Corona-Präsidentschaft: In the Middle of Nowhere

Wo steht der deutsche EU-Vorsitz zur Halbzeit, also nach den ersten drei von sechs Monaten? In the Middle of Nowhere – noch wurde kein Ziel erreicht.

Eine Corona-Präsidentschaft sollte es werden, eine Zeit des Wiederaufbaus, der Solidarität und Souveränität. So haben es Kanzlerin Merkel und Außenminister Maas im Juni erklärt. „Europa wieder stark machen“ wollten sie.

Einen feierlichen Höhepunkt hatte Merkel auch schon festgelegt: Mit einem China-Gipfel in Leipzig wollte Deutschland seinen Griff nach der Weltgeltung unterstreichen.

Und ein banges Versprechen gab es auch: Wenn irgend möglich, wolle man den Brexit und die Verhandlungen über einen Freihandelsvertrag geordnet über die Bühne bringen.

Drei Monate später ist von all dem nichts geblieben. Der Post-Brexit-Deal steht auf der Kippe, Merkel muß sich persönlich um die Abwendung des drohenden „No Deals“ kümmern.

Der China-Gipfel wurde abgesagt, die Verhandlungen über ein Investitionsabkommen stocken. Es soll zwar einen Ersatz-Gipfel in Berlin geben – aber ohne die Chinesen und ohne Deal.

Geschafft hat Merkel bisher eigentlich nur eins: die „historische“ Einigung auf ein neues EU-Budget, das zusammen mit dem Corona-Aufbaufonds die stolze Summe von 1,8 Billionen Euro umfasst.

So viel Geld hat die EU noch nie ausgegeben. Allerdings steigen auch die EU-Schulden in noch nie erreichte Höhe. Und die Rückzahlung ist ebenso wenig gesichert wie die Auszahlung der EU-Hilfen.

Denn das Europaparlament verweigert seine Unterschrift. Es fordert mehr Geld für Gesundheit, Forschung und Kultur – und einen Rechtsstaats-Mechanismus mit Zähnen. Doch die hat Merkel gezogen.

Die Kanzlerin hat, mit kräftiger Mithilfe durch Frankreichs Staatschef Macron, die Fundamente einer neuen Union gelegt („Next Generation EU“). Doch bisher scheint sie auf Sand gebaut.

Und was hat Herr Maas vorzuweisen? Belarus-Sanktionen, die noch hinter den Strafmaßnahmen von 2011 zurückbleiben. Da hatte die EU nämlich auch Diktator Lukaschenko auf der Liste.

Ansonsten sind die transatlantischen Beziehungen auf dem Nullpunkt angekommen, und die Beziehungen zu Russland frostig wie nie zuvor seit dem Ende des Kalten Kriegs. Nur die Türkei frohlockt.

Gewiß, noch ist nicht aller Tage Abend, noch ist einiges in der Pipeline. Doch bisher hat der deutsche Vorsitz keinen Erfolg eingefahren und keine Gefahr gebannt.

Wir stecken „in the middle of nowhere“ und müssen beten, dass die Coronakrise die EU nicht erneut dahinrafft. Denn da, beim Schutz vor der Pandemie, hat Berlin bisher noch gar nichts erreicht.

Immerhin sind wir Europameister bei den Reisewarnungen, demnächst auch innerhalb Deutschlands…

Siehe auch „Die unglaubliche deutsche Wette auf Europa“. Mehr zum deutschen EU-Vorsitz hier. Eine vorläufige Bilanz von „Next Generation EU“ samt Ausblick findet sich auch in meinem neuen E-Book

Erweiterte Neuauflage

Todesstoß oder heilsamer Schock?

Unser E-Book zur Coronakrise