Hilfe für Plattform-Arbeiter, Werben für die Demokratie – und Leyens SMS-Affäre

Die Watchlist EUropa vom 10. Dezember 2021 –

Selbständig oder angestellt? Bisher hatten die Fahrer von Uber, die Lieferanten von Deliveroo und andere Plattform-Arbeiter keine Wahl: Sie waren scheinselbständig und weitgehend rechtlos, die Auftraggeber konnten die Bedingungen diktieren.

Die EU-Kommission will damit Schluß machen. Die Behörde legte einen Entwurf vor, der die Scheinselbständigkeit stoppen soll. Damit macht sie ein großes Faß auf: In Europa bieten nach EU-Schätzungen rund 28 Millionen Menschen ihre Arbeitskraft über digitale Plattformen an.

In der Coronakrise erlebten die Fahr- und Lieferdienste einen regelrechten Boom. Damit hätten sich die Probleme in diesem weitgehend unregulierten Sektor des digitalen Kapitalismus verschärft, meint EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit.

5,5 Millionen neue Angestellte?

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Der Luxemburger will nun bis zu 5,5 Millionen Plattform-Arbeiter zu Angestellten machen. Sie erhalten damit Anspruch auf den Mindestlohn, geregelte Arbeitszeiten und bezahlten Urlaub. Auch Arbeitslosenhilfe und Rente sollen an die neuen „Plattform-Angestellten“ gezahlt werden. Sie sollen sich sogar gewerkschaftlich organisieren dürfen.

Allerdings müssen einige Bedingungen eingehalten werden. Die EU-Kommission schlägt in ihrem Richtlinien-Entwurf fünf Kontrollkriterien vor. Wenn davon zwei erfüllt sind, soll ein Anspruch auf Anstellung entstehen.

Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Lieferdienste feste Arbeitszeiten vorgeben, eine Dienstuniform vorschreiben oder es ihren Mitarbeitern verwehren, auch noch für andere Firmen tätig zu sein.

„Nicht gegen das Geschäftsmodell“

Es stehe nicht im Belieben der Plattformen, sich die „passenden“ Kriterien auszusuchen, sagte Schmit bei der Vorstellung des Entwurfs. Es gehe um die effektive Kontrolle, die die Firmen über ihre Mitarbeiter ausüben.

Die EU-Kommission wolle für Ordnung sorgen, habe jedoch nicht die Absicht, das Geschäftsmodell der Lieferdienste zu zerstören, betonte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis.

Was denn nun? Offenbar stehen sich der Neoliberale Dombrovskis und der Sozialdemokrat Schmitt gegenseitig im Weg, das digitale und soziale EUropa liegen im Streit. Wie es ausgeht, wird sich erst nach den Verhandlungen mit Parlament und Rat zeigen…

Mehr zur Digitalpolitik und „Digital Europe“ hier

Watchlist

Was bringt der Demokratie-Gipfel von US-Präsident Biden? Das zweitägige virtuelle Treffen soll sich um die Verteidigung gegen Autoritarismus, die Bekämpfung der Korruption und Förderung der Achtung der Menschenrechte drehen. Kanzler Scholz hat schon teilgenommen – doch die Erwartungen sind nicht sehr hoch. Die EU geht nicht geschlossen in das Treffen, auch Deutschland ist nicht unbedingt ein Vorbild. – Mehr hier

Was fehlt

Leyens undurchsichtige SMS-Affäre. Die Kommissionschefin verhandelte im Frühjahr den Kauf von Impfstoffen direkt per Handy-Nachrichten mit dem Chef von Pfizer, berichtete die „New York Times“. Doch ob es die SMS gibt – und was drinsteht -, darauf verweigert die EU-Behörde konsequent eine Antwort, wie „Netzpolitik“ berichtet. Auch die Bürgerbeauftragte brachte kein Licht ins Dunkel. An irgendwas erinnert mich das…