Grüne Königsmacher? – “Sensation für Sonneborn”
Nach der Europawahl ist vor dem Machtkampf in Brüssel. Dort wird nun der Thronfolger von Jean-Claude I. gesucht. Vor allem Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron macht Druck. Doch die Grünen wollen auch ein Wörtchen mitreden. Könnten Sie am Ende den CSU-Mann Manfred Weber inthronisieren?
Wer wird der Königsmacher in der EU? Und wer wir der König – oder die Königin? Seit der Europawahl kreisen in Brüssel alle Diskussionen um die Frage, wie sich aus der geschrumpften Mitte im neugewählten Parlament und den fragmentierten parteipolitischen Lagern eine neue EU-Kommission schmieden läßt.
Das „Game of Thrones“ ist eröffnet – auch wenn der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Frans Timmermans, erklärte, zunächst solle es um die Inhalte und den künftigen Kurs gehen. Erst danach, so der Niederländer, wolle er über die Nachfolge von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprechen.
Eine Vorentscheidung könnte bereits beim EU-Gipfel am Dienstagabend fallen. Auf Einladung von Ratspräsident Donald Tusk treffen sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel, um erste Lehren aus der Wahl zu ziehen und sich auf das weitere Vorgehen zu einigen. Das Abendessen dürfte turbulent werden.
Bisher macht vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Druck. Bereits beim letzten, informellen EU-Gipfel vor zwei Wochen in Sibiu (Rumänien) hat sich Macron gegen den Spitzenkandidaten der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, ausgesprochen und versucht, das Verfahren an sich zu reißen.
Er fühle sich nicht an die Kandidaten-Prozedur gebunden und wolle für eine „Renaissance“ der EU werben, sagte Macron. Zehn vorwiegend liberale EU-Chefs schlossen sich dieser Haltung an. Sie fühlen sich durch das Wahlergebnis bestätigt, das ihnen 109 Sitze und damit die drittgrößte Fraktion im neuen Europaparlament sichert.
Doch auch die Grünen möchten gern Königsmacher spielen. Sie feierten sich schon am Wahlabend als Sieger und versuchen nun, die „grüne Welle“ in eine aktive Klima- und Umweltpolitik umzusetzen. Im Gegensatz zu Macron und den Liberalen wollen sie aber nur einen EU-Kommissionschef mittragen, der auch Spitzenkandidat war.
Neben Weber käme damit nur Timmermans infrage – und vielleicht noch die liberale Kandidatin Margrethe Vestager. Timmermans wirbt bereits aktiv um die Grünen. Er verspricht, den Klimaschutz zur obersten Priorität der nächsten EU-Kommission zu machen. Doch die Grünen halten sich alle Optionen offen.
Aus Sicht eines ihrer Vordenker ist dies ein schwerer taktischer Fehler. “Ich würde es für skandalös halten, wenn die Grünen Weber unterstützen”, sagte der langjährige grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit dem Berliner “Tagesspiegel”.
Weber stehe “für die abwartende Haltung der Bundesregierung gegenüber den europäischen Reformplänen Macrons”, meint der Macron-Vertraute. Damit hat er natürlich Recht. Doch die Grünen schielen auch nach der Macht in Deutschland – und da könnte ihnen Weber vielleicht noch nützlich sein…
Siehe auch “Für Weber wird es sehr eng” und “Neue Mehrheit verzweifelt gesucht”
Watchlist
- Wie geht es in Österreich weiter? Am Montag wurde Kanzler Sebastian Kurz erwartungsgemäß durch ein Misstrauensvotum gestürzt. SPÖ und FPÖ machten gemeinsame Sache – und stürzten das Land in eine nie dagewesene Krise. Das Ganze ist eine Nebenwirkung des Ibiza-Gate, das in den Medien gern als russische Verschwörung dargestellt wurde. Ironie von der Geschicht’: Die konservative EVP verliert nun ihren Hoffnungsträger – und das nur einen Tag, nachdem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel geschwächt wurde!
- Kommt nun die Eurokrise um Italien? Wie erwartet, will die EU-Kommission nun – nach der Europawahl – gegen die Schulden in Italien vorgehen. Die EU-Kommission könnte bereits am Mittwoch kommender Woche ein Strafverfahren wegen übermäßiger Schulden einleiten. Italiens Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini forderte dagegen nach dem Sieg seiner Partei bei der Europawahl eine Lockerung der Defizitregeln.
Was fehlt
- Die “Europawahl-Sensation für Sonneborn und Semsrott“. So nennt der “Merkur” den Überraschungs-Erfolg für die PARTEI. Bei der Europawahl in Berlin überholte das durchaus ernst gemeinte Satire-Duo sogar die FDP! Auch die Linke sieht im Vergleich verdammt schwach aus, wie die “Nachdenkseiten” anmerken. Vielleicht liegt es einfach daran, dass die Linken alles viel zu ernst nehmen – und sich lieber gegenseitig fertig machen, statt die Verhältnisse zum (traurigen) Tanzen zu bringen, wie es Semsrott so gut beherrscht?
- Das Debakel der “Gelbwesten” bei der Europawahl. Die beiden Listen erreichen in Frankreich weniger als ein Prozent der Stimmen – und das nach sechs Monaten voller Proteste und Demonstrationen. Auch die radikale Linke, die sich den “Gelbwesten” verbunden fühlte, schmiert ab. Bedeutet das das Ende der Bewegung? Zuletzt waren nur noch wenige Tausend Menschen auf die Straßen gegangen. Präsident Macron, der bei der Wahl einige Federn lassen mußte, hofft jedenfalls, wenigstens an dieser “Front” zu gewinnen…
Peter Nemschak
28. Mai 2019 @ 11:05
Die Reform des Eurosystems wird noch bis zur nächsten Eurokrise warten müssen.
