Hartz IV für die Eurozone?

Beim EU-Gipfel hat sich Deutschland als Vorbild präsentiert. Wenn ihr die Krise überwunden wollt, müsst ihr es nur so machen wie wir, hieß die Botschaft von Kanzlerin Merkel an die Euroländer. Doch sie führt in die Irre, Hartz IV für alle ist kein Ausweg. Ein Gastbeitrag.

Von Max Reineke

Am deutschen Wesen soll die Welt genesen! Diese Weisheit stammt aus dem Gedicht „Deutschland Beruf“ von Edmund Geibel aus dem Jahre 1861, ist aber aktueller denn je. Die Eurokrise ist, wenn man deutschen Regierungspolitikern glauben schenken darf, in erster Linie auf die Strukturen in den mediterranen Krisenstaaten zurückzuführen, denen wir uns spätestens seit Beginn ihres ökonomischen Niedergangs wieder überlegen fühlen dürfen.

Im internationalen Vergleich steht die Eurozone bezüglich der Arbeitslosigkeit mittlerweile sehr schlecht dar. Die Arbeitslosenquoten der größten Volkswirtschaften der Welt sind wie folgt: USA: 8%, China: 4%, Japan: 4%, Brasilien: 5%, Großbritannien: 8%, Russland: 6%, Indien: 4%, im Vergleich dazu: Eurozone: 12%.

Fraglos ist die hohe Arbeitslosigkeit, z. B. in Spanien, nicht ausschließlich der schwachen Konjunktur und der Krisenpolitik der Eurozone zuzuschreiben. Sie lag auch in den 90er Jahren im Schnitt bei etwa 20% (nun 27%). Dennoch trägt auch die Krisenpolitik zu dieser Tragödie bei.
Die Eurozone als Ganzes verzeichnete in den letzten zwei Jahren ein Plus bei der Arbeitslosigkeit von 2%, während fast alle anderen Staaten ein klares Minus aufweisen konnten. 
Gleichzeitig zeigt sich eine fast lineare Beziehung zwischen den Sparanstrengungen einzelner Länder und der Auswirkung auf die jeweilige Wirtschaftsleistung.

Alternativlos sei diese Politik, so verlauten Draghi, Merkel und Co. Dabei zeigen andere Staaten, dass dies nicht so ist. Anstatt dass die Jugend, deren Beschäftigungschancen aufgrund der Krise in Europa deutlich schlechter geworden sind, die Krisenfolgen aufzubürden, tragen die Lasten der Krise dort eher die Sparer.

Angesichts der Tatsache der hohen Verschuldung vieler Staaten und Bürger eine logische Politik. Die Sparer sind die Kehrseite der Schuldner. Wenn Verschuldung eingedämmt werden soll, muss auch finanzielle Vermögensbildung eingedämmt werden.

Oder anders, es braucht einen Mechanismus, um die Güternachfrage zu stärken. Wenn Investitionsmöglichkeiten knapp sind und auch die Staaten weniger Vermögensgegenstände bereitstellen, besteht die Gefahr, dass einfache Geldhaltung zur Ersparnisbildung genutzt wird und damit die Güternachfrage geschwächt wird.

Nun könnte man argumentieren, dass Deutschland als Nettosparer in der Eurozone an einer solchen Lösung kein Interesse habe. Allerdings wäre dies kurzsichtig und oberflächlich.

Die Zahlungsbereitschaft der anderen Länder ist entscheidend für die Werthaltigkeit des deutschen Auslandsvermögens und dafür relevant sind ökonomische Erfolge, um die Zustimmung der Bevölkerung hoch zu halten. Noch ein paar Jahre ökonomische Stagnation in Italien oder Spanien und die Bürger werden wahrscheinlich eine Regierung wählen, die sich weigert enorme Zinszahlungen an das Ausland zu leisten.

Als historisches Beispiel sei hier Deutschland nach dem 1. Weltkrieg genannt. Der Versuch ein hohes Maß an Reparationszahlung aus einem krisengebeutelten Land zu extrahieren, endete zunächst in einem finanziellen Desaster für die Gläubiger und in späterer Folge in der bekannten Katastrophe des 2. Weltkrieges.

Deutschland kann kein Vorbild für die Eurozone sein – zumindest nicht bei der Verfolgung der derzeitigen Politik

Der deutsche Aufschwung im Anschluss an Strukturreformen war exportgetrieben. Die Leistungsbilanz schwenkte von -2% auf +6%. Das relativ günstigste Land zieht verstärkt die Exportindustrie an. Innerhalb der Eurozone entwickelte sich Deutschland dazu, global gesehen war China das Land mit dem stärksten Exportwachstum.

Außerhalb einer Währungsunion bedarf es anderer Methoden, um einen Exportboom herbeizuführen und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Neben einer schwachen Binnennachfrage, ausgelöst durch Kreditrestriktionen oder Austerität, ist die eigene Währung durch Geldpolitik zu schwächen.

In der Eurozone werden aufgrund der krisenbedingt fallenden Inflationserwartung aber mittlerweile die höchsten Realzinsen gezahlt, somit hat der Ruf nach Wettbewerbsfähigkeit durch fallende Löhne und Preise das Gegenteil bewirkt.

Japan hatte über Jahrzehnte stagnierende Löhne und Preise, ohne dass dies positive Wirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit gehabt hätte. Im Gegenteil, in der Krise stieg in Japan der Realzins am schnellsten, da der Nominalzins, aufgrund der niedrigen Inflation ebenfalls niedrig, weniger stark gesenkt werden konnte als in den anderen Staaten. Die Folge war ein stark steigender Yen, über den die Folgen des Platzens der Immobilienblase in den USA und Europa zum Teil nach Japan exportiert wurden.

In meinem ersten VWL-Buch stand als wirtschaftspolitsches Ziel noch das Erreichen einer ausgeglichenen Leistungsbilanz. Ich glaube es ist ein Fehler, dass dieses Ziel mittlerweile hierzulande vollkommen ignoriert wird, angesichts der Gefahren die eine unausgeglichene Struktur mit sich bringt.

Diesen Beitrag habe ich mit freundlicher Genehmigung vom Blog „Makrointelligenz“ übernommen, der Originaltext steht hier. Siehe zu diesem Thema auch „Das China der Eurozone“