Ist das Von der Leyens erster grüner Kommissar?
In ihrer Bewerbungsrede hat die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen “Green Deal” versprochen. Nun wurde ein Grüner zum Kommissar nominiert – allerdings hat er ein spezielles Profil.
Es geht um Virginijus Sinkevicius, den Wirtschaftsminister Litauens. Der 28-jährige Politiker des regierenden Bundes der Bauern und Grünen wurde offiziell als Kandidat für die Von-der-Leyen-Kommission nominiert.
Sinkevicius hatte bereits am Dienstag ein Kennenlerngespräch mit der künftigen Präsidentin der Europäischen Kommission geführt. Zu Inhalten äußerte er sich nicht. Offenbar strebt er in Brüssel ein wichtiges Wirtschaftsressort an.
Ob das bedeutet, dass er auch für den “Green Deal” zuständig wird, bleibt abzuwarten. Bisher hat sich Litauen in der Umweltpolitik nicht besonders hervorgetan. Politisch steht der Grüne eher rechts; er verehrt sogar Donald Trump.
Unklar ist auch, inwieweit die Nominierung Teil der Charmeoffensive ist, mit der von der Leyen die Grünen umgarnt. Sinkevicius’ Partei sei nicht Mitglied der “European Green Party”, heißt es bei “Politico”.
Die europäischen Grünen hatten bei der Wahl Von der Leyens gegen die CDU-Politikerin gestimmt. Danach hat es jedoch von beiden Seiten deutliche Signale der Entspannung und Annäherung gegeben.
Ratspräsident Donald Tusk hat die künftige Kommissionschefin sogar aufgefordert, die Grünen personell in die neue EU-Führung einzubinden. Das könnte über eine/n grüne/n Kommissar/in erfolgen, aber auch anderweitig.
So könnten grüne Politiker herausgehobene Posten in der neuen Kommission erhalten (z.B. in einem Kabinett) – oder sogar die Leitung der Klimabank, die VdL schaffen will. Sinkevicius ist womöglich nur ein Testballon…
Siehe auch “Die Grünen und die Macht in Brüssel” und “Von der Leyen hat zu viel versprochen”
Peter Nemschak
8. August 2019 @ 10:00
So wie die EVP hat auch Grün viele Schattierungen im EU-Parlament. Das Gesetzesinitiativrecht der Kommission ist nur dann effektiv, wenn Einigung unter den Regierungschefs oder den nationalen Fachministern besteht. Dies ist angesichts der großen Mitgliederzahl und der innereuropäischen Spaltungen immer seltener der Fall. Immerhin haben es die Innenminister geschafft Verkehrsstrafen grenzüberschreitend erfolgreich einzutreiben. Was einheitliche Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Straßen und Autobahnen betrifft, waren sie mangels Eigeninteresse nicht erfolgreich.
Kleopatra
8. August 2019 @ 08:31
Da die Kommissare von den einzelstaatlichen Regierungen nominiert werden, kann man nicht auf EU-Ebene beschließen, welche Parteien in der Kommission wie stark vertreten sein sollen. Die einzige Möglichkeit, wie ein Grüner Kommissar wird, besteht darin, dass sie an einer einzelstaatlichen Regierung beteiligt sind (das einzige grüne Kommissionsmitglied bisher war m.W. eine Deutsche, als Deutschland noch zwei Kommissare benennen durfte und Rot-Grün regierte). Nun ist die grüne Fraktion zwar stark, allerdings besteht sie schon einmal zur Hälfte aus Deutschen und Franzosen; woraus geschlossen werden kann, wie schwach die Grünen woanders sind. Und der Staat, der am ehesten einen Grünen als Kommissionsmitglied nominieren könnte, wäre dementsprechend Deutschland, das aber nicht zum Zuge kommt, weil ja schon UvdL Kommissionspräsidentin wird.
Man sollte vielleicht offener über die Frage reden, ob man die Kommission als eine EU-Regierung sieht oder als eine Art Bundesrat mit Staatenvertretern. Ihre wichtige Rolle in der Rechtssetzung (Monopol der Gesetzesinitiative!) spricht für Letzteres. In dem Fall müsste man aber akzeptieren, dass der Kommissionspräsident nur eine geringe Autorität über die Kommissare hat.
Holly01
8. August 2019 @ 10:10
” Man sollte vielleicht offener über die Frage reden, ob man die Kommission als eine EU-Regierung sieht oder als eine Art Bundesrat mit Staatenvertretern. Ihre wichtige Rolle in der Rechtssetzung (Monopol der Gesetzesinitiative!) spricht für Letzteres. In dem Fall müsste man aber akzeptieren, dass der Kommissionspräsident nur eine geringe Autorität über die Kommissare hat. ”
Das scheint doch gerade der Inhalt zu sein, den man zementiert.
Die Regierungen bestimmen den Kommisionsvorsitz und bestücken dann die Komissare (einvernehmlich), die in den Funktionen das vorschlagen, was vom Rat (also den Einzelstaaten koordiniert) gewünscht wird.
DAS ist quasi die Reaktion auf den Brexit. Die weitere Integration wird gestoppt und der Möglichkeiten der Einzelstaaten den EU Apparat zu steuern steigen eindeutig.
vlg
Peter Nemschak
8. August 2019 @ 13:56
Dazu bedurfte es nicht des BREXIT. Das war auch vorher nicht anders.