Haut den Hollande!
Frankreich kommt nicht aus den Negativ-Schlagzeilen. Nach der Affäre um Ex-Haushaltsminister Cahuzac muss sich Präsident Hollande jetzt auch noch mit Vorwürfen gegen seinen früheren Wahlkampfmanager Augier herumschlagen. Und nun kommt auch noch SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück – quel malheur!
Das Frankreich-Bashing erhält neue Nahrung. Glaubt man den deutschen Medien, so gerät Präsident Hollande in den Sog einer ganzen Reihe von Finanzskandalen, die die Glaubwürdigkeit des Sozialisten erschüttern.
Doch bei näherer Betrachtung ist es halb so wild. Cahuzac ist schon vor Wochen zurückgetreten, Augier spielt seit Monaten keine politische Rolle mehr. Dass sie sich persönlich bereichert haben, ist bisher nicht erwiesen.
Klar: Hollande hatte den Franzosen im Wahlkampf eine “vorbildliche” und “untadelige” Republik versprochen und Steuerflüchtlingen den Kampf angesagt. Dazu passen die Fälle Cahuzac und Augier wie die Faust aufs Auge.
Doch es sind kleine Fische im Vergleich zu den Vorwürfen, denen sich etwa Finanzminister Schäuble in der CDU-Spendenaffäre ausgesetzt sah. Schäuble ist wieder in Amt und Würden, die Franzosen sind für immer verdammt.
Das hindert die deutschen Leitmedien aber nicht daran, Hollande in Grund und Boden zu schreiben und die “Grande nation” zu begraben. “Horror für Hollande” heißt es auf SPON. Dabei hat der Negativ-Spin Methode – das doppelte Maß auch.
Wenn die deutsche Wirtschaft um 0,6 Prozent schrumpft, wie im 4. Quartal 2012 geschehen, ist das eine kleine Delle. Wenn die französische im selben Zeitraum um 0,3 Prozent zurückgeht, eine schwere Krise.
Wenn Kanzlerin Merkel den Wahlkämpfer Hollande schneidet, wie im letzten Jahr passiert, ist dies eine kleine Ungeschicklichkeit. Wenn Hollande den SPD-Kanzlerkandidaten empfängt, ist dies eine große Provokation.
Und so wird Steinbrücks Besuch heute in Paris wieder von düsteren Analysen und bitterbösen Kommentaren begleitet. Dass Steinbrück und Hollande eine Alternative zu Merkels verfehlter Euro-“Rettung” formulieren wollen, interessiert kaum.
Dabei schreit ganz Europa nach solch einer Alternative. Und halb Frankreich hofft auf einen Machtwechsel in Deutschland. Nur die deutschen Medien stehen in Treue fest zu Merkel – und wie ein Mann gegen Paris.
Haut den Hollande, scheint das Motto vieler Journalisten zu sein. Mancher Politiker übrigens auch. Vor allem aus dem Berliner Finanzministerium kommen immer wieder Spitzen gen Paris. Honni soit qui mal y pense…
photo credit: Francois Hollande via photopin cc
marty
8. April 2013 @ 15:48
@Tim, den einzigen netten Neoliberalen 😉
Du hast absolut recht, Helmut Kohl (den ich zutiefst verachte) ist zusammen mit Mitterand einer der Hauptverantwortlichen für die Zerstörung Europas durch den Euro. (Helmut Kohl hält somit einen einmaligen Weltrekord: er hat gleich zwei Währungsunionen in den Sand gesetzt [so viel zu seiner Lernfähigkeit]).
Da sieht man, was passieren kann, wenn “Staatsmänner” keine Ahnung von Volkswirtschaft haben …
Mein Lob für den ehem. “Bimbes-Kanzler” bezog sich nur auf sein unbestreitbares Engagement für die deutsch-französische Freundschaft & Aussöhnung.
“CDU und FDP fahren seit Jahrzehnten voll auf staatskorporatistischer Linie. Der einzige Kapitalismus, der für Merkel zählt, ist crony capitalism.”
