Trump vs. Merkel: Ist Deutschland ein „free rider“?

Wilde Attacken, unhaltbare Vorwürfe: Wenn US-Präsident Trump über Deutschland spricht (oder schimpft), dann sehen Politik und Medien rot. Dabei wird gern vergessen, dass Trumps Tiraden (leider) einen wahren Kern haben.

Es geht um die Frage, ob Deutschland ein „free rider“ der Weltpolitik ist – also ein Land, das sich auf Kosten anderer schadlos hält und bereichert. Diese Debatte gibt es nicht nur in der Nato. Es gibt sie auch in der EU.

Dort wird sie meist unter dem Stichwort „Leistungsbilanz-Überschüsse“ geführt. Was in Deutschland als Ausweis höchster Wettbewerbsfähigkeit gilt – der Export-Überschuss -, kann man nämlich auch als Problem sehen.

Klingt schräg? Mag sein. Doch Fakt ist, dass Deutschland sich zu einem Spottpreis (1,1 Prozent der Wirtschaftsleistung, so hoch bzw. niedrig ist der deutsche EU-Beitrag) den Zugang zum größten Markt der Welt sichert.

Wenn es die EU und den Euro nicht gäbe, wäre der Marktzugang sehr viel teurer. Zudem gefährden die deutschen Überschüsse, die über den vereinbarten EU-Grenzwerten liegen, das „ökonomische Gleichgewicht“ in Euroland.

Doch nicht nur Ökonomen und Militärs sorgen sich um den „free rider“ Deutschland. Die Debatte wird auch auf dem akademischen Level geführt. Der prominenteste Vertreter ist der Politikwissenschaftler H. Kundnani.

Er hat „free riding“ als „Teil der deutschen Identität“ bezeichnet – und das ist nicht einmal böse gemeint. Hier ein Auszug aus einer seiner letzten Studien zum Thema:

Germany has increasingly come to see itself as a Friedensmacht, or “force for peace,” and as an Exportnation, or “export nation.” In a sense, therefore, “free riding” has become central to German national identity. This makes it difficult for Germany to radically rethink its security model or its economic model. As a result, Germany will likely take a wait-and-see approach to policy for the time being, while hoping for the best.

Europe should be a way out of the dilemma Germany now faces. In particular, it could provide an alternative source of both security and of demand. This means a grand bargain between EU member states — centered on a compromise between France and Germany — is now more urgently needed than ever. But Germany remains unwilling to make concessions — especially on economic issues. In the meantime, the uncertainty about the U.S. security guarantee under Trump may transform relations between EU member states and erode the position of power in Europe that Germany has developed since the end of the Cold War and in particular since the beginning of the euro crisis.

Interessant ist, dass Kundnani die EU als Ausweg aus dem „deutschen Dilemma“ bezeichnet. Tatsächlich könnte Frankreich dem größten EU-Land die Sicherheitsgarantien liefern, die es braucht – und von den USA nur noch widerwillig bekommt.

Im Gegenzug müsste Deutschland dann aber auch wirtschaftliche und finanzielle Konzessionen gegenüber Frankreich machen. Und genau dazu ist Kanzlerin Merkel nicht bereit, wie wir im Streit um die Eurozonen-Reform gesehen haben.

Lieber bleiben wir „free rider“ und streiten uns mit Trump, oder?

Siehe auch „Das China der Eurozone“