Ist das “deutsche EUropa” noch reformierbar?
Was ist eigentlich aus dem “Aufbruch für Europa” geworden, den Kanzlerin Merkel und ihre GroKo versprochen haben? In unserer Sommerserie zeichnen wir den langsamen, aber sicheren Abschied vom Reformversprechen nach. TEIL 7: Es geht nicht nur um Macron (Repost vom 07.05.18).
Am 7. Mai 2017 gewann E. Macron den zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahl. Ein Jahr später steht der französische Staatsschef unter Druck. Am Wochenende gingen in Paris rund 40.000 Gegner auf die Straße. Auch in Europa läuft es nicht rund.
Denn Kanzlerin Merkel und ihre GroKo lassen Macron hängen. Während sich der liberale Franzose ganz auf Deutschland verlässt, zögert Merkel den versprochenen “Aufbruch für Europa” immer weiter hinaus.
Nach Medienberichten wollen CDU und CSU Anfang dieser Woche sogar beschließen, dass es keinen EU-Finanzminister geben darf – und damit einen zentralen Reformvorschlag aus Paris abschmettern.
Wenn es so weiter geht, wird Macron europapolitisch scheitern. Von seiner “Neugründung” der EU wird dann nur noch die Aufrüstung und der Aufbau einer Nato-abhängigen “Verteidigungsunion” bleiben.
Na und, werden viel sagen, was geht uns Macron an? Er muss selber sehen, wo und wie er Mitstreiter für seine Pläne bekommt. Doch es geht nicht nur um Macron. Es geht auch um Merkel – und ihr ewiges “Nein”.
Vor Macron hat sich schon Amtsvorgänger Hollande um eine Reform der Eurozone bemüht – er ist an Merkel gescheitert. Hollande wollte den Fiskalpakt kippen und mit Südeuropa eine andere EU-Politik durchsetzen – passé.
Auch Ex-SPD-Chef Schulz, der zwischen Hollande, Macron und Merkel vermitteln wollte, konnte sich nicht durchsetzen. Erst scheiterte er in der Bundestagswahl, nun verkommt sein “Aufbruch für Europa” zu Makulatur.
Die Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen. In Italien haben es Monti, Letta und Renzi versucht, das “deutsche Europa” zu reformieren – alle haben sich eine blutige Nase geholt, jetzt geben Populisten in Rom den Ton an.
In Griechenland ließ die Kanzlerin erst den konservativen Samaras, dann den Linken Tsipras auflaufen. Seitdem steckt Griechenland noch tiefer im Schuldenturm, und die europäische Linke ist kopf- und ratlos.
Und dann gab es natürlich noch D. Cameron, der lange als engster Verbündeter der Kanzlerin galt. Auch er wollte die EU reformieren, auch er wurde abgewiesen. Die Folgen sind bekannt; der Brexit hinterlässt eine tiefe Wunde.
Fazit: Es geht längst nicht mehr “nur” um Macron. Es geht um die Frage, ob das “deutsche Europa” überhaupt noch reformierbar ist. Wenn die Antwort Nein lautet und auch Macron scheitert, könnte es übel werden – auch für Deutschland…
Georg Soltau
9. August 2018 @ 13:00
hoppla, sorry sollte nicht doppelt sein.
Georg Soltau
9. August 2018 @ 11:59
….aber es gibt auch welche, die sind schlau, schlauer, am schlausten; die kennen alles, wissen alles und sehen schon jetzt wie alles ausgeht. Solche Leute brauchen wir in der heutigen Zeit dringend. Deshalb schlage ich vor : Peter for president
Peter Nemschak
9. August 2018 @ 21:36
Ich weiß weniger als Sie mir unterstellen. Nur rege ich mich über die Verderbtheit der Welt nicht auf und halte nichts vom social engineering mancher Kreise, die Welt in ihrem Sinn zu “verbessern”. Dazu ist die Welt viel zu komplex. Was sich bewährt, wird sich auf Dauer durchsetzen. Der Rest wird untergehen.
Georg Soltau
10. August 2018 @ 13:28
Was sich bewährt wird sich durchsetzen… die Frage ist nur für wen es sich dann rentiert. Solange keine Wege gefunden werden die allen, oder besser gesagt möglichst vielen Menschen nützen, werden die für die es sich bewährt hat zusammen mit dem “Rest” untergehen
Georg Soltau
9. August 2018 @ 11:51
… aber einen haben wir der ist schlau, schlauer und am schlausten, der weis alles, kennt alles und sieht schon jetzt wie alles abläuft. Solche Leute brauchen wir doch, deshalb schlage ich vor : Peter for president !
Manfred Waltermann
9. August 2018 @ 09:29
Unrealistische Illusionen
haben seit Jahrzehnten den Ist-Zustand der EU herbeigeführt:
Ohne z.B. eine gemeinsame Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik wird bei der Unterschiedlichkeit der Staaten – die ja mal mit sechs angefangen hatten, Europa/EU zu schaffen – und der unsanktionierten Missachtung der verschiedensten Verträge ein „Weiter so“ nu zu weiteren Dissonanzen führen.
Weder das Grundgesetz in der jetzigen Form gestattet die Abgabe von Rechten (Finanzpolitik, Haftung etc.) an eine EU, die in ihrer parlamentarischen Zusammensetzung alles andere als demokratich ist, noch der unterschiedliche „Zustand“ der Einzelstaaten, der bei der geduldeten Undiszipliniertheit das Scheitern bereits einschließt.
DIESE EU ist zum Scheitern verurteilt und kann nicht das Ziel sein!
Aber das Eingestehen des Scheiterns ist bei den Regierenden wohl keine Option ! –
Dann wursteln wir eben weiter ! –
Schade, die Idee ist und war gut, aber die Akteure haben´s vergeigt!
