Kein Fortschritt bei Erdogan-Besuch: Was die EU nun tun sollte
Ist es ein Zeichen der Schwäche? Der türkische Sultan Erdogan hat sich mitten in der – von ihm selbst provozierten – Grenzkrise mit Griechenland nach Brüssel eingeladen. Doch die Krisenrunde endete ohne greifbares Ergebnis. Was soll, was kann die EU nun tun?
Guter Rat ist teuer – es denn, man verlässt sich auf den Politikberater G. Knaus, der von allen deutschen Medien hofiert wird, oder auf Kanzlerin Merkel.
Merkel setzt sich „mit ganzer Kraft“ dafür ein, „dass das EU-Türkei-Abkommen in eine neue Stufe überführt werden kann“. So ähnlich klingt es auch bei Knaus.
Leider war der Merkel-Deal nie ein „Abkommen“. Er war eine rechtlich unverbindliche Regelung zu Lasten Dritter – nämlich der Flüchtlinge und Griechenlands.
Diese Regelung ist nun krachend gescheitert – an der zynischen Politik Erdogans. Mit demselben Mann nun denselben Deal abzuschließen, sozusagen als „Flüchtlingspakt 2.0“ macht wenig Sinn.
Deshalb hier ein paar Ideen, die sich aus meinen Recherchen in Brüssel ergeben. Im Gegensatz zu Knaus kann ich leider keinen fertigen Plan aus der Tasche ziehen…
- Erdogan zur Räson bringen. Kommissionschefin von der Leyen hat Recht: Der Sultan muß den Druck von der Grenze nehmen und sich um die dortigen Migranten kümmern. Vorher kann es keine Verhandlungen geben.
- Mit Sanktionen drohen. EVP-Fraktionschef Weber fordert, mit der Aussetzung des Zollabkommens mit der Türkei zu drohen. Auch das muß man erwägen, falls Erdogan seine hybride Kriegsführung nicht bald beendet.
- Den Geldhahn zudrehen. EU-Budgetkommissar Hahn will weniger Hilfen für die Flüchtlinge in der Türkei bewilligen. Denn die Infrastruktur (Schulen, Kitas etc.) steht, andere Länder wie Libanon sind stärker belastet.
Dies wären die Sofortmaßnahmen, die auch schon in Brüssel diskutiert werden. Nun kommt es darauf an, sie durchzusetzen – zur Not auch gegen Berlin.
Alles Weitere hängt von der Strategie ab, die die EU verfolgt. Will man die Türkei wieder enger einbinden, wie Deutschland – oder isolieren, wie Frankreich?
Wer sie einbinden möchte, darf dies nicht länger auf dem Rücken Griechenlands und der Flüchtlinge tun. Die Türkei darf nicht mehr der Türsteher sein.
Statt eines „Flüchtlingsdeals 2.0“ mit Erdogan braucht es einen Plan, der eine faire Lastenteilung in der gesamten Region bringt. Libanon braucht auch Hilfe!
Zudem muß die EU endlich das Problem der innereuropäischen Verteilung angehen. Von der Leyen muß Druck auf Ungarn, Polen & Co. machen, damit sie auch Flüchtlinge aufnehmen.
Schließlich war das die Ansage in Brüssel seit 2016: Erst Schutz der Außengrenzen, dann Umverteilung. Nun ist die Zeit gekommen, das einzufordern…
Siehe auch Erst Grenzschutz, dann Umverteilung – gilt das noch?
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Watchlist
Macht die EU endlich Ernst im Kampf gegen das Coronavirus und die wirtschaftlichen Folgen? Das dürfte eine Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs erweisen, die am Dienstag geplant ist. Die EU-Kommission ist bei der Koordinierung gescheitert – nun könnte sich zeigen, wer auf der Bremse steht und was wirklich geht… – Mehr hier
Was fehlt
- Coronavirus I: EU Parliament cuts length of plenary and scraps votes due to coronavirus – Der Verzicht auf die Straßburg-Woche hat nichts gebracht, nun gibt es nicht einmal mehr Abstimmungen…
- Coronavirus II: Tirol und Kärnten führen am Dienstag Fieberkontrollen für den Auto- und Bahnverkehr an der Grenze zu Italien ein. – Aber Schengen lebt!?
- Außenpolitik I: Krisen befeuern weltweiten Waffenhandel – Vor allem Deutschland und Frankreich prfitieren von der wachsenden Nachfrage!