Na ja, streng genommen ist “crony capitalism” auch der einzige Kapitalismus, der überhaupt existiert. Im Kapitalismus kommt es zwangsläufig zu obszönen Vermögenskonzentrationen. Diese wiederum führen zwangsläufig dazu, dass das Kapital die Politik kauft − und das Ergebnis heißt stets “crony capitalism”.
Egal ob im katholischen Süden (Italien) oder im protestantischen Norden (D, USA) − der einzige Unterschied ist nur die konkrete soziokulturelle Ausprägung dieser Deformierung.
Nobs
8. April 2013 @ 15:15
Nein, kann ich nicht beweisen, zumal ich kein Ökonom bin. Ist aber klar, daß niemand “Daueralimentierung” finanzieren will.
Aber findest Du das eine Grundlage für die weitere Zusammenarbeit von Deutschland und Frankreich, dem “Motor” der EU, wenn solche Unterstellungen in der Öffentlichkeit verbreitet werden, als Land heimlich ein den Partner schädigendes “Geschäftsmodell” zu haben, sich nämlich dauerhaft aushalten lassen zu wollen?
Für mich ist das unterste Schublade, quasi eine öffentliche “Kriegserklärung”, wo ich nur spekulieren kann, wieviel Porzellan mit solchen und anderen Statements willentlich zerschlagen wurde.
Ich kann auch einfach dieses ewige deutsche Gegreine nicht mehr hören, man zahle besonders viel, wenn nicht sogar alles, der EIndruck wird ja teils auch gern erweckt. Richtig gruselig wird es wenn ich mir den überwiegenden Tenor der (in 2 Tagen über 800!) Kommentare anschaue bei SPON zum Ergebnis einer Expertenkommission der griechischen Regierung zu möglichen Reparationsforderungen des Landes an Deutschland: 108 Milliarden Euro für den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Infrastruktur und weitere 54 Milliarden Euro für erzwungene Kredite. Als sei das irgendwie aus der Luft gegriffen, dabei geht es um völlig legitime harte materielle Forderungen.
Nochmals: eigentlich schulden wir den Griechen einen zweistelligen Milliardenbetrag.
GS
9. April 2013 @ 12:44
Völlig legitime Forderungen? Das glaubst auch nur Du. Du kannst ja einen eigenen Fonds aufmachen und munter darin einzahlen und ihn den guten Griechen zukommen lassen. Ich schreibe unterdessen an Hollande, ob Frankreich nicht noch paar Reparationen für die napoleonische Unterjochung abdrücken will.
Mal abgesehen davon, wenn, dann schulden wir Griechenland vielleicht xxx Millionen Reichsmark. Die können sie auch gerne haben, umgerechnet in Euro. Auf 54 Milliarden Euro kommt man doch wohl allenfalls, wenn man auf den damaligen Betrag über 70 Jahre die Inflation angleicht, oder? Seltsames Verfahren. Ich dachte immer, Kreditsummen sind feste Größen.
marty
6. April 2013 @ 18:27
@Andres Müller: hoi & gueten Aabig!
“Damals in Bretton Woods schlug der Ökonom Keynes die Einführung eines Bancor vor, welchen er als Handelswährung vorgeschlagen hatte. Diese Währung hätte die Landeswährungen nicht ersetzen sollen, aber wäre wohl eine ideale Ergänzung gewesen.”
Keynes war ein Genius − aber so weit waren wir in der EU ja fast schon mal, oder? Unser Bancor hatte den pfiffigen Namen “Ecu” (englisches Akronym, das französisch [!] ausgesprochen wurde). Eine Handels- und Verrechnungswährung, die als Währungskorb angelegt war − und (jetzt kommt der Clou) bei der alle fünf Jahre die Gewichtung überprüft und angepasst wurde (http://de.wikipedia.org/wiki/Europäische_Währungseinheit ).
