Muss “die EU” China härter anfassen?

Die EU müsse China härter anfassen, heißt es nach einem Videogipfel zwischen Brüssel und Peking. Allerdings ist es vor allem Deutschland, das China schont. Wer mehr Härte fordert, muß auch sagen, welches Ziel er verfolgt.

Wer nach dem virtuellen EUChina-Gipfel die Zeitungen liest, reibt sich verwundert die Augen: Die meisten Berichte haben wenig mit dem zu tun, was Kanzlerin Merkel und Ratspräsident Michel von ihrem Videochat mit Präsident Xi Jinping berichtet haben. Und die Kommentare fallen durchweg negativ aus.

Brüssel müsse gegenüber Peking “klare Kante” zeigen, schreibt die FAZ. “Mehr Härte, bitte”, fordert die “taz”. Die EU solle sich stärker für Hongkong einsetzen und beim geplanten Investitionsabkommen mehr Druck machen, sind sich die Kommentatoren einig. Ist “die EU” zu nett mit China?

Wohl kaum. Das Europaparlament hat seine Tonart deutlich verschärft, die EU-Kommission auch, Frankreich und Großbritannien steuern auf Konfrontationskurs. Bei genauerer Betrachtung ist es vor allem Deutschland und hier inbesondere Kanzlerin Merkel, die Xi Jinping schont und auf Kooperation setzt.

Merkel war es auch, die den China-Gipfel zum Höhepunkt des deutschen EU-Vorsitzes machen wollte. Die Kritiker sollten sich daher an der Kanzlerin abarbeiten, statt “die EU” zu kritisieren. Dass EUropa bei China nicht mit einer Stimme spricht, liegt nicht nur an Griechenland, sondern auch an Deutschland.

Zudem stellt sich die Frage, was die EU mit mehr Härte erreichen könnte. Die Coronakrise hat schonungslos offengelegt, wie abhängig Europa von Medizingütern und Arzneimitteln made in China ist. Diese Abhängigkeit ist selbst verschuldet und muß so schnell wie möglich behoben werden.

Aber nun China zu schlagen, wird die Lage sicher nicht besser machen. Das gilt auch für andere Wirtschaftssektoren. Dass sich die deutsche Wirtschaft relativ schnell erholt, liegt nicht zuletzt an der starken Präsenz auf dem chinesischen Markt. Will man das nun durch Maximalforderungen gefährden?

Grundsätzlich stellt sich die Frage, welches Ziel die europäische China-Politik anstrebt. Will man sich China als “strategischen Partner” erhalten, um ein Gegengewicht zu den USA zu bilden und den Multilateralismus zu retten? Oder geht es um “Decoupling” und Kalten Krieg, wie unter US-Präsident Trump?

Siehe auch “Türkei, China: Wie souverän ist der deutsche EU-Vorsitz?