- Außenpolitik II: Das steckt hinter der EU-Afrika-Strategie – ein Gastbeitrag der beiden zuständigen EU-Kommissare
- Flüchtlingspolitik: Detention, torture and killing … how the EU outsourced migration policy – Ein (leider) sehr treffender Kommentar
Holly01
10. März 2020 @ 11:24
Also macht Euch Mal keine Sorgen, das es weniger als 2 Jahre dauert, ehe wir erfahren, was heute/morgen wirklich gelaufen ist. Das geht im Trommelfeuer der gelenkten „Informationen“ alles ganz gepflegt unter …
Da können wir uns auch ganz entspannt zurück lehnen und die show genießen.
Jemand Popcorn und Cola?
In den Größenordnungen kann keiner von Uns etwas effektives unternehmen.
vlg
Florian
10. März 2020 @ 09:29
Erdogan wäre besser gleich nach Den Haag statt nach Brüssel geflogen.
Peter Nemschak
10. März 2020 @ 13:13
Durch den Rückzug der USA ist in der Region ein ohnedies labiles Gleichgewicht verloren gegangen. Die EU kann die USA als Ordnungsmacht nicht ersetzen, was lokale Machthaber wie Erdogan auf den Plan ruft Expansionspolitik zu Lasten der EU zu betreiben.
Holly01
10. März 2020 @ 13:34
So ein Zufall …..
“ https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8211/ “
vlg
Oudejans
10. März 2020 @ 00:14
Die FAZ meldet ganz im Gegenteil ein Angebot der EU zu Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen etc., falls gewisse Bedingungen erfüllt würden.
Also im Kern: Menschengruppen mit Polizei-/Feuerschutz gegen eine EU-Grenze treiben -> Beitrittsverhandlungen.
Das kann doch alles nicht mehr ernst gemeint sein…
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/erdogan-in-bruessel-eu-spitzen-gehen-auf-die-tuerkei-zu-16671667.html
ebo
10. März 2020 @ 08:56
Na klar, die EU will den Merkel-Deal retten, und Erdogan fordert dasselbe wie 2016, natürlich hoch drei. Und Deutschland ist erpressbar, weil Merkel immer noch da ist…
Holly01
10. März 2020 @ 09:58
Merkel „ist immer noch da“ weil sie etwas verkörpert, genau wie das bei Kohl war.
Schröder war „da“ weil er etwas bereit war zu tun, für das keiner in der CDU zur Verfügung stand.
Merkel weg …. die Strukturen existieren weiter ….
Merz steht ja nicht umsonst als Drohung im Raum.
Erst schauen, was diese extremen Umverteilungen nun mit sich bringen.
Die Spielen ja an der Börse gerade Partnertausch bzw. die Amis füllen die Geldspeicher auf.
So lange niemand weiß wie viel sich der US Kapitalmarkt holt und wo das nachher eingespart (umverteilt) werden muss, kann man nur wenig sagen.
In einem Vasallenstaat, muss man nicht die eigene Elite im Auge haben (auch aber die sind nicht wichtig, nur übergewichtig), da muss man den Hegemon im Auge behalten.
Das Fracking funktioniert nur wenn der Ölpreis ein bestimmtes Niveau hält und das tut er gerade nicht.
Also, werden die US Banken die Lücke mit Krediten füllen oder schreiben die die Fracking Kredite ab? Das ist eine politische Entscheidung.
Wir Saudi Arabien weiter finanziert? Das ist eine politische Entscheidung, denn wenn nicht, dann lösen die ihre Reserven auf und ziehen das Geld aus allen Anlageklassen, das ist dann auch ein ( in der Wirkung) Angriff auf den US Kapitalmarkt.
Werden die Notenbanken eine Summe im Bereich von 10-20 Billionen in den Kapitalmarkt drücken, damit der nicht austrocknet? Werden die dann genug politische Unterstützung erhalten, damit die Inflation in den Anlageklassen nicht überschäumt?
Werden die Banken rekapitalisiert oder lässt man ein paar in die Insolvenz, damit da Abschreibungen gebündelt werden?
Das sind alles politische Entscheidungen, die keiner vorhersagen kann, weil das aus den USA entschieden wird …
Die Türkei sah vor dem Massaker schon schlecht aus ohne Hilfe von Aussen (und wer sollte denen noch helfen?) kippen die um. Die Kriegskosten plus Rezession plus 2,6 Mio Flüchtlinge“ plus überdrehte Rüstungsausgaben, das packen die nie im Leben.