Was für eine unflexible Zwangsjacke ist im Vergleich dazu der Euro!
“Aber die Marke [Euro] selbst hätte das Potential zu einer Alternative des US$ zu werden.”
Ich glaube, dass genau hier ein Teil des Problems liegt − Europas phallokratischer Größenwahn (jetzt werden wir die größte, beste und tollste Welt-Leitwährung erschaffen und den Dollar vom Thron stoßen).
Regio-Währungen sind gut, aber es muss ja nicht gleich der winzige “Chiemgauer” sein − mir würden Escudo & Drachme schon reichen. Auf diese Weise erhielte man wieder (sinnvolle & maßvolle) Handelsschranken, die in einem System partiell kommunizierender Röhren gleichsam als Sicherheits- und Druckausgleichsventile funktionieren würden.
Die einzige Alternative wäre eine wahrhaft gigantische und permanente Transferunion, die NIEMALS über ethnische Grenzen hinweg funktionieren kann.
(Eine Transferunion klappt nur bei engster ethnischer Kohäsion. Und sogar bei uns in D sehen z.B. bayerische und hessische Rechtspopulisten die Ossis schon als fremde Ethnie).
Was West-DM und Ost-DM angeht, gebe ich Dir recht − die fatale Währungsunion von 1990 war für Ostdeutschland der Todesstoß. Danke Helmut! 🙁
Andres Müller
7. April 2013 @ 00:25
@mary Dieser Ecu könnte reaktiviert werden und in einem etwas angepassten Kleid umgesetzt werden (als offizielles Zahlungsmittel mit Banknoten und Münzen). Es ist mir allerdings schwer vorzustellen wie dies im Detail zu bewerkstelligen wäre, denn der Euro hat sich in Form dieses Target-2 in die Eingeweide des Europäischen Organismus krankhaft als Ungleichgewicht eingenistet.
http://www.querschuesse.de/target2-salden/
Vielleicht läge hier aber auch eine gute Berechnungsmöglichkeit zugrunde um die Rekonvertierung vornehmen zu können. Die Target-2 Positiva und Negativa könnten das Start -Mass für neue lokale Währungen vorgeben -wobei dann die neuen Währungen im Target-2 Verhältnis ausgeschüttet werden könnten, während man den Euro “einstampft”.
Nun, was den US$ anbetrifft, da haben Sie schon Recht -neben der Wirtschaftskraft ist leider für eine Weltreservewährung auch eine hohe militärische Stärke Auschlag gebend für den Anleger. Auch ein wiedererweckter Ecu kann diese Sicherheit in diesem Bereich nicht bieten. Allerdings kann sich langfristig auch der US$ kaum in dieser Stärke halten, die letzten Jahre übermässigen Verbrauchs und immer höherer Ungleichverteilung haben doch stark das Gefüge dieser Volkswirtschaft unterhöhlt. Währungen wie der Bancor werden sicher auch hier wieder zur Debatte gelangen.
Melina
6. April 2013 @ 14:40
Ein innenpolitisch angeschlagener Hollande kommt doch gerade recht, wenn es darum geht, ganz Frankreich auf die große Verhartzung vorzubereiten und Wettbewerbsfähigkeit” im Sinne von Merkel und Schäuble herzustellen. Hyper-Austerität als europäische Pandemie – das ist das erklärte Ziel der neoliberalen Giftmischer. Man muss nur weiterhin die künstliche Droge Euro in Massen verabreichen und schon breitet sich die tödliche Krankheit Austeritas schneller aus als dereinst die Pest. Der Euro ist die moderne Pest, an der gerade und vor allem die Jugend Europas zugrunde geht!
Leider sind selbst viele kluge Köpfe noch immer überzeugt davon, man könne die Krankheit kurieren oder die Opfer weitgehend immunisieren, ohne den Auslöser zu eleminieren. Das wird nicht funktionieren. Noch stemmt sich Frankreich gegen die lebensgefährliche Infektion und deshalb muss es mithilfe der Medien solange gebasht werden, bis es nachgibt und die bittere Pille schluckt. Das denken sich die in Berlin so. Ob dabei das deutsch-französische Porzellan zerschlagen wird, spielt keine Rolle mehr angesichts des Trümmerhaufens, den Merkel schon angerichtet hat.
