Hat Juncker mehr Transparenz gebracht?

Ein zentrales Versprechen der neuen EU-Kommission unter dem Luxemburger Juncker war mehr Transparenz. Ein Jahr später ist es zeit für eine Bilanz – sie fällt nicht begeisternd aus.

Geheime Gespräche zum TTIP-Abkommen mit den USA, Hinterzimmer-Sitzungen zur VW-Affäre, verschwiegene Treffen mit Industrievertretern: Insgesamt 7000mal trafen sich Kommissionsbeamte in den letzten 12 Monaten mit Lobbyisten, bilanziert „Transparency International“ (TI).

Gemeinsam mit den Grünen im Europaparlament wollen die TI-Experten nun ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Sie haben ein neues Programm entwickelt, mit dem sich Treffen mit Brüsseler Industrielobbyisten in Echtzeit und online abrufen und analysieren lassen. Das „Lobby Calendar Tool“ ist frei zugänglich und lässt sich direkt mit Kalendern wie Outlook verbinden.

„Wir haben schon mit der Sammlung der Daten für unsere Fraktion angefangen“, sagt Julia Reda von der Piratenpartei in Brüssel. „Wir hoffen, dass sich andere Fraktionen anschließen, auch die Kommission ist herzlich eingeladen“, ergänzt Philippe Lamberts, Fraktionschef der Grünen aus Belgien.

Die EU-Behörde habe zwar viele Versprechen zur Transparenz gemacht, jedoch kaum geliefert.

Bis heute müssen Europaabgeordnete bei der Kommission um Dokumente zu TTIP und zur Steuervermeidung betteln. Gleichzeitig werden Konzernvertreter mit offenen Armen empfangen, kritisiert TI-Experte Daniel Freund.

Der deutsche Internet-Kommissar Günther Oettinger habe sich öfter mit einer einzigen Firma – der Deutschen Telekom – getroffen als mit allen Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengenommen.

Die Kungelrunden werden zwar neuerdings in Oettingers Kalender ausgewiesen – genau wie bei allen anderen EU-Kommissaren. Doch noch immer haben sich nicht alle Interessenvertreter im Brüsseler Lobbyregister eingetragen – denn die Teilnahme ist freiwillig.

Zudem bleiben viele Einflussversuche im Europaparlament unentdeckt – also ausgerechnet da, wo EU-Gesetze verabschiedet werden.

Hier soll nun der neue Online-Kalender helfen. Doch das elektronische „Tool“ reicht nicht aus, es müsse durch ein verbindliches Register ergänzt werden, so Freund. Dafür setzen sich auch die Grünen ein.

„Die Intransparenz trägt dazu bei, dass Politiker das Gegenteil dessen tun, wozu sie gewählt worden“, klagt Lamberts. Das schade nicht nur den Wählern, sondern auch der Glaubwürdigkeit der EU.

P.S. Die EU-Kommission verspürt offenbar auch Nachholbedarf. Heute gab sie bekannt, dass künftig alle Dokumente zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP frei zugänglich sind – jedenfalls im Europaparlament.