Vom Schuldensünder zum Musterschüler – letzte Chance für Griechenland?
Vor sechs Jahren hat die EU noch über den Rauswurf Griechenlands diskutiert. Vor allem Deutschland plädierte für den Grexit. Nun stellt eine deutsche Kommissionschefin dem Land ein gutes Zeugnis aus – und gewährt Milliardenhilfen. Auch an den Finanzmärkten hat sich das Blatt gewendet.
Die EU-Kommission hat Griechenland grünes Licht für die Auszahlung von 30,5 Milliarden Euro aus dem europäischen Corona–Wiederaufbaufonds gegeben. Die Reformpläne Athens seien “ehrgeizig” und könnten “Griechenland in den kommenden Jahrzehnten umgestalten”, erklärte Behörden-Chefin Ursula von der Leyen.
Griechenland soll in den kommenden Jahren aus dem EU-Hilfsfonds 17,8 Milliarden Euro als Zuschüsse bekommen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Der Rest sind zinsgünstige Kredite. Zuvor hatten auch Portugal und Spanien grünes Licht aus Brüssel bekommen.
Die Zusage markiert eine Wende in der EU-Politik. Noch vor wenigen Jahren galt Griechenland als unzuverlässiger und hoffnungslos überschuldeter Partner. Kanzlerin Merkel und Ex-Finanzminister Schäuble brachten sogar einen “Grexit” ins Gespräch.
Der konnte zwar gerade noch verhindert werden, Frankreich und die EU-Kommission hielten dagegen. Doch Athen mußte sich einem strikten Spar- und Reformdiktat unterwerfen, das von dem deutschen Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Regling, überwacht wird.
Mittlerweile lobt auch Regling das Land für seinen Reformeifer. Und die Finanzmärkte, die in der Eurokrise auf die Pleite gewettet hatten, werfen Athen das Geld hinterher. Am Dienstag rutsche die Rendite für fünfjährige Bonds sogar in den negativen Bereich, meldet das “Handelsblatt”.
Auch das Rating hat sich verbessert. Allerdings ist die Staatsverschuldung – wie in allen EU-Ländern – im Zuge der Coronakrise gestiegen. Der nun vorgelegte Reformplan “Greece 2.0” könnte denn auch die letzte Chance für einen Neubeginn sein…
Siehe auch “Leyens Roadshow”
european
17. Juni 2021 @ 14:17
In der letzten Hartaberfair Sendung hat Weber von der EVP relativ direkt eingeräumt, was in Griechenland nach der Finanzkrise furchtbares angerichtet wurde, z.B. dass auch viele Griechen keinen Zugang mehr zur Gesundheitsversorgung haben. Eigentlich ging es um die verheerende Situation der Flüchtlinge, aber immerhin hat er erwähnt, dass es den Griechen nicht gut geht. Selbst der IWF und auch viele Ökonomen in Deutschland haben mittlerweile eingeräumt, dass so ziemlich alles falsch war, was man dort veranstaltet hat.
Ich freue mich, dass Griechenland nun endlich einen Hoffnungsschimmer hat, nachdem ca. 400.000 Menschen das Land verlassen haben und über 4200 sich im Zuge der “Rettung” das Leben genommen haben. Ich befürchte aber, dass die hardliner wie Schäuble und Co. nun auf den Plan kommen, und sich in ihren desaströsen Aktionen bestätigt sehen. Ist so ähnlich wie mit dem Brexit. Wird es in Zukunft gut laufen, wird man immer sagen, dass der Brexit gut war. Läuft es schlecht, wird man es auf den Brexit schieben. Das perfekte Allround-Argument.
Schäuble hat unlängst in der Financial Times wieder darauf gepocht, dass man nach der Krise wieder zu den Maastricht-Kriterien zurückkehren müsse. Ich bin davon überzeugt, dass er Anhänger dafür findet und sollte die CDU die Wahl gewinnen, wird Merz in verantwortlicher Position genau das wieder umsetzen wollen, in Deutschland und in der Eurozone.
Derweil fordert Clemens Fuest in diversen aktuellen Artikeln höhere Löhne und bessere Kinderbetreuung, damit Mütter vollzeit arbeiten gehen können. Das IfO-Institut war bisher nicht für solche “sozialistischen” Aktionen bekannt. 😉
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Ifo-Chef-fordert-hoehere-Loehne-article22616311.html