Ich denke jedoch nicht, dass die Berliner Planspiele so einfach aufgehen werden. Die Franzosen sind nämlich sehr viel schneller auf der Strasse und sehr viel weniger zimperlich, als sich das Frau M. an ihrem neoliberalen Reißbrett vorzustellen vermag. Ihr größenwahnsinniger Wunschtraum, ganz Europa mit knallharter Hand zu regieren, wird nicht in Erfüllung gehen, denn der Widerstand wächst von Tag zu Tag.
In Portugal ist gerade der Haushalt 2013 teilweise für verfassungswidrig erklärt worden, Mutti’s Musterschüler Coelho wird seine Hausaufgaben nicht machen können. In Griechenland wackelt die Regierungskoalition mal wieder heftig. Der Minister für Verwaltungsreform droht mit Rücktritt, falls die Troika auf weiteren Stellen-Streichungen besteht. Außerdem formiert sich eine neue linke Gruppierung/Partei, die für einen sofortigen Austritt aus der EU wirbt. Gut möglich, dass viele Syriza-Anhänger abwandern werden. Zypern will eine “escape clause” aus dem Sparprogramm in das Memorandum aufnehmen lassen für den Fall, dass es gelingt, die geforderten Milliarden woanders aufzuteiben. Dazu Averof Neofytout: “the troika can go to hell once we have found the
money we need.” Ich drücke die Daumen!
Jochen
6. April 2013 @ 12:04
Zu kurz gesprungen, verehrter Ebo: es geht um ein neoliberales “Europa”, natürlich unter Einschluß von Frankreich. Solange Springer und Bertelsmann (ich habe mit Reinhard Mohn zu tun gehabt und weiß wie der dachte) und dazu die mehr oder weniger gleichgeschaltete Provinzpresse – mit der rühmlichen Ausnahme der FAZ,die noch jenseits der Grenzen zu denken gelernt hat, wenn auch spät) die Macht in Merkel gut vertreten sehen, wird sich da auch nichts ändern, zumal die SPD nichts aufzubieten hat. Die Märkte über alles, nicht Deutschland.
Tim
8. April 2013 @ 11:09
Ich als Neoliberaler lehne jegliche Klientelpolitik à la Merkel vehement ab. Und das gilt übrigens auch für alle anderen Neoliberalen, die ich kenne.
CDU und FDP fahren seit Jahrzehnten voll auf staatskorporatistischer Linie. Der einzige Kapitalismus, der für Merkel zählt, ist crony capitalism.
marty
6. April 2013 @ 03:27
@tbw: Ich möchte mich Deinem Lob für diesen großartigen Blog anschließen.
Auch wenn es für mich mindestens drei Wermutstropfen gibt:
Dieser Blog scheint ein Überleben des Euro (und einen Verbleib der Südstaaten darin) immer noch für sinnvoll zu halten.
Dieser Blog unterschätzt − wenn auch aus den edelsten Motiven − das Ausmaß der südeuropäischen Sklerose (OK, andernfalls säße man in einem Boot mit den skrupellosen Rechtspopulisten um “Murkel” und “Drehhofer”).
Und schließlich: dieser Blog datiert den Ausbruch der Euro-Krise circa 9 Jahre zu spät. 🙁
Frankreich-Bashing
Was ich vollends grotesk finde: dass manche diesem Blog übertriebene Frankophilie vorwerfen. Aber daran kann man sehen, wie sehr der Verfallsprozess nicht nur beim Euro, sondern auch bei der sog. “deutsch-französischen Freundschaft” schon fortgeschritten ist.