Holly01
28. Mai 2019 @ 08:56
Wie es aussieht möchte AKK als Parteivorsitzende einer christlichen und demokratischen Partei die rein zufällig auch noch die Kanzlerin stellt, an den Stellschrauben der Meinungsfreiheit “nachjustieren”.
Da haben sich einige nicht an den deutschen Konsens gehalten:
“Man darf in Deutschland sagen was man will, weil keiner zuhört, aber wenn da Leute zuhören, darf man nix mehr sagen”
Eine Wahlempfehlung gegen CDU und SPD erscheint ihr inakzeptabel. Ich fand das ja eher passend das da mit CDU, SPD und AfD die Gesellschaftszerstören mal in einem Topf saßen.
Schade das er den Rest der Mischpoke außen vor gelassen hat, was den Eindruck erweckt hat, die könnte man zur Not wählen.
Aber AKK war das schon zu viel von einem guten Anfang.
Nachdem die Medien recht inhaltslos herumgeeiert sind “das könnte man ja nicht so sagen wie es Rezo getan hat” (dabei hatte er es ja gerade gesagt), aber keine Gegenbeweise gefunden haben und postwendend widerlegt wurden, ist der Konsens der “liberalen Elite” man behauptet das “sei so jedenfalls nicht richtig”.
Mal sehen, da fehlt ein Informationsmonopol der Parteien.
Na kommt, ist doch nur ein kleiner Schritt von “die Parteien dienen der Meinungsbildung” zu “die Parteien haben die Aufgabe der Meinungsbildung” und alle anderen haben den Mund zu halten.
Unsere Parteiendiktatur läuft doch so gut, das wollen wir doch nicht gefährden oder?
vlg
ebo
28. Mai 2019 @ 09:08
AKK ist nicht allein. Die EU versucht ja auch ständig, die freie Meinungsäußerung in den neuen “sozialen” Medien zu reglementieren. Jeder, der die Europawahl kritisierte, wurde als “russischer Agent” oder Putin-Troll abgetan. Die nächste Kampagne läuft schon: Wer nicht für AKKs und Merkels Posterboy Weber ist, wird als Feind der europäischen Demokratie dargestellt. Aber da soll man sich nicht bange machen lassen. All das zeigt nur, dass das alte Establishment aus CDU/CSU/EVP um seine Macht fürchtet – zu Recht!
Peter Nemschak
28. Mai 2019 @ 11:11
Die Spitzenpolitiker aller Parteien wurden vor der Digitalisierung sozialisiert und stehen dieser hilflos gegenüber. Sie wirken alle alt. Selbst jene, die sie beraten, sind von der Eigendynamik des Netzes überrascht.
zykliker
28. Mai 2019 @ 14:35
„Haltet den Dieb!“ schreit der Räuber. Wer hat denn jahrzehntelang von der Meinungsmache politisch gelebt, obwohl ihre Politik gegen die Interessen der meisten ihrer Wähler gerichtet war? Von der Kanzel, aus den Propaganda-Labors der Springer-Presse und anderer…. Dieses Gesindel hat wirklich verinnerlicht und vermittelt, daß sie die einzigen „natürlichen Amtsinhaber“ seien, wie ein aus dem Kaisertum herübergerettetes „Gottesgnadentum.“ Und sie mußten diesen Anspruch auch leben, denn sie waren selbst ja nie die wirklichen Inhaber der Macht, sondern nur die vorgeschobenen Puppen (Funktionselite!) der dahinter stehenden Interessen.
Andere Parteien, Konkurrenz dazu? Nur für kurze Zeit: Willy Brandt; Wehner und seine Tiraden muß man erlebt haben, damit man verstehen kann, was diese angepaßten Schwachmaten heute für eine erbärmliche Figur abgeben. Grüne? nur bis zur Korrumpierung durch Mandat und Amt.
Ein Verweis auf Hilflosigkeit im Umgang mit dem „neuen“ Medium trifft nur eine nebensächliche Äußerlichkeit. Kern der Sache ist das immer schon fehlende Demokratieverständnis der sich als unfehlbar und unersetzbar darstellenden Puppen, die in höherem Auftrag handeln oder meistens eher nichts tun.
Ob die Grünen aus der Steilvorlage „Klima…“ wirklich verantwortungsvolles politisches Handeln ableiten, und wievielen Menschen eine solche Politik dann zugute kommt, wollen wir erst mal abwarten. Eher erwarte ich Grausamkeiten, zu denen das lavierende Merkel/AKK zu feige war/ist/gewesen sein wird.
Eine politische Kaste, die derart vor den Herausforderungen (tlw. in höherem Auftrag?) versagt, züchtet geradezu den Populismus von rechts. Aber auch hier hört man wieder nur sinngemäß: „Haltet den Dieb!“
Oudejans
28. Mai 2019 @ 16:31
>>”AKK ist nicht allein.”
Naja, vielleicht doch ein bißchen.
https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-05-28/merkel-sees-succession-plan-unraveling-because-akk-not-up-to-job
>>”Wer nicht für AKKs und Merkels Posterboy Weber ist, wird als Feind der europäischen Demokratie dargestellt.”
Lassen Sie hören, Sie russischer Putin-Troll-Agent, Sie asymmetrischer.
zykliker
30. Mai 2019 @ 08:20
https://verfassungsblog.de/kramp-karrenbauer-und-der-autoritaere-konservatismus/