Erdogan erpresst nicht, der bettelt …..
vlg
ebo
10. März 2020 @ 10:21
Merz würde härter gegenüber der Tprkei auftreten als Merkel. Die Noch-Kanzlerin ist erpressbar, weil nun der Deal auf der Kippe steht, mit die sich 2016 mit Ach und Krach aus der Affäre gezogen hat. Nicht zufällig richten sich alle Augen auf Berlin, nicht zufällig fordert Merkel nun eine „zweite Phase“ des Flüchtlingsdeals. Sie will nicht zugeben, dass ihre Politik gescheitert ist.
Holly01
10. März 2020 @ 10:36
@ Ebo:
Fällt mir schwer das zuzugeben, aber Merkels „deal“ war das beste was die Situation her gab.
Die „Wirtschaftsführer“ konnten den Speichel ja kaum zurückhalten, bei dem Gedanken an neue Lohnsklaven, mit noch geringeren Hürden.
Die Presse hat ja die „Willkommenskultur erfunden“ und mit „Menschlichkeit“ gleichgesetzt ohne auch nur einen Gedanken zu verschwenden, wie das nachher funktionieren soll.
Jetzt haben wir nicht 12 Mio Menschen ohne Arbeit von der man sich ernähren kann sondern 14 Mio und das Sozialsystem ist immer noch eine Katastrophe.
DAS ist Menschlichkeit in Deutschland.
Ich verstehe gar nicht warum „Hurensohn“ eine Beleidigung sein soll. Haben Sozialgerichte nicht geurteilt, das Prostitution eine ganz normale Arbeit ist und das die nicht verweigert werden darf im H4 Albtraum?
Haben wir die Sippenhaft nicht abgeschafft und ist der Sohn einer Hure nicht genau so viel wert wie der Sohn eines Chefarztes?
Wie doppelt ist diese Moral denn inzwischen?
Nein, der deal hat befriedigt, was die deutsche Elite wollte und beendet, was die EU Partner eben nicht wollten.
Heute halten die EU Partner den Druck so hoch, das Merkel den deutschen Eliten glaubhaft versichern kann, das es jetzt eben nicht geht.
Der deal war erbärmlich, aber er hat „getan“ wofür er gemacht wurde, das ist praktische Politik.
Das die Türkei die karten neu gemischt hat, dürfte kaum an der Türkei liegen, sondern an dem Putsch der da war. Neue Besen, neue Kehrwoche, neue Forderungen…..
ebo
10. März 2020 @ 10:58
Es war ein Deal zulasten Dritter – nämlich Griechenlands und der Flüchtlinge. Für Deutschland war er dagegen günstig, das ist wohl wahr. Ohne den Deal mit Erdogan hätte Merkel ihren Job verloren….
Holly01
10. März 2020 @ 11:26
Griechenland?
Wer monetär aufhört zu existieren, hat jeden Einfluss auf sein Schicksal verloren …
Wer finanziert, bestimmt was gespielt wird.
vlg
Peter Nemschak
10. März 2020 @ 13:09
Würden es die Grünen in Deutschland anders als Merkel machen ?
ebo
10. März 2020 @ 13:18
Vermutlich nicht, sie setzen ja auf Merkel. Aber mit Merz würde es anders laufen, da bin ich mir ziemlich sicher. Auch Laschet hat einen härteren Kurs gegen Erdogan gefordert.
Holly01
9. März 2020 @ 18:30
Deutsche Bank 5,90€ Marktkapitalisierung 16 Mrd. € Bilanzsumme 1348 Mrd. €
Commerzbank 3,66€ Marktkapitalisierung 5,4 Mrd. € Bilanzsumme 462 Mrd €
Ich bin sicher, die sind gut kapitalisiert ;-P
vlg
Peter Nemschak
10. März 2020 @ 13:07
Die Banken handeln unter ihrem Buchwert. Auch wenn das risikogewichtete buchmäßige Eigenkapital den Vorschriften der Aufsicht entspricht, zweifelt der Markt an der Zukunft der beiden Institute als selbständige Institutionen. Eine Großbank für den deutschen Mittelstand und die deutsche Industrie wird das Land brauchen, im internationalen Investmentbanking wird dieses Institut allerdings keine Rolle unter den Großen mehr spielen. Dafür fehlt in Deutschland eine Kapitalmarktkultur wie wir sie aus anglosächsischen Ländern kennen. Auch die Schweizer Großbanken konzentrieren sich heute auf das, was sie relativ am besten können. Vermögensverwaltung.