Das degenerierte deutsche Bürgertum wird − wie oben von ebo aufgezeigt − seit Monaten mit übler Anti-Frankreich-Propaganda gefüttert. Umso wichtiger ist es, dass dieser Blog hier ein Gegengewicht schafft.
Einen neuen Tiefpunkt erreichte das Frankreich-Bashing jetzt mit dem chauvinistischen Amoklauf von ebos’s Brüsseler Kollegen Martin Winter (“Auf sie mit Gebrüll”). Am besten gar nicht den dummdreisten Original-Artikel in der SZ lesen, sondern gleich den wirklich köstlichen Verriss auf den Nachdenkseiten (http://www.nachdenkseiten.de/?p=16747 ).
Schon traurig, wie schnell Murkel, Schäuble & Springer zerstört haben, was Adenauer, Brandt, Schmidt (und auch der Schwarze Riese) über Jahrzehnte aufgebaut haben …
Andres Müller
6. April 2013 @ 13:49
Guten Tag @marty ,den Euro halte ich trotz dessen miserablen Implementierung zur Startzeit für ein ausgezeichnetes “Produkt”. Im Prinzip sind Währungen mit Markenprodukten zu vergleichen die gut oder schlecht gepflegt werden können. Aber die Marke selbst hätte das Potential zu einer Alternative des US$ zu werden. Nur kann ich nicht einsehen weshalb lokale Währungen haben verschwinden müssen, auch die DM war ein gutes “Produkt”. Damals in Bretton Woods schlug der Ökonom Keynes die Einführung eines Bancor vor, welchen er als Handelswährung vorgeschlagen hatte. Diese Währung hätte die Landeswährungen nicht ersetzen sollen, aber wäre wohl eine ideale Ergänzung gewesen. Der Bancor wäre eben nicht wie Landeswährungen vom Zustand von einzelnen Staaten abhängig gewesen, daher hätte er hohe Sicherheit angeboten beim globalen Handel mit Waren. Aus meiner Sicht hätte man den Euro als Handelswährung schaffen sollen, ähnlich der Idee des Bancor. Dass lokale Währungen nicht verschwinden müssen zeigt der Erfolg zum Beispiel des Regio Geldes: http://de.wikipedia.org/wiki/Regiogeld
Die Nachteile von Regio Währungen hätte der Euro beheben können und so zum Beipiel ermöglichen können das es in Deutschland eine West-DM und einen Ost-DM hätte geben können. Dadurch hätte man Zeit gehabt unterschiedliche lokale Entwicklungen zu berücksichtigen und den Euro als Zielwährung für ein zusammen gewachsenes Europa nicht mit lokalen Ungleichgewichten belastet.
GS
6. April 2013 @ 14:39
Ich weiß nicht. Dieser Beitrag bei den Nachdenkseiten, wie auch die meisten Beiträge in diesem Blog, schwanken gleich immer ins andere Extrem um. Diagnose: Das böse Deutschland zerstört wieder alle anderen. 3. Weltkrieg über die Wirtschaft. Lösung: Öffnet einfach Euer Geldköfferchen, damit sich jeder frei bedienen kann. Deutschland-Bashing halt.
Warum aber Deutschland für den Niedergang der Volkswirtschaften in Südeuropa verantwortlich ist, obwohl der Produktemix bei den Exporten zwischen Deutschland und Ländern wie Spanien, Portugal, Griechenland sich stark unterscheidet, und die Leistungsbilanzen dieser Länder nicht etwa nur gegenüber Deutschland, sondern auch dem Rest der Welt katastrophal sind, bleibt mir ein Rätsel. Einzig Norditalien wäre eine Großregion, die in direkter Konkurrenz zu Deutschland steht.
