Hollandes Durchmarsch (ou presque)

Er hat die Argumente, sie hat das Geld

Frankreichs Präsident F. Hollande ist der neue starke Mann Europas. Nach der Parlamentswahl, bei der seine Sozialisten die absolute Mehrheit gewonnen haben, verfügt er über mehr Macht als sein großes Idol Mitterrand. Dennoch ist unklar, ob Hollande der EU und der strauchelnden Euro-Währungsunion neue Impulse geben kann. Seine Ideen sind in Brüssel weitgehend Konsens, doch Kanzlerin Merkel mauert.

Nun ist es also so weit. Der Mann, den Merkel während des Wahlkampfs partout nicht im Kanzleramt empfangen wollte, sitzt fest im Sessel. Hollande gebietet nicht nur über den Elysée-Palast und die Force de Frappe. Seine sozialistischen – in Wahrheit gemäßigt sozialdemokratischen – Truppen dominieren auch die Assemblée Nationale, den Senat und die meisten Regionen. Merkels “cher ami” Sarkozy ist in der Versenkung verschwunden, sein Wahlverein UMP liegt am Boden.

Hollande kann es sich nicht nur leisten, seine Partner in der Welt auszusuchen: US-Präsident Obama empfing ihn in Camp David vor Merkel, Italiens Monti gab ihm letzte Woche ebenfalls den Vorzug, EU-Ratspräsident Van Rompuy ruft ihn ständig an. Er wagte sogar den Affront, die oppositionelle SPD-Troika, den Lesern dieses Blogs als die drei ??? bekannt, in den Elysée zu laden, wo sonst nur Staatschefs empfangen werden. Offenbar denkt er schon an die Zeit nach Merkel, mutmaßen “Les Echos”.

Doch die Kanzlerin tut so, als ginge sie das nichts an. Sie stichelt mal gegen das “Mittelmaß” in Europa, womit sie offenbar Frankreich meint, mal lässt sie Finanzminister Schäuble die teilweise Wiedereinführung der Rente mit 60 kritisieren – eine der ersten umstrittenen Entscheidungen Hollandes. Doch sonst: Schweigen. Oder totschweigen. Hollandes Vorschläge für den EU-Gipfel in zehn Tagen werden in Berlin so behandelt, als gäbe es sie gar nicht, bzw. als seien sie nicht der Rede wert.

Dabei haben es die Vorschläge in sich. 120 Mrd. Euro will Hollande in seinen “Pakt für das Wachstum” investieren, der Merkels Fiskalpakt ergänzen soll. Das Geld soll vor allem aus ungenutzten EU-Fonds kommen. Er fordert eine Bankenunion, eine Bankenlizenz für den Euro-Rettungsschirm sowie Projektbonds, mit denen neue Infrastrukturprojekte finanziert werden sollen. Außerdem tritt er für Eurobills, als kurzlaufende Gemeinschaftsanleihen ein – wohl wissend, dass Merkel ausgewachsene Eurobonds ablehnt.

In Brüssel sind die französischen Ideen weitgehend Konsens. Während Merkel schweigt, hat Hollande erfolgreich für seine Vorschläge geworben. Fast ist ein Durchmarsch gelungen. Allerdings halten ihm manche vor, dass seine Vorstellungen für eine Politische Union zu vage bleiben. Hollande wolle Deutschland zur Kasse bitten, aber keine nationale Souveränität abgeben, lautet der gängige Vorwurf (nachzulesen z.B. hier). Allerdings lässt sich auch das Gegenteil behaupten: Merkel fordert von Frankreich Souveränitätsverlust, will aber nichts dafür tun, schon gar nicht mehr zahlen.  

Wer setzt sich durch? Hollande, der aus Brüsseler Sicht die besseren Argumente hat, aber nicht das Geld? Oder Merkel, die auf dem Geld sitzt und schmollt? – Kleiner Tipp: was regiert nochmal die Welt? Und wo hört in Deutschland die Freundschaft auf? Eben!


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