Hungern statt handeln

Er gibt sich plötzlich kompromissbereit – weil es ums Geld geht?

Die EU-Kommission hält Finanzhilfen an das von der Pleite bedrohte Ungarn zurück – wegen Bedenken gegen das neue Zentralbankgesetz. Nach Brüsseler Lesart gefährdet es die Unabhängigkeit der ungarischen Notenbank, und die ist ja bekanntlich heilig. Eingriffe in die Unabhängigkeit der Medien und andere Grundfreiheiten werden von der EU jedoch bisher nicht geahndet – obwohl das Europaparlament dies vehement fordert. 

Ungarn braucht dringend Geld, um seine überbordenden Staatsschulden zu finanzieren. Sie liegen mit 140 Prozent der Wirtschaftsleistung ähnlich hoch wie in den Euro-Krisenländern Griechenland oder Italien. Doch Ungarn ist nicht Mitglied des Euroclubs und ist deshalb besonders verletzlich, wie die europäische Presse betont. Gerade erst stufte die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit auf Ramschniveau herab. Die nationale Währung Forint verlor seit dem Sommer ein Fünftel ihres Wertes und selbst kurzfristig kann sich das Land auf dem Geldmarkt nur für Zinsen von fast zehn Prozent neues Kapital leihen – selbst Italien kommt günstiger an frisches Geld. 

Die rechtsnationale Regierung hatte bereits im November den IWF und die EU um Beistand gebeten. Doch wegen der autoritären Wende in Budapest halten Washington und Brüssel ihre Hilfe zurück. Für Stirnrunzeln in Brüssel sorgt vor allem, dass Orban die bisher unabhängige ungarische Notenbank ans Gängelband nehmen will. Die EU-Kommission prüft aber auch mehrere Verfassungsänderungen, die weite Teile des Staatsapparates unter Regierungskontrolle stellen und demokratische Rechte und Freiheiten einschränken.

„Erst wenn die Unabhängigkeit der Notenbank gewährleistet ist, werden wir die Gespräche wieder aufnehmen“, heißt es in der Brüsseler Behörde. Urprünglich wollte die EU-Kommission bereits heute entscheiden, ob ihre Forderungen umgesetzt wurden, oder es Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn setzt.

Doch entweder scheut die Kommission wieder einmal vor Sanktionen zurück – wie so oft, wenn es um die Grundwerte geht (man erinnere sich nur an die unselige CIA-Flugaffäre). Man habe einfach keine rechtliche Handhabe, heißt es meist zur Begründung (mehr dazu hier). Oder sie möchte erst einmal prüfen, was von der überraschenden Kehrtwende in Budapest zu halten ist. Regierungschef Orban hatte nach einer Krisensitzung in Budapest erklärt, er wolle sich mit EU und IWF so schnell wie möglich einigen und sei auch zu Kompromissen bereit.

Erhebliche Zweifel haben daran die Grünen und die Sozialdemokraten im Europaparlament. Sie forderten die EU-Kommission auf, ein so genanntes Artikel-7-Verfahren einzuleiten, um zu prüfen, ob Ungarn EU-Grundwerte verletzt. Außerdem solle die Europäische Volkspartei, der auch die CDU angehört, die ungarische FIDESZ-Partei suspendieren.

“Man kann nun sagen, dass die EU einen nichtdemokratischen Staat zum Mitglied hat”, ätzen die Sozialdemokraten. Doch Brüssel hungert Budapest offenbar lieber aus, statt endlich zu handeln – oder eine rechtliche Handhabe zu schaffen, wie dies in anderen Fällen immer wieder geschieht (man denke nur an die Eurokrise). 

Vielleicht sollten die Europaabgeordneten einmal Kanzlerin Merkel anrufen, damit endlich etwas passiert?

 

 

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