Sicher leiden die Südländer unter dem für sie zu starken Euro. Aber was ist denn die Alternative? Soll Deutschland nun die Transformation vom Hart- zum Weichwährungsland voll durchziehen? Weichwährungsländer sind ja langfristig unfassbar erfolgreich. Jaja. Ich räume ein, dass einige, aber nicht alle Südländer, v.a. Spanien, ihren Bauboom durch zu laxe Geldpolitik vor 2008 befördert bekommen hatten. Nur ist auch hier zu sagen, dass die niedrigen Zinsen in der frühen Euro-Phase keinesfalls nur zum Nutzen Deutschlands waren. Italien siecht seit Ewigkeiten dahin und so enorm gebrummt hat es in Frankreich auch nicht, dass höhere Zinsen gewollt gewesen wären. Das fällt gerne unter den Tisch.
Aber warum war der massive Boom in Spanien überhaupt erst möglich? Doch wohl nur wegen der großen Konvergenzbewegung bei den Zinsen, sowohl der Staatsanleihen als auch bei Privatkrediten, die nach 1992/93 (Maastricht) eingesetzt hat. Das war übrigens zum Nachteil Deutschlands, und zum großen Vorteil des Südens, denn so fiel der Kapitalkostenvorteil der deutschen Wirtschaft weg; für mich ein (!) wichtiger Erklärungsbaustein für Deutschlands Wirtschaftsprobleme für die folgenden 1 1/2 Jahrzehnte. Das war allerdings nicht von der Konvergenz der Volkswirtschaften getrieben, sondern von der impliziten Annahme, dass jeder für jeden ohne Wimpernzucken haften würde, also im Grunde ein Geschenk an den Süden. Seitdem diese Haftung nicht mehr als unumstößlich wahrgenommen wird, gehen die Zinsen eben auch wieder auseinander. Nur dumm, dass die Südländer jetzt in der Währungsunion hängen. Für uns ist das allerdings ähnlich dumm. Denn obwohl hier im Blog gerne darauf verwiesen wird, dass das uns ja noch nichts gekostet hat, bin ich der Meinung, dass die Rechnung zum Schluss kommt. Ob das nun in Form massiver Transfers weit jenseits der EU-Nettozahlungen sein wird, oder durch Abschreiben unserer Forderungen in Folge von Euro-Austritt/Bankrott, ist noch offen.
Größenwahnsinnig ist nicht, dass die Deutschen versuchen, das beste für sich herauszuholen, größenwahnsinnig ist zu glauben, dass diese vielen verschiedenen Volkswirtschaften der Eurozone-17 (und gar der EU-28) einen gemeinsamen Währungsraum schaffen können, bei dem dann sogar noch behauptet wird, dass alle davon profitieren. Das wird wohl eher noch einen großen Knall geben. Derzeit mag Deutschland, oder dessen Exportindustrie, vom zu weichen Euro profitieren, aber nicht vergessen, dass von Maastricht bis Mitte der letzten Dekade Deutschland alles andere als ein Euro-Gewinner war. Hat’s denn unsere europäischen Währungsfreunde gejuckt? Ich kann mich jedenfalls noch gut an die triumphale Verkündung eines spanischen Ministerpräsidenten erinnern, dass die Spanier bald reicher sein würden als die Deutschen. Ein Jahr später ging dann die Krise in den USA los…
Mira
7. April 2013 @ 02:45
Viele gute Punkte, GS.
Tim
8. April 2013 @ 11:05
@ marty
” (und auch der Schwarze Riese) über Jahrzehnte aufgebaut haben ”
Die Regierung Kohl hat das heutige Euro-System (mit-)konzipiert. Wenn es Hauptschuldige der Euro-Krise gibt, dann die deutschen und französischen Regierungen der 90er Jahre.
