Ein “hybrider Krieg” mit Belarus deformiert die EU
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die Krise zwischen Belarus und Polen verändert die EU, das Europaparlament will Facebook regulieren – und Brüssel verliert die Führungsrolle beim Klimaschutz.
Am Ende gab es doch noch eine Erfolgsmeldung. Man komme “an allen Fronten” voran, erklärte EU-Kommissionsvize Schinas, der zu einer Feuerwehrmission im Nahen Osten unterwegs ist.
Der Grieche, der für den “European Way of life” zuständig ist, soll erreichen, dass keine Flüchtlinge mehr nach Belarus fliegen können, wo sie vom Regime Lukaschenko nach Polen und damit in die EU gedrängt werden.
Und tatsächlich: Die Türkei verbot am Freitag den Bürgern aus dem Jemen, Syrien und dem Irak die begehrten Flüge. Bisher war Istanbul das wichtigste Drehkreuz für den neuen, staatlich organisierten Menschenschmuggel.
Doch die humanitäre und politische Krise an der Grenze zwischen Belarus und Polen ist damit nicht beendet. Beide Seiten haben nun auch noch die Militärs mobilisiert, die Nato ist alarmiert, von Entspannung kann keine Rede sein.
#BelarusBorder Wenn man mit dieser Rhetorik von #HybridWar “hybridem Krieg” beginnt, dann definiert man Menschen in Waffen um. Dann sind es keine #Migranten oder #Flüchtlinge mehr. Sondern Waffen. Ist das nicht eine Form der Entmenschlichung?
— Isabel Schayani (@isabelschayani) November 14, 2021
Die EU wähnt sich im “hybriden Krieg” – und benimmt sich auch so. Wenn nicht alles täuscht, ist auch das Tabu des Mauerbaus mit EU-Mitteln gefallen. Brüssel denkt über einen “antimigrantischen Schutzwall” nach.
Man nennt es “Solidarität mit Polen” – und baut die “Festung Europa” aus. Im Europaparlament wird neuerdings sogar die Forderung laut, Belarus von internationalen Geldflüssen abzuschneiden.
Der Konflikt könnte sich damit ausweiten und den Charakter der EU verändern. Die neue “Sprache der Macht” passt schlecht zum Friedensnobelpreis für die EU, die sich in längst vergangenen, besseren Zeiten mit einem “Ring von Freunden” umgeben wollte…
Nicht ganz so radikal, aber ebenfalls hart geht es im Kampf gegen Facebook zu. Das ehemals soziale Netzwerk sei zur Bedrohung für die Demokratie geworden, sagte die Whistleblowerin Frances Haugen im Europaparlament.
Die Abgeordneten wollen nun alle Register ziehen, um Facebook an die Leine zu legen. Uploadfilter, Leistungsschutzrecht und eine Abkehr vom Haftungsprivileg stehen ebenso auf der Liste wie das Verbot personalisierter Anzeigen.
Damit könnten die Parlamentarier das Internet mit einem „dystopischen Regelwerk“ überziehen, warnt die Internet-Expertin Julia Reda. Auf den naheliegenden Gedanken, Facebook zu zerschlagen, ist man in Brüssel dagegen nicht gekommen.
Last but not least tagte diese Woche noch die Klimakonferenz COP26 in Glasgow. Dort gaben die USA und China den Ton an – sie haben sich auf eine enge Zusammenarbeit beim Klimaschutz geeinigt.
Die EU spielte keine sichtbare Rolle. Wenn sie nicht noch in letzter Minute aufwacht, droht sie ihre viel beschworene Führungsrolle zu verlieren...
Mehr Chroniken hier. Und hier noch die drei besten Blogposts der vergangenen Woche:

Ukraine, Aufrüstung, Migration: Risse in der EU werden tiefer
Nach außen präsentiert sich die EU einig. Doch in Wahrheit werden die Risse immer tiefer – und das nicht nur bei der Ukraine.

Diese “offiziöse” Verschwörungs-Theorie soll Aufrüstung begründen
Die EU kämpft gegen Desinformation und Verschwörungstheorien. Doch jetzt ist sie selbst einer Verschwörungs-Erzählung aufgesessen – damit wird sogar die massive Aufrüstung begründet. Auf Fakten stützt sich diese Politik indes nicht, sondern auf Spekulationen und Angst.

Einstieg in Friedensprozess – doch EU sieht sich mehr denn je bedroht
In ihrem zweiten Telefongespräch haben US-Präsident Trump und Kremlchef Putin die kurzfristigen Erwartungen der Ukraine enttäuscht, dafür aber neue längerfristige Perspektiven eröffnet.
Josef Berchtold
14. November 2021 @ 09:50
Die EU in ihrer Gesamtheit sollte neue Wege gehen. Ein neuer Staat, eigens für Flüchtlinge, wäre eine Option. Es gibt in Afrika, z.B. in Mauretanien, eine Dornensteppe – diese ist fast menschenleer, aber es gibt dort fossiles Wasser, das nur angebohrt werden müsste. Dort könnte man ein Gebiet von der Größe des Saarlandes pachten und Flüchtlinge unterbringen, bis zur Rückkehr in ihr Geburtsland.
ebo
14. November 2021 @ 11:10
Das erscheint mir aber sehr zynisch.
Übrigens gibt es schon einen Staat für Flüchtlinge aus Europa – er heißt USA. Ist aber keine Dornensteppe mehr…
Josef Berchtold
16. November 2021 @ 23:39
Wo ist der Rest meines Textes?
ebo
17. November 2021 @ 08:29
Gelöscht. Wir behalten uns das Recht vor, Kommentare zu kürzen oder zu löschen, wenn sie am Thema vorbei gehen.
Josef Berchtold
13. November 2021 @ 23:46
Was gibt es denn mit Taliban zu verhandeln? Es ist schon genug Geld geflossen. Ende aus.
Armin Christ
13. November 2021 @ 08:27
Wir brauchen Diplomatie gegenüber Lukaschenko und Mitgefühl mit den Flüchtlingen. Kriegsgeschrei ala EU und Maas sind kontraproduktiv. Daß Maas sich auch mit Diktatoren zusammensetzen kann hat er ja bei seiner Kumpanei mit Guaido und Bolsonaro eindringlich bewiesen.
ebo
13. November 2021 @ 09:38
Ach, Maas. Gerade verhandelt er wieder mit den Taliban. Auch da geht es um Flüchtlinge und Geld, was sonst?