Peter Nemschak
9. August 2018 @ 10:16
Besser als ohne EU. Ein Bund souveräner Staaten von 28 sehr heterogenen Mitgliedern kann nur über das Subsidiaritätsprinzip funktionieren. Und es funktioniert, wenn auch nicht perfekt. Viele Regeln sind heute, ohne dass es den Bürgern bewusst ist, von der EU vorgegeben – und die Wenigsten stört es. Klimapolitik kann kein Einzelstaat vernünftigerweise alleine machen, ebenso wenig ist jeder Mitgliedsstaat groß und stark genug, alleine auf Augenhöhe Russland, USA und China zu begegnen. Wir erleben derzeit einen Pendelrückschlag von Globalisierung auf Nationalisierung. Die längste Zeit war die Globalisierung kein Thema in der Öffentlichkeit. Heute fürchte sich viele und wünschen den heimeligen Herd der „Volksgemeinschaft“ (welcher? – sie ist zeitlich kontextabhängig und ständig im Wandel begriffen), die es außer als Utopie nie gegeben hat, herbei. Es zeigt, wie wenig souverän viele Menschen sind. Dass Verschwörungstheorien, unabhängig vom technologischen Stand einer Gesellschaft immer wieder geglaubt werden, war bereits vor 50 Jahren Wissensstand der Sozialpsychologie. Das Ungeheuer von Lochness (heuer schon gesichtet worden ???) sollte eifersüchtig auf Angstmacher und Leuteschrecks wie Bannon sein. Die Philosophen der Aufklärung würden sich im Grab umdrehen, könnten sie die heutige Gesellschaft beobachten: dumm, dümmer, noch dümmer geht kaum mehr.
Manfred Waltermann
9. August 2018 @ 12:12
Ich habe nichts
gegen Globalisierung oder für Nationalisierung gesagt, sondern ledglich festgestellt, wie der Zustand heute ist.
“Vergeigt” haben das, was die Bürger leider ausbaden müssen, allerdings sehr wohl die Regierenden wegen ihrer unterschiedlichsten Interessenlagen, die wohl endscheidend beeinflusst wurden – und noch werden – , von sehr einflussreichen Kreisen im Hintergrund, die ihre Gewinne daraus generieren. – “Im Interesse der Bürger” ist oft die Parole, die bei allzu vielen Gläubigen immer noch verfängt.
Peter Nemschak
9. August 2018 @ 08:09
@Kleopatra Die derzeitige Konstruktion des Euro führt dazu, dass nicht de jure, aber mangels entsprechender Anreize de facto die Mitgliedstaaten füreinander haften. Daher gehört das Eurosystem reformiert. Ein System, bei dem der anonyme Markt die fiskalische Disziplinierung ausübt, ist für die Staaten akzeptabler als ein politisch zustande gekommener Fiskalpakt.
Kleopatra
8. August 2018 @ 13:15
„Vor Macron hat sich schon Amtsvorgänger Hollande um eine Reform der Eurozone bemüht – er ist an Merkel gescheitert. Hollande wollte den Fiskalpakt kippen “
Als Hollande Präsident wurde, war der Fiskalpakt noch nicht ratifiziert (jedenfalls von Frankreich nicht). Hollande hätte sich eben trauen müssen, dem französischen PArlament die Nichtratifikation zu empfehlen. Da die Gegnerschaft zum Fiskalpakt in der vorgeschlagenen Form ein Punkt seines Wahlprogramms gewesen war, hätte er sich dafür ohne Probleme auf die Legimität durch die gewonnene Wahl berufen können. Leider hat er gekniffen.
Peter Nemschak
8. August 2018 @ 14:17
Was haben Sie gegen den Fiskalpakt? Welche alternative Möglichkeit haben Sie sonst bei gegebener Architektur des Euro Budgetdisziplin zu erreichen? Wichtig wäre eine Reform dergestalt, dass die Mitgliedsländer der Eurozone nicht mehr de facto füreinander haften und sich am Kapitalmarkt eine disziplinierende Zinsstruktur einstellen kann, welche der Verschuldungsfreude mancher Staaten natürliche Grenzen setzt.
Kleopatra
8. August 2018 @ 22:47
1) Das Prinzip, dass die Mitgliedsländer der Eurozone nicht füreinander haften, steht so seit langem in den Verträgen. Wenn man sich nicht danach verhält, und wenn die potentiellen Zahler nicht einfach darauf bestehen, demonstriert man ja, dass Vertragsbestimmungen solcher Art nicht ernst zu nehmen sind. Warum sollte dann aber jemand den nächsten Vertrag ernst nehmen? Da es über die Frage, ob eine brutale Sparpolitik, wie sie Griechenland aufgenötigt wurde, sinnvoll ist, sehr gegensätzliche Meinungen gibt, halte ich es für unvernünftig, sich auf verfassungsrechtlicher Ebene zu einer bestimmten Politik zu vepflichten, wie es aber der Fiskalpakt fordert.
2) Die Frage, ob der Fiskalpakt sinnvoll ist, wird unterschiedlich beantwortet, und letztlich ist es eine politische Frage. Wenn Holland ihn in seinem Wahlprogramm zunächst nur mit substantiellen Änderungen akzeptieren wollte, später ihn aber geradezu durch die Nationalversammlung geprügelt hat, obwohl er nur ein bisschen Kosmetik herausverhandeln konnte, hat er die schlimmste Variante gewählt. Er hat demonstriert, dass er als französischer Präsident nicht die […] hat, gegenüber der deutschen Kanzlerin auf dem Willen seiner Wähler zu bestehen. Eine sicherere Methode, um den gegenseitigen Hass zwischen den Völkern der EU zu fördern, kann ich mir nicht denken.