Johannes
5. April 2013 @ 19:11
Steinbrück ist in Paris um Hollande zu versprechen, dass wir Deutschen die Schulden von ganz Europa übernehmen werden wenn die SPD an der Macht ist. Am Anfang nur ein kleiner Teil und dann alle Schulden zu 100% (Verträge werden nicht mehr respektiert). Die Bürger in Frankreich mögen Hollande nicht mehr, liegen die also alle falsch??? Und kritisiert nur die dt. Presse den Präsidenten oder auch die französische Presse? Genau! Von dem Deutschland-Bashing auf diesem Blog ganz zu schweigen.
tbw
5. April 2013 @ 18:57
@ebo / Ich habe mich vorhin vermutlich missverstaendlich ausgedrueckt. Die flapsige Bemerkung “Alles Unsinn”, die ich meinem Kommentar oben voranstellte, bezog sich ganz allgemein auf die deutsche Medienberichterstattung ueber Steinbruecks Besuch bei Hollande, nicht aber speziell auf deinen Beitrag hier in diesem Blog. Dein Blog “Lost in Europe” mag ich naemlich sehr, auch wenn ich als entschiedener EURO-Gegner in vielen Punkten anderer Ansicht bin. (Dass ich als entschiedener EURO-Gegner auch nicht der politischen Linie der FT uebereinstimme, versteht sich zwar von selbst, sei aber der Vollstaendigkeit halber ausdruecklich noch hinzugefuegt.)
tbw
5. April 2013 @ 17:46
Alles Unsinn. Am besten informiert werden dem gegenueber noch immer die Leser der Financial Times aus London. Ich stelle fest: Falls Hollande auf einen politischen Kurswechsel fuer den Fall hoffen sollte, dass im September die SPD die Wahlen gewinnt, dann taeuscht er sich. Die FT hat sich schon vor mehreren Wochen, ich glaube zu der Zeit, als die SPD ihren Kanzlerkandidaten-Nominierungsparteitag abhielt, gefragt, was sich wohl andern wuerde, wenn Steinbrueck Kanzler wuerde. Fazit der FT: gar nichts, weil SPD und Gruene als Opposition alle wichtigen Entscheidungen von Frau Merkel im Bundestag stets mitgetragen haetten. Doch taeuscht Hollande sich wirklich? Nein, eben nicht. Er war nie die Alternative, als die er sich den franzoesischen Waehlern gegenueber im Wahlkampf ausgab. Waehrend er im Wahlkampf sich deutlich von Frau Merkels EUROpolitischem Rettungskurs absetzte, erschienen in der FT Artikel, in denen Hollandes Mitarbeiter den FT-Lesern versicherten, dass die Finanzmaerkte ganz beruhigt sein koennten, weil ein grundlegender Politikwechsel von Hollande nach einem Wahlsieg ja gar nicht beabsichtigt sei. Frankreichs Hoffnung kann nicht ein SPD-Sieg, sondern nur der Abschied vom EURO sein – also just jener Schritt, den der Mitterand-Nachlassverwalter Hollande auf alle Faelle vermeiden moechte.
ebo
5. April 2013 @ 18:07
@tbw Nichts gegen die FT, die lese ich auch regelmäßig. Aber in dieser Frage sind die Briten eindeutig Partei. Cameron setzt auf das Bündnis mit Merkel, um seine “EU-Reform” durchzuboxen. Wirtschafts- und sicherheitspolitisch hat er zwar einige Gemeinsamkeiten mit Hollande. Doch die deutsch-britische Achse ist stärker als die britisch-französische Daueranimosität. Leider. Denn auch UK hätte viel zu gewinnen, wenn der Crashkurs von Merkel endlich beendet würde. Streng genommen leiden die Briten doch noch mehr darunter als die Franzosen, schau Dir mal die Zahlen an…
Nobs
5. April 2013 @ 13:29
@ebo Daß es darum geht, mit dem Frankreich-Bashing “den letzten möglichen Rivalen für die deutsche Dominanz beiseite zu räumen”, vermute ich auch als Motiv. Das Wort Feind hat falsche Assoziationen zur alten “Erbfeindschaft” geweckt.
