Hat Merkel einen Plan? – Grüne Widersprüche

„Wie wäre es jetzt mit Vorschlägen aus Deutschland?“ Das fragte der CDU-Politiker Norbert Röttgen, nachdem Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron seine neuen EU-Reformpläne vorgelegt hatte. 24 Stunden später ist die Frage immer noch unbeantwortet.

Der Bundesregierung hat es irgendwie die Sprache verschlagen. Man freue sich über „pro-europäische Stimmen“, hieß es am Mittwoch in Berlin. Auch einige Ideen Macrons finde man gut, z.B. zur Verteidigungspolitik. Doch eigene Initiativen, gar Perspektiven für die Zukunft? Fehlanzeige.

Dabei wäre jetzt der ideale Moment, in die Debatte einzusteigen. Macron hat den Europawahlkampf mit einem Feuerwerk von Ideen eröffnet, ist zugleich aber eine schlüssige Zukunfts-Vision schuldig geblieben. Die großen Linien der Sorbonne-Rede von September 2017 sind kaum wiederzuerkennen.

Damals wollte Macron noch eine Neugründung der EU um einen harten Kern, die Eurozone. Die Mitglieder der Währungsunion sollten sich ein eigenes Budget geben und so vom engen Brüsseler Haushaltskorsett lösen. Die neue EU sollte „souverän“ werden – also auch unabhängig von den USA.

Und was will Kanzlerin Angela Merkel? Wir wissen es bis heute nicht. Möchte sie, dass wir uns „ein Stück weit“ von den USA emanzipieren, oder glaubt sie weiter an die transatlantische „Partnerschaft“? Will sie Polen und Ungarn bestrafen, oder hängt sie doch an den Osteuropäern und der Visegrad-Gruppe?

Zur Zeit von Macrons Sorbonne-Rede hatte Merkel verständlicherweise Probleme, sich zu positionieren: Sie war noch CDU-Chefin und auf der Suche nach einer neuen Regierungsmehrheit. Doch was hindert sie heute, Stellung zu beziehen und Macron eine eigene Vision entgegenzusetzen?

Mir fallen nur zwei Möglichkeiten ein: Entweder hat sie schlicht und einfach keinen Plan für Europa – was auch impliziert, dass der deutsche Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) ein Verlegenheitskandidat ist, der das europapolitische Vakuum in Berlin (und München) füllen soll.

Oder aber Merkel und Weber hängen am Status Quo. Sie wollen das „deutsche Europa“ (U. Beck) verteidigen, so lange es geht – denn Deutschland hat mehr als jedes andere EU-Land von Binnenmarkt, Osterweiterung und Euro-Einführung profitiert. Dies wäre meine Arbeitshypothese.

Sollte sie stimmen, wäre die Frage, was passiert, wenn die deutsch geführte EU, also Merkel und Weber, scheitern sollten. Gibt es dann einen Plan B, jenseits von Brüssel? Oder ist man in Berlin und München tatsächlich so naiv, sich auf diesen Fall nicht einzustellen?

„Wir dürfen nicht Schlafwandler in einem erschlafften Europa sein“, hat Macron gesagt. Hat Merkel wenigstens diesen Satz gehört – und verstanden?

Siehe auch: „Die kommende Krise

Watchlist

  • Der Europäische Gerichtshof entscheidet im Fall Grüne/EFA gegen Monsanto, Cheminova und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Es geht um die Frage, ob und inwieweit EFSA und die Chemiekonzerne Studien über die möglicherweise gesundheitsschädigende Wirkung von Pestiziden zum Geschäftsgeheimnis erklären und unter Verschluss halten dürfen. Dem Urteil kommt grundsätzliche Bedeutung zu – für die Lebensmittelsicherheit, aber auch für die Transparenz.

Was fehlt

  • Die Grünen haben Bedingungen für eine Wahl des EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber gestellt. Der CSU-Politiker müsse auf umweltfreundlichen Kurs einschwenken und sich von Ungarns Orban distanzieren, sagte Listenführer Bas Eickhout. Gleichzeitig bekräftigen die Grünen jedoch, dass sie als neuen Kommissionschef nur einen Spitzenkandidaten akzeptieren wollen. Damit binden sie sich indirekt doch wieder an Weber, denn nur er hat eine Chance auf eine Mehrheit im Parlament. Wohin führt dieser widersprüchliche Kurs?