Ist die EU auf den Brexit vorbereitet? It depends…

Diesmal gilt’s: Nach dem Wahlsieg von Boris Johnson stellt sich Brüssel auf den Brexit zum 31. Januar ein. Doch ist die EU wirklich auf den Austritt des zweitgrößten Mitgliedslands vorbereitet? It depends.

Offiziell ist nun alles klar: „Wir sind bereit“, sagte Ratspräsident Charles Michel. Die EU habe ihre Prioritäten für die Gespräche über die künftigen Beziehungen bereits festgelegt. Er hoffe auf „loyale, gute Verhandlungen“ mit London.

Der Verhandlungsführer steht schon fest: Brexit-Unterhändler Michel Barnier wird auch die künftigen Beziehungen mit UK aushandeln. Beim EU-Gipfel dürften die Staats- und Regierungschefs auch ein paar Leitplanken einziehen.

Doch das ist nur die formelle Seite der Vorbereitung. Inhaltlich liegen die 27 Rest-Staaten weit auseinander. Den einen sind ihre Banken und ihre Autoexporte wichtig, den anderen ihr Bauern und Fischgründe.

Manche wollen UK weiter so behandeln, als sei es noch Member of the Club. Andere wollen die Briten auf Distanz halten – und den Club umkrempeln. Die bisher zur Schau gestellte Einheit ist in Gefahr, warnen Experten.

Ein weiteres Problem ist die Zeit. Bisher gilt eine Übergangsfrist beim Brexit bis zum 31. Dezember 2020. Doch das ist nach Meinung der meisten Fachleute viel zu kurz, um ein neues Freihandelsabkommen auszuhandeln.

Johnson könnte eine Verlängerung beantragen. Doch das müsste er bis Juli tun – und er hat schon angekündigt, dass er sein Ding jetzt durchziehen will. Damit setzt er sich und die EU-27 unter Zeitdruck.

Wenn es keine Verlängerung gibt und auch keine schnelle Einigung auf einen Post-Brexit-Deal, dann droht ab 2021 Chaos beim Handel. Es wäre ein „harter Brexit“ just in dem Bereich, der den EUropäern am wichtigsten ist.

Johnson könnte das nutzen, um die Steuern zu senken, neue Zölle zu erheben und Lohn- und Sozial-Dumping zu betreiben. Seine heimliche Vision eines „Singapur on Thames“ könnte Wirklichkeit werden.

Dies würde die EUropäer vor eine neue Zerreißprobe stellen. Zudem US-Präsident Donald Trump schon angekündigt hat, in die Bresche zu springen. Und darauf ist die EU definitiv nicht vorbereitet…