Das ist schon gespenstisch, wie sich die deutschen Medien gerade bei Auslandsthemen vor den Karren der Merkel-Regierung spannen lassen.
ebo
5. April 2013 @ 13:11
@Nobs Leider habe ich auch manchmal den Eindruck, dass die alte “Erbfeindschaft” zu Frankreich wiedererweckt wird. Wahrscheinlicher geht es aber einfach nur darum, den letzten möglichen Rivalen für die deutsche Dominanz beiseite zu räumen. Mit Sarkozy war dies nicht ganz einfach, denn er war ein Konservativer wie Merkel. Nun kommt auch noch die parteipolitische Rivalität hinzu – und natürlich die deutsche Nibelungen-Treue zu Merkel…
GS
5. April 2013 @ 13:52
Hollande hat halt am lautesten nach Eurobonds und ähnlichen Formen der Schuldenvergemeinschaftung und tollen Konjunkturprogrammen geschrien. Ist doch selbstverständlich, dass das in Deutschland nicht gut ankommt. Bei mir übrigens größtenteils auch nicht.
ebo
5. April 2013 @ 15:21
@GS Nein, am lautesten hat sich dafür der Chef der Liberalen im Europaparlament, Verhofstadt, eingesetzt. Bei den Staats- und Regierungschefs waren es Ex-Eurogruppenchef Juncker sowie Monti. Erstaunlicherweise hat sich Hollande bei Eurobonds ziemlich zurückgehalten. Er wollte auch kein schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm, sondern “nur” einen Wachstumspakt, der den deutschen Fiskalpakt austarieren sollte. Leider ist dies nicht gelungen, wie wir wissen…
GS
6. April 2013 @ 14:43
@ebo Wenn ich mich recht entsinne, war Hollande gleich bei seinem ersten EU-Gipfel voll dabei, Eurobonds im Rahmen seines Wachstumspakts zu fordern, steht jedenfalls so auch in allen Gazetten vom Mai 2012. Fallen lassen hat er die Forderung wohl erst als er auf Granit biss. Insgeheim wird er sie wohl trotzdem noch wollen.
Nobs
5. April 2013 @ 11:20
Danke für diese Richtigstellungen. Frankreich gilt, seit Hollande dran ist, als “Feind”. Ich erinnere mich noch dunkel an ein Interview 2012 von Tom Buhrow mit Jean-Marc Ayrault in den Tagesthemen mit unverschämten Suggestivfragen wie “Frankreichs heimliche Sehnsucht nach Daueralimentierung”. Ein klarer Affront. War hierzulande natürlich kein Thema, schließlich sind sich Regierung, Medien und ein Großteil der Michels einig in der “Bewertung”.
Johannes
7. April 2013 @ 19:47
“Daueralimentierung” – Kannst du den das Gegenteil beweisen? Nein, und Euro-Bonds würden die Alimentierung zumindest möglich machen. Jeder Eurostaat denkt im Moment zuerst an sich, warum soll das bei Frankreich anders sein? Genau. Ich finde ihr seit da zu blauäugig.
Tim
5. April 2013 @ 09:20
Die “schwere Krise” in Frankreich besteht darin, daß das Land sehr hohe Wachstumsraten braucht, damit überhaupt Arbeitsplätze geschaffen werden – und daß erhebliche (vor allem sozial schwächere) Gesellschaftsgruppen kaum noch Chancen auf einen Arbeitsplatz haben.
Übrigens ist dieses ganze elende Euro-System von Anfang an eine eminent französische Idee gewesen, auch die blödsinnige Idee einer europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik entspricht voll und ganz der französischen Europa-Strategie.
Der französische Staat war immer extrem gut darin, am Lösen der Probleme zu scheitern, die er selbst verursacht hat.
eric.carter
5. April 2013 @ 14:30
“Schäuble in der CDU-Spendenaffäre ausgesetzt sah. Schäuble ist wieder in Amt und Würden”
Schön, dass daran mal wieder erinnert wird. Eigenartiger Weise interessierte diese Spenden- und Finanzaffäre in Deutschland doch recht schnell niemanden mehr – Da brauchte es dann schon auf einen holländischen (sic!) Kollegen, der das mal wieder ansprach:
http://www.youtube.com/watch?v=XaWE8K2nRVs