht nur mit einem Streit um ein paar Milliarden.

Bleibt die Frage, wie der Souverän in Italien reagiert – wird er nun noch lieber die Fünf-Sterne-Bewegung und die rechte Lega wählen? Wird man in Rom bald die Römischen Verträge verfluchen, die die EU begründet haben?

Mehr zum Streit um den Budgetentwurf Italiens hier

P.S. EU-Kommissar Moscovici behauptet, Brüssel handele „im besten Interesse des italienischen Volkes“. Dann ist ja alles klar, Wahlen sind eigentlich nicht mehr nötig…