“Große Nachfrage nach mehr Europa”
US-Präsident Trump und UK-Premier May wollen ihre “special relationship” ausbauen, auf Kosten der EU. Doch der Schuß könnte nach hinten losgehen, hieß es auf einer Expertentagung in Bordeaux.
“Migration, Populismus und Brexit – die EU in der Krise” hieß die Veranstaltung im Goethe-Institut, an der ich teilgenommen habe. Die erste Bestandsaufnahme fiel ziemlich düster aus.
Denn der Machtwechsel in Washington könnte die “Polykrise” der Union noch verstärken. Wenn sich eine neue Achse Washington-London bildet, wird es die EU noch schwerer haben.
Experten aus Paris und Berlin sehen dennoch einen Hoffnungsschimmer. Vor allem in den Bereichen äußere und innere Sicherheit gebe es große Nachfrage nach mehr Europa.
Das haben auch Meinungsumfragen bestätigt. Nach dem Brexit ist die Zustimmung zur EU sprunghaft angestiegen, auch die Freizügigkeit im Schengen-Raum wird nun wieder mehr geschätzt.
Hohe Zustimmungs-Raten haben zudem die Pläne, die Verteidigungs-Zusammenarbeit auszubauen. Dabei kommt auch Frankreich wieder ins Spiel, das als Nuklear- und Vetomacht besser dasteht als Deutschland.
Allerdings schiebt die EU die nötigen Beschlüsse vor sich her – erst bei einem Sondergipfel im März sollen sie fallen. Und die Briten stehen bei der Verteidigung immer noch auf der Bremse.
Wenn es Deutschland und Frankreich ernst meinen, werden sie May also zur Ordnung rufen müssen – und zwar schnell. Denn Mays neuer Buddy Trump schafft Fakten – jeder Tag bringt eine neue böse Überraschung…
Siehe auch “Does the anglo-saxon axis threaten Europe?
S.B.
27. Januar 2017 @ 13:53
“Nach dem Brexit ist die Zustimmung zur EU sprunghaft angestiegen, auch die Freizügigkeit im Schengen-Raum wird nun wieder mehr geschätzt.”
Also seit dem Terror-Anschlag hier in Berlin und den tollen Geschichten, wie frei sich ein Terrorist in der EU ohnehin bewegen kann, bin ich auch wieder total pro EU und will auch endlich wieder genauso unkontrolliert reisen…. Ironie aus.
Wer hat denn den Käse wieder in die Welt gesetzt? Die EU-Anstalt für “strategische Kommunikation” (altdeutsch: Propaganda)? Meine Güte, das muss wirklich das Endspiel sein…
kaush
27. Januar 2017 @ 18:24
Diese Umfrage scheint mir recht nahe an der Realität zu sein (anders als die öffentlich-rechtliche Propagandaschau):
“…Ein kürzlich erschienener Bericht der PR- und Kommunikationsagentur Edelman konstatiert, dass das Vertrauen weltweit in der Krise steht. Seit 2012 bringt das Unternehmen einen jährlichen “Vertrauensbarometer” heraus und konstatiert jetzt, dass das Vertrauen in die vier gesellschaftlich wichtigen Institutionen – Privatwirtschaft, Regierung, NGOs und Medien – tief abgesunken sei. Die Menschen würden zunehmend nicht mehr glauben, dass das System für sie arbeitet, womit sie ja nicht Unrecht haben. Die Sorgen vor der Globalisierung, der Innovationsgeschwindigkeit und der zerfallenden gesellschaftlichen Werte würde sich in Angst verwandeln und damit populistische Bewegungen fördern, die in westlichen Demokratien stärker würden…”
https://www.heise.de/tp/features/Mehrheit-sagt-das-System-funktioniert-nicht-mehr-3606693.html
Es lohnt sich die einzelnen Folien bei http://www.edelman.com/global-results/ anzuschauen.
Da sieht man beispielsweise, dass immerhin noch 25% der Franzosen Vertrauen in ihre Regierung haben (in Deutschland 38%). Da liegt man auf einem Niveau mit Mexiko und Brasilien. Da kann man aber mal stolz sein… Auweia
Bei den Top 5, wo die Bürger am meisten Vertrauen in ihre Regierung haben, ist überhaupt kein Land des gelobten Westens dabei.
Wie kann denn das sein?
Oudejans
27. Januar 2017 @ 20:40
Das Vertrauen ist ja nicht weg. Es hegen nur andere.
kaush
27. Januar 2017 @ 12:58
“Experten aus Paris und Berlin sehen dennoch einen Hoffnungsschimmer.”
Da muss ich an Goethe denken: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.”
Bei dem Spitzenpersonal, in Berlin, wie in Paris, kann da nichts gescheites herauskommen. Ausgeschlossen.
Peter Nemschak
27. Januar 2017 @ 12:05
Das “spezielle” Verhältnis USA – UK ist nicht neu ebenso wie das zwiespältige Verhältnis zum europäischen Kontinent. Trump behandelt May wie einen Kunden, an dem er eine goldene Nase verdienen will. May ist gut beraten, ihre Brieftasche fest zu halten. Trump geht durch sein Verhalten mit der soft power der USA sehr verschwenderisch um: sie ist begrenzt wie alles in der Welt. Kredit lässt sich leicht verspielen, aber, einmal verspielt, nur schwer zurückgewinnen.