Voilà Hartz V
Der Erfinder der Hartz-Reformen sorgt sich um Europa. In einem Interview mit dem französischen Magazin “Le Point” tritt er für ein neues EU-Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit ein. Das klingt gut – doch auch bei “Hartz V” stehen die Unternehmen im Mittelpunkt. Die Jugendlichen werden auf “big data” reduziert.
Es ist still geworden um P. Hartz. In Deutschland hat sich der Erfinder der Hartz-Reformen rar gemacht; jahrelang gab er kein Interview.
Doch nun bricht der Erfinder von Hartz IV sein Schweigen – und spricht zu den Franzosen. Im Gegensatz zu Ex-Kanzler Schröder lässt er dabei nicht den Oberlehrer raushängen.
Er wolle Präsident Hollande keine Lektionen erteilen, sagte Hartz dem konservativen “Point”. Jedes Land müsse sich selbst reformieren; Deutschland sei kein Export-Modell.
So weit, so gut. Doch dann, gegen Ende des Interviews, bricht es aus dem Ex-VW-Mann heraus. In drei Fragen und Antworten skizziert er ein Hartz V-Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa.
Die Grundidee erinnert an Merkel & Rösler: Die jugendlichen Arbeitslosen sollen Sprachkurse erhalten, damit sie Jobs in einem anderen EU-Land (vermutlich Deutschland) annehmen können.
Doch die “Europatriatres”, wie sie Hartz nennt, sollen nicht etwas selbst frei wählen. Vielmehr sollen die Unternehmen sich die benötigten Jugendlichen aussuchen – auf Grundlage einer gigantischen Datenbank, die “Big data” auswertet.
Finanziert werden soll das gigantische Programm durch neue “Bildungs-Zertifikate”, die die Banken ausgeben und die Staaten garantieren sollen. Nach einer Weile könnte sich daraus ein neuer Markt entwickeln, so Hartz.
Immerhin soll Hartz V nicht von Berlin, sondern von Brüssel aus gesteuert werden. Doch der neoliberale Ansatz bleibt derselbe. Ohne mehr Flexibilität für die Unternehmen etwa bei der Kurzarbeit werde es nicht gehen, betont Hartz.
Und was sagen die Franzosen dazu? Nichts. Mehr als die Bemerkung, dass der Vorschlag “ein wenig idealistisch” erscheine, fällt den Kollegen vom “Point” nicht ein.
Dass die EU auf Betreiben von Kanzlerin Merkel im Begriff ist, Hartz IV für alle Eurostaaten einzuführen, ist nicht einmal eine Frage wert – so sehr bewundern die Franzosen den deutschen “Propheten”…
Bob
1. August 2013 @ 16:29
Ich kann mich da an eine Reportage erinnern, in der ein Herr Hartz sehr betrübt war über die Reaktionen auf Hartz 4 und das er das alles gar nicht so gewollt habe. An dieser Fortsetzung erkennt man, dass er es wohl nicht sehr ernst im Film gemeint haben kann.
Ansonsten kann man es doch verstehen, dass ein konservatives Blatt nicht unbedingt abgeneigt gegenüber dieser Gesetzgebung ist. Weil diese Arbeitslosen ja alle selber Schuld sind, wenn die sich nur mal anstrengen würden, dann… Die massiv steigende Arbeitslosigkeit zur Zeit kommt ja davon, dass die alle keine Lust mehr auf arbeiten haben. Da braucht man schonmal irgendwas um Druck auszuüben. Also Sanktionen für Alle!!
@GS
Wann werden Sie endlich verstehen, dass selbst die Neanderthaler Mitglied des Euro sein könnten. Sie müssten sich nur an das gemeinsam festgelegte Inflationsziel halten, wie es JEDES(!!!!!!!) einzelne Mitglied muss. Das hat bis auf Frankreich niemand verstanden.
rugay
31. Juli 2013 @ 12:15
“Finanziert werden soll das gigantische Programm durch neue “Bildungs-Zertifikate”, die die Banken ausgeben und die Staaten garantieren sollen. Nach einer Weile könnte sich daraus ein neuer Markt entwickeln, so Hartz.”
Damit ist doch die Katze von Walter Windig (Codename “Peter Hartz” – ist der nicht auch vorbestraft ? ) doch aus dem Sack : Erwerbslose sog. Human Recources interessieren als Menschen nicht, Massenarbeitslosigkeit als Indikator schwerster systemischer Mängel interessiert nicht, sondern nur wie man die Human Recouces wieder so verbaut, dass sich daraus “Neue Märkte” (mit Selbstheilungkräften und anderem wirtschaftsesoterischem Zinnober) entwickeln können oder man zumindest nicht mehr offiziell von “Arbeitslosigkeit” sprechen muss sondern vielleicht von sich eingliederungswillig zu re-integrierenden Maßnahmen-Inanspruchnehmern, oder welch Etikett man auch immer der Sachlage überzupappen gedenkt um schönzureden und zu aromatisieren was schon lange gegen alle Himmel der Welt stinkt.
