Hat Scholz eine Strategie, was rät von der Leyen – und was ist Desinformation?
Die Watchlist ‘EUropa vom 17. Juni 2022 –
Bisher galt die Regel, dass ein Land nur dann der EU beitreten kann, wenn es stabil ist, keine Grenzkonflikte hat und in Frieden mit seinen Nachbarn lebt. Das war sogar der Sinn der EU-Erweiterung – sie sollte eine Zone dauerhaften Friedens schaffen.
Doch seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ist alles anders. Man fragt nicht mehr nach den Regeln und dem Nutzen für EUropa. Vielmehr geht es darum, Kremlchef Putin eins auszuwischen und der Ukraine zu helfen – um (fast) jeden Preis.
Und so haben Macron und Scholz nun den sofortigen Beitrittstatus gefordert. “Deutschland ist für eine positive Entscheidung zugunsten der Ukraine”, sagte Kanzler Scholz bei seinem Besuch in Kiew. “Das gilt auch für die Republik Moldau.”
Ähnlich äußerten sich Frankreichs Präsident Macron und Italiens Ministerpräsident Draghi. Zusammen mit dem rumänischen Präsidenten Iohannis hatten sie zuvor den ukrainischen Präsidenten Selenskyj getroffen.
“Wir alle vier unterstützen den sofortigen Kandidatenstatus”, sagte Macron. Damit nehmen sie EU-Kommissionschefin von der Leyen die Butter vom Brot. Die CDU-Politikerin will erst am Freitag ihr Verdikt abgeben.
Streit beim EU-Gipfel?
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In der Substanz dürfte es sich kaum von Macron und Scholz unterscheiden. Schließlich hatte die CDU-Politikerin bereits am vergangenen Wochenende in Kiew für den Beitritt geworben. Allerdings dürfte es noch ein paar Auflagen geben.
Die spannende Frage ist nun, wie sich die Gegner eines Blitz-Beitritts positionieren. Portugal, die Niederlande und Dänemark haben sich bereits skeptisch geäußert, auch Österreich und Ungarn könnten Einwände erheben.
Kommt es beim EU-Gipfel in einer Woche zum offenen Streit? Und was soll aus den Ländern des Westbalkans werden, die bereits seit 20 Jahren auf das begehrte Ticket für den europäischen Club warten?
Es passt nicht zusammen
Kanzler Scholz hatte bei seiner Balkanreise am vergangenen Woche vor allem Albanien und Nordmazedonien einige Hoffnung gemacht. Nun unterstützt er auch noch die Ukraine, die alle anderen Anwärter überholen könnte.
Das will nicht zusammenpassen. Offenbar hat Scholz keine Strategie. Es sei denn, Scholz wolle noch einen “Big Bang”, wie 2004, als zehn Mitglieder auf einen Schlag aufgenommen wurden.
Kurz danach kamen auch noch Bulgarien und Rumänien hinzu – trotz mangelnder Vorbereitung. An den Folgen knappst die EU noch heute herum…
Siehe auch “Macron und Scholz kommen von der Leyen zuvor”
Watchlist
Was sagt von der Leyen? Die EU-Kommission will am Freitag eine Empfehlung abgeben, ob der Ukraine der Kandidatenstatus gewährt werden soll. Bis zuletzt waren sich die 26 Kommissare und ihre Chefin nicht einig. Sogar Erweiterungskommissar Varhelyi – ein Ungar – soll noch Bedenken gegen einen Blitz-Beitritt haben…
Was fehlt
Das Werbeverbot bei Desinformation. Google, Twitter, You Tube, TikTok und die Facebook-Mutter Meta haben einen neuen Verhaltenskodex der EU unterzeichnet, der u.a. einen Werbestopp gegen Anbieter von “Fake News” beinhaltet. Doch was ist richtig, was ist falsch – und was ist Desinformation? Das sollen die Plattformen selbst bestimmen…
european
17. Juni 2022 @ 12:50
Julian Assange wird ausgeliefert.
Das ist keine Fehlinformation, das ist Fakt.
Priti Patel hat heute morgen unterschrieben.
Hoert man irgendetwas in Brüssel?
ebo
17. Juni 2022 @ 13:22
Nein. No comment, nichts
european
18. Juni 2022 @ 12:26
Einsatz für Menschenrechte bei Aachener Karlspreisverleihung unerwünscht
https://www.nachdenkseiten.de/?p=84850
“Wir riefen den politisch Verantwortlichen auf der Bühne wiederholt und laut zu: „free Assange“. Traurigerweise war es offensichtlich, dass weder Herr Schulz noch die Außenministerin Baerbock gewillt waren, die Zurufe „free Assange“ mit den propagierten Gründen für die Verleihung des Karlspreises in Zusammenhang zu bringen.
Auf der Aachener Bühne sprach nicht zuletzt die deutsche Außenministerin sehr emotional von Mut und sehr vehement über die Verteidigung der Menschenrechte. Dabei behauptet die heutige Außenministerin, sie vertraue im Fall Assange der britischen Justiz, obwohl sie vor ihrem Amtsantritt noch die Verletzungen der Menschenrechte von Julian Assange im einzelnen benannte und um die fehlende Rechtsstaatlichkeit in seinem Verfahren wußte.”
Thomas Damrau
17. Juni 2022 @ 10:22
Ich tue mich seit Wochen damit schwer, Strategien zu erkennen, ohne Verschwörungserzählungen anheim zu fallen.
In jedem Fall wäre es nötig, die richtigen Diskussionen zu führen. Ich kann Phrasen wie “Teil der europäischen Familie” nicht mehr hören. (Das klingt nach TV-Schmonzette: Schwiegervater zum Schwiegersohn in Spe: “Josef, Du weißt, dass ich Deine Beziehung zu Maria nicht gebilligt habe. Aber nachdem Maria nun mal schwanger ist: Willkommen in der Familie.”) Solche Äußerungen sind Nebelkerzen (Framing ohne Inhalt): Klingt harmonisch – lässt aber die wichtigen Fragen unbeantwortet.
Ähnlich ist die Diskussion um “schwere Waffen”. Ein Leopard 2 wiegt 62 t. Zu schwer. Ein Marder wiegt 35 t. Könnte “leicht” sein. Liegt die Grenze der Unterstützung also zwischen 35 t und 62 t? Natürlich nicht. Die eigentliche Frage lautet: Welche Kriegsziele sind wir bereit zu unterstützen:
1) Stopp der augenblicklichen russischen Offensive
2) Militärische Wiederherstellung des Status Quo von Ende 2021
3) Militärische Wiederherstellung des Status Quo von Ende 2013
Ich habe volles Verständnis, dass die Entscheider solche Fragen nicht in der breiten Öffentlichkeit diskutieren wollen. Aber ich möchte dann nicht ersatzweise mit Nonsense geflutet werden.
Alexander
17. Juni 2022 @ 11:21
“Welche Kriegsziele sind wir bereit zu unterstützen”
4) Russland so viele Verluste zuzufügen wie möglich ohne dabei einen Atomkrieg auszulösen, wobei es völlig egal ist, was das für die Menschen in der Ukraine für Konsequenzen hat.
Holly01
17. Juni 2022 @ 08:05
” … – und was ist Desinformation? Das sollen die Plattformen selbst bestimmen… … ”
Das Recht hört da auf wo es nicht mehr durchgesetzt wird.