Hintergründe einer Neiddebatte

Mehrere Tausend EU-Beamte verdienen mehr als Kanzlerin Merkel. Das melden einige regierungsnahe deutsche Tageszeitungen in zum Teil groß aufgemachten Berichten. Wenige Tage vor dem Sondergipfel zum künftigen EU-Budget liefert Berlin damit Munition für eine neue Neiddebatte.

Wenn Sozis und Linke über Banker-Boni und hohe Managergehälter klagen, schallt es aus dem konservativen Lager sofort zurück: “Schon wieder diese typisch deutsche Neiddebatte”. Die Linken sollten sich doch gefälligst freuen, dass es noch Leistungsträger gibt.

Doch wenn es um EU-Beamte geht, dann ist alles anders. Spätestens seit dem letzten Budgetgipfel im Dezember sind die “Eurokraten” zum Abschuss freigegeben. Schon damals habe ich mich in diesem Blog über die Attacken mokiert (siehe “Bürokraten-Bashing”).

Nun ist es nicht etwa so, dass ich spezielle Sympathien für die EU-Beamten und ihre Privilegien hätte. In der Eurokrise gehören alle Einkommen und Extras auf den Prüfstand – diejenigen der Banker ebenso wie die der Brüsseler Bürokraten.

Auch das Salär der Kanzlerin darf und muss diskutiert werden. Da bin ich mit Herrn Steinbrück ausnahmsweise mal einer Meinung.

Was aber nicht geht, ist eine antieuropäische Kampagne zu führen, bei der mit verdeckten Karten gespielt wird. Und genau das scheint Merkel und ihre Bundesregierung derzeit zu tun. Sie schlägt nicht direkt auf die “Eurokraten” ein – nein, sie macht es hinten rum.

Den ersten Aufschlag machte Cameron – mit unbelegten Behauptungen

Beim besagten EU-Gipfel im November war es zunächst nur der britische Premier Cameron, der sich über die angeblich zu hohen Gehälter der EU-Beamten mokierte. Er habe sich sagen lassen, dass etliche mehr verdienen als er selbst, so sein Aufschlag.

So weit, so schlecht. Cameron arbeitete mit Anspielungen und unbelegten Behauptungen – für einen Regierungschef eigentlich ein “No-go”. Normalerweise wäre die Affäre damit beendet; vielleicht hätte die britische Presse noch ein wenig nachgetreten.

Doch dann nahm Merkel den Ball auf. Sie sagte zwar nicht: “Viele EU-Beamte verdienen mehr als ich.” Doch sie ließ den gesamten Gipfel wissen, dass sie Verständnis für Cameron habe und genau wie dieser Kürzungen bei der EU-Verwaltung wünsche.

Auch damit hätte die Sache erledigt sein können. Merkel hätte ihre Position ja beim kommenden Sondergipfel durchsetzen können, Arm in Arm mit Cameron, ihrem neuen Buddy (“Merkels neue Freunde”). Ein simples “No” zu den Brüsseler Wünschen hätte genügt.

Sage niemand, dass die Antwort aus Berlin ein Zufall ist

Stattdessen antwortet die Bundesregierung ausgerechnet jetzt, wenige Tage vor dem zweiten Gipfel, auf eine Anfrage des bekannten EU- und Euroskeptikers F. Schäffler, wie die FAZ berichtet. Und diese Antwort wird dann gleich an die Presse durchgereicht.

Sage niemand, dass das ein Zufall ist. Hier wird eine Neiddebatte bewusst aus Berlin geschürt, um den “Bürokraten” in Brüssel mal so richtig Mores zu lehren. Übrigens hat die EU-Kommission die Berliner Vorhaltungen heute zurückgewiesen.

“Kein einziger EU-Beamter verdient mehr als die Kanzlerin”, sagte ein Behördensprecher. Aber interessiert das noch irgend jemanden? Der gewünschte Effekt ist ja schon erzielt – jedenfalls in Berlin, der (un)heimlichen EU-Hauptstadt…

Siehe zu diesem Thema auch den lesenswerten Beitrag auf “kielspratineurope”: “The expensive Eurocrats – a myth returns”)