Man fasst sich nur noch an den Kopf, so wie seinerzeit mit der Behauptung Neutronenbomben wären human weil sie doch die benötigte Infarstruktur nach dem Kriegsfall intakt halten würden…grumpf!
Baer
31. Juli 2013 @ 10:07
Wie soll man einen gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum vernünftig gestalten, wenn man den jeweiligen Ländern deren junge Menschen entzieht und sie dem Wettbewerber ( z.B. Deutschland) zuführt. Woher soll Wettbewerb kommen , wenn ein Land immer stärker, die anderen aber immer schwächer werden.Wettbewerb kennt nur Gewinner und Verlierer. Ob das der richtige Weg ist wage ich zu bezweifeln. So lange ein Land strukturelle Probleme hat muß daran gearbeitet werden, diese zu lösen , als sie auf andere Länder zu übertragen. Aber vielleicht ist das ja der Metaplan – ein großes Deutschland, und viele kleine Europäer. Das ist nicht mein Verständnis von einem gemeinsamen EUROPA.
Bei einem derartigen Wetbewerbsverhalten wird es nur Verlierer geben, denn wer keine Wirtschaftskraft hat ,der hat auch keine Kaufkraft – wer keine Kaufkraft hat kann auch in Deutschland
nichts kaufen( außer subverntioniert , EFSF,ESM) , was ist dann mit den sogenannten Exporten?
GS
31. Juli 2013 @ 10:58
Sorry, Ihr Eurofetischisten habt auch nichts anderes im Kopf, als in den paar einigermaßen funktionierenden Nordländern ein Spanien 2.0 zu machen. Am Ende wird dann Europa aber auch nicht erfolgreicher sein als das Original. Wie lange dauert’s noch bis Ihr versteht, dass die Probleme im Süden (und die große Rechnung für den Norden am Ende) systembedingt sind, weil Länder mit extrem verschiedenen Wirtschaftsprofilen in eine Union gepresst werden?
ebo
1. August 2013 @ 21:38
@Baer
Richtig, der Wettbewerbsbegriff wird pervertiert. Ursprünglich war die EU einmal gegründet worden, um zu verhindern, dass Wettbewerb um knappe Ressourcen (damals Kohle und Stahl) zu Konflikten zwischen Staaten führt. Heute hingegen wird die Rivalität zwischen den Staaten systematisch angeheizt. Nicht nur die Länder sollen “wettbewerbsfähig” sein, sondern auch noch die jungen Arbeitslosen. Sie dürfen dann dahin gehen, wo die Unternehmen wünschen – und wo es zuwenig Nachwuchs gibt (Deutschland). – Ich stimme Dir zu: das ist nicht das gemeinsame Europa, das wir wollen.
S. Meyer
31. Juli 2013 @ 09:18
Aus Sicht der Unternehmen kann und ist Hartz IV wohl keine Lösung, sondern nur eine Krücke.
Wer ein Produkt herstellt, der verdient etwas. Manchmal viel, manchmal wenig, manchmal zu wenig. Aber letztendlich ist zu wenig noch immer mehr als nichts. Solange Spanien, Portugal, Frankreich und auch Deutschland z.B. in China fertigen lassen verdienen Sie nichts, und wo nichts gefertigt wird gibt es auch keine Arbeitsplätze.
Da redet man über Klimawandel, schleppt aber Tomaten, Pilze und Nüsse aus China in die EU und überlegt wie man die Bauern die das mal angebaut haben wieder in Lohn und Brot bringt.
Die hohe Arbeitslosigkeit kommt doch nicht durch Faulheit (auch wenn oft angenommen) oder Dummheit (nicht jeder kann wie England blühen wenn man alles auf sogenannte Dienstleistungsbranchen ausrichtet….. uh Ironie?). Hohe Arbeitslosigkeit ist ein Zeichen dass zu wenig Arbeit da ist (daher der Name……) Also entweder Arbeit nicht auslagern, oder Arbeitslose nach China exportieren. Mir wäre ersteres deutlich lieber. Aber Hartz IV in welcher Form auch immer löst kein Problem sondern verdrängt Tatsachen und verschiebt die Probleme in die Zukunft