Kohleausstieg: Streit um die Kohle aus Brüssel
Der Finanzrahmen für den “European Green Deal” löst schon kurz nach seiner Vorstellung heftigen Streit aus. Es geht um die geplanten Beihilfen für Kohleregionen. Darf Deutschland einen Großteil einsacken?
Von den bisher vorgesehenen 7,5 Milliarden Euro für den Kohleausstieg könnte Polen allein zwei Milliarden einstreichen, sagte ein EU-Diplomat in Brüssel.
Deutschland läge mit 877 Millionen Euro auf Platz zwei. Von den EU-Hilfen könnten zum Beispiel Kohlereviere in der Lausitz oder im Rheinland profitieren.
Allerdings ist Deutschland das reichste EU-Land – und die Bundesregierung hat ohnehin schon üppige Finanzspritzen für die Braunkohlegebiete angekündigt.
Kein Wunder also, dass die anderen EU-Staaten murren. Denn sie würden weniger profitieren – und müssten die neuen Hilfen zudem noch mitfinanzieren.
Denn das Geld soll teilweise aus anderen EU-Töpfen wie den Regionalfonds abgezogen werden. So könnten ausgerechnet die ärmsten Regionen leiden.
“Es stehen noch schwierige Diskussionen bevor”, sagte der Diplomat. Im Diplomaten-Deutsch bedeutet das Streit. Den hat sich die EU-Kommission allerdings selbst zuzuschreiben.
___STEADY_PAYWALL___
Denn zum einen hat sie darauf verzichtet, von den EU-Staaten mehr Geld für den Klimaschutz einzufordern. Im Wesentlichen werden Budgetposten verschoben und grün angemalt.
Zum anderen redet sie von einer “Just transition”, also einem “gerechten Übergang”. Doch was soll daran gerecht sein, wenn ausgerechnet der größte EU-Staat am zweitmeisten kassiert?
Und wieso soll ausgerechnet Polen den Großteil einsacken, obwohl es sich nicht einmal zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 bekennt? Ist das fair?
Wie auch immer: Der Streit zeigt, dass der “European Green Deal”, den Kommissionschefin von der Leyen versprochen hat, noch lange nicht steht.
Er sieht vielleicht grün aus, ist aber noch lange kein Deal.
Polen will sich übrigens erst im Juni festlegen, bei einem EU-Gipfel. Das kann lustig werden…
Siehe auch “Klimapolitik: Almosen für den ‘gerechten Wandel'” und “Von der Leyens Billionen-Bluff”
Watchlist
Wird die Visegrad-Gruppe zu einem osteuropