Von der Leyen muß weiter zittern
Eine Woche vor der entscheidenden Abstimmung im Europaparlament hat sich Kommissionschefin von der Leyen den Fraktionen der Sozialdemokraten, der Liberalen und der Grünen gestellt. Das Echo klingt gut, doch das Ergebnis ist nicht sicher.
Sowohl die Grünen als auch die Sozialdemokraten lobten die CDU-Politikerin nach stundenlangen Gesprächen in Brüsseler Hinterzimmern.
“Der Austausch mit Ursula von der Leyen war konstruktiv”, sagte R. Andresen von den Grünen. Man gebe ihr acht von zehn Punkten, hieß es bei den Sozialdemokraten.
Die Liberalen sind nicht so happy. “Nichts ist vereinbart, bis nicht alles vereinbart ist”, warnte V. Hayer von “Renew”. Vor allem die Zusammenarbeit mit der rechten EKR macht den Liberalen große Sorgen.
Von der Leyen hat zwar versprochen, keine formellen Bündnisse mit der EKR einzugehen. Doch mit Italiens Postfaschistin Meloni und einzelnen Abgeordneten will sie weiter zusammenarbeiten.
Reicht das, um ihr eine Mehrheit zu sichern? Das bleibt unklar. Nach Schätzungen fehlen weiter bis zu 50 Stimmen für eine Wiederwahl der Kommissionschefin.
Offenbar ist sie sich selbst ihrer Sache nicht sicher. Deshalb ist von der Leyen nicht wie geplant zum Nato-Gipfel nach Washington gereist, sondern lieber in Brüssel geblieben.
Außerdem geht sie nun auf die Grünen zu, die Mehrheitsbeschaffer werden sollen. Ihre konservative EVP, die Sozialdemokraten und die Liberalen reichen offenbar nicht.
Verbal macht sie jede Menge Zugeständnisse. So sollen die Genossen einen “Wohnungs-Kommissar” bekommen. Die Grünen dürfen sich über die Fortsetzung des “Green Deal” freuen.
Ob das am Ende auch eingehalten wird, steht auf einem anderen Blatt – eine schriftliche Koalitionsvereinbarung wird es wohl nicht geben…
Siehe auch “Zugeständnisse ohne Ende: So schwach ist von der Leyen”
P.S. Die Grünen wollen nun offiziell Teil der “Plattform für von der Leyen” werden – doch deren konservative EVP ist dagegen, denn sie will nicht schon wieder “linksgrün” regieren. Noch eine harte Nuss für VDL…
Thomas Damrau
12. Juli 2024 @ 07:39
@Kleopatra
Sie beschreiben exakt die schräge Logik der NATO:
1) 1989 NATO: „Keine Osterweiterung“ (da es bei existierendem Warschauer Pakt eh nix zu erweitern gibt)
2) Russland: Prima, dann setzen wir auf Frieden und lösen den Warschauer Pakt (und danach die UdSSR) auf.
3) NATO: Ey cool, damit gibt es die Vertragspartner nicht mehr, denen wir etwas versprochen haben. Folglich: Go East! (Und morgen die ganze Welt!)
Das mag man juristisch erklären können, hat aber mit ethischen „Werten“ nix zu tun – eher mit GanovenEhrenwort.
Kleopatra
12. Juli 2024 @ 18:05
1989/1990 wurde über die NATO in der DDR bzw. „Neufünfland“ verhandelt. Die Entwicklungen waren in jenen Jahren recht schnell, so dass man 1990 nicht gedacht hätte, dass ein Jahr später der Warschauer Pakt schon weg sein würde. Es gab allerdings auch ein Ereignis, das jedem deutlich machte, dass jede Gelegenheit, sich aus der russischen Beherrschung zu befreien, genutzt werden musste, und das war der Augustputsch in der Sowjetunion. Er war für die Sowjetrepubliken der Anlass, sich von der UdSSR loszusagen, und er machte allen Ost- und Mitteleuropäern deutlich, dass man sich nicht auf Dauer darauf verlassen konnte, dass in Moskau eine freundliche Führung an der Macht sein würde. Im Zweifel war der Augustputsch somit ein Argument für den NATO-Beitritt.
Und zum x-ten Mal: Die NATO ist kein durch Eroberung zusammengestohlenes Reich, sondern ein Bund von Staaten, die durch den gemeinsamen Wunsch nach einer effektiven Verteidigung gegen Russland zusammengehalten werden. Das ist für Russland nicht im mindesten bedrohlich, solange Russland eben nicht auf dumme Expansionsgedanken kommt.
Thomas Damrau
12. Juli 2024 @ 18:48
@Kleopatra
Das ist jetzt aber Geschichtsklitterung vom Feinsten: Nach dem Putsch ist mit Jelzin ein (von Alkohol umnebeltes) Schoßhündchen des Westens an die Macht gekommen, der die feuchten Träume der Neoliberalen in den USA von einem unregulierten Markt in Russland umgesetzt hat – alles andere als ein reaktionäres Back-to-the-Zar.
Ein unregulierter Markt, dessen fatale Folgen auf die Vermögensverteilung in Russland erst den Wunsche nach einem harten Führer (Putin) erzeugt hat, der wieder Ordnung ins Chaos bringt.
Das jetzt als Motivation für die Osterweiterung (noch unter Jelzin) anzuführen, ist schon dreist …
Kleopatra
13. Juli 2024 @ 06:19
Lieber @Thomas Damrau, die Mittel- und Osteuropäer hatten seit 1945 soviel negative Erfahrungen mit den Russen (auch „Sowjets“) gesammelt, dass es für ihren Wunsch, durch ein Bündnis mit einer starken nichtrussischen Macht gegen Russland abgesichert zu sein, gute Gründe gab, und dass die Frage, wer konkret in Russland regierte, zweitrangig war (dh. bei einem anderen russischen Präsidenten als El’cyn hätten sie auch der NATO beitreten wollen). Der Augustputsch 1991 dürfte m.E. einfach für Alle als Erinnerung gedient haben, dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass eine gegenwärtige russische Regierung nicht über Nacht durch eine höchst widerwärtige abgelöst wird.
Wenn El’cyn bei Ihnen ein bloßes „Schoßhündchen des Westens“ ist, was ist dann sein von ihm selbst installierter Nachfolger Putin?
Monika
11. Juli 2024 @ 12:27
…Ob das am Ende auch eingehalten wird, steht auf einem anderen Blatt – eine schriftliche Koalitionsvereinbarung wird es wohl nicht geben…
Nur wer schreibt der bleibt, sollten wir doch aus den “Versprechungen” der NATO von “kein Schritt nach Osten” gelernt haben! Wenn sie es nicht aufschreiben wollen, braucht man gar nicht weiterzureden… und selbst wenn es aufgeschrieben ist, ist nichts in “Stein gemeisselt” und selbst wenn es in Stein gemeißelt wäre? Zerbrechen die Platten an der “Realität”. Und selbst die ist nicht sicher … Ist womöglich der Stammtischbruder mit seinem “Nix gwieß waaß ma net” der Philosoph der Stunde?
Kleopatra
12. Juli 2024 @ 06:57
Koalitionsvereinbarungen sind rechtlich gesehen unverbindlich. Internationale Verträge sind völkerrechtlich verbindlich. aber gerade wegen der rechtlichen Verbindlichkeit ist es entscheidend, was im Vertrag steht und was sich ein Vertragspartner nur erhofft hat. Außerdem waren alle Ideen, ob die NATO Staaten östlich ihrer Ostgrenze von 1989 aufnehmen soll/kann/dürfte, die in den Jahren 1989 und 1990 geäußert wurden, nach der Auflösung des Warschauer Paktes im Juli 1991 überholt.
exKK
13. Juli 2024 @ 01:20
„Koalitionsvereinbarungen sind rechtlich gesehen unverbindlich.“
Wer hat Ihnen das denn gesteckt? Koalitionsvereinbarungen können sehr wohl Verträge sein, die einzuhalten sind – und das sind eben auch mündliche Verträge nach bürgerlichem Recht.
Die bereits reichlich gebrochenen Koalitionsvereinbarungen der deutschen Ampel zB werden ausdrücklich als „Koalitionsvertrag“ bezeichnet. Leider hat der Bürger/Wähler kein Recht, auf Vertragserfüllung zu klagen, das hätten im Prinzip nur die Vertragspartner. Aber die geben sich ja hinsichtlich mangelhafter Vertragstreue alle überhaupt nichts, da können wir also nichts erwarten… Politiker sind heutzutage mehrheitlich im Prinzip eine vom Steuerzahler alimentierte Drückerkolonne.
Arthur Dent
11. Juli 2024 @ 09:05
Ach, die Ärmste – sie ist ja nicht mehr die Jüngste und sollte mehr auf ihre Work-Life-Balance achten. Also: nicht so viele Überstunden, nicht immer präsent sein und lernen, auch mal nein zu sagen. Auch ehrenamtliches Engagement – als Vorlese-Oma oder als Hilfe bei der Essensausgabe einer Lebensmitteltafel – können sehr erfüllend sein.
Also, jetzt nur mal so als Idee, falls das mit dem Chefposten nicht klappt.
Michael
10. Juli 2024 @ 18:19
UvdL verteilt Geschenke ! Das zeigt nur wie korrumpiert diese Personalie aber auch Brüssel insgesamt !
exKK
11. Juli 2024 @ 01:51
vdL würde ich auch bei einer mit Blut unterschriebenen schriftlichen Koalitionsvereinbarung nicht über den Weg trauen. Da lass ich mich lieber auf vorbestrafte Trickbetrüger ein, die haben wenigstens für ihre früheren Verfehlungen gebüsst…