Hollande und wie er die Welt sah (III): Juncker, der Machtlose

Seine Amtszeit sei die “letzte Chance”, die EU zu retten, hat Kommissionschef Juncker bei seiner Wahl 2014 gesagt. Doch seine “Kommission der letzten Chance” scheiterte schon ein Jahr später, in der Flüchtlingskrise. So erzählt es Frankreichs Ex-Präsident Hollande.

In seinem Buch “Les lecons du pouvoir” (Stock) schildert Hollande, wie er Juncker und die Flüchtlingskrise erlebt hat. Es beginnt mit einem großen Lob:

Er (Juncker) ist bemerkenswert intelligent – und zwar so sehr, dass er es nicht nötig hat, dies durchscheinen zu lassen. Er beherrscht wie kein anderer die Kunst des Brüsseler Durchwurschtelns. Aber er hat auch das, was vielen anderen fehlt: Überzeugungen.

Von Kanzlerin Merkel lässt sich das nicht behaupten – und Hollande behauptet es auch nicht. Die CDU-Chefin war für den Ex-Präsidenten die Unverzichtbare, Unvermeidliche, aber keine Überzeugungstäterin.

In der Flüchtlingskrise verkehrten sich jedoch die Rollen – jedenfalls scheinbar. Merkel wagte den Alleingang, vorgeblich aus höheren, hehren Motiven. Juncker hingegen tauchte ab; er trat in die 2. Reihe zurück.

“Merkel sagte mir, dass sie ihre Grenzen öffnen würde”

Hollande schildert diese kritische Phase auf seine eigene Art. Bereits seit Monaten haben er die EU vor den Krise in Syrien, dem Chaos in Libyen und dem Erstarken des IS gewarnt, schreibt er in seinen Memoiren.

Merkel hat es nicht gehört. Dennoch habe er sich gemeinsam mit der Kanzlerin an Juncker gewandt, um dessen Plan für verbindliche Flüchtlingsquoten zu unterstützen, schreibt Hollande (p. 173).

Unmittelbar danach, diesen Eindruck vermittelt jedenfalls Hollandes Schilderung, sei er von Merkel vorgewarnt worden, dass sie die Grenzen öffnen wird (“Angela Merkel me prévient qu’elle va ouvrir ses frontières”).

Juncker stand hilflos am Spielfeldrand

Er habe daraufhin angeboten, jene Flüchtlinge aufzunehmen, die Asyl in Frankreich beantragen wollen. Doch das waren nicht viele. Auch eine “europäische Lösung”, wie sie Hollande wollte, kam nicht zustande.

Und damit wären wir wieder bei Juncker. Er hat zwar die Quoten vorgeschlagen, konnte sie jedoch nicht durchsetzen – und stand seither hilflos am Spielfeldrand. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

Denn die EU-Staaten machen einfach nicht mehr, was die EU-Kommission vorschlägt. Einige – wie Ungarn – weigern sich sogar, Beschlüsse umzusetzen. Dagegen ist Juncker machtlos. Denn die EU funktioniert nur, wenn alle mitziehen.

“Europa hat seine Ehre verloren”

“In der Flüchtlingskrise hat Europa seine Glaubwürdigkeit verloren, seinen Kredit und vor allem seine Ehre”, resümiert Hollande (p. 174). Das Fehlen von Regeln und die mangelnde Organisation hätten einen hohen Tribut gefordert.

Europa sei in der Flüchtlingskrise “seelenlos” und “hilflos” gewesen, so Hollandes Urteil. Das war nicht Junckers Schuld – doch es fällt bis heute auf ihn zurück. Auch seine Unterstützung für Merkel erweist sich als Problem.

Denn sie war bedingungslos. Nicht einmal die Aussetzung der Dublin-Regeln und den Flüchtlingsdeal mit Sultan Erdogan kritisierte Juncker. Damit vergab er seine “letzte Chance”, sich Autorität zu verschaffen…

Ende der Mini-Serie. Teil II (zu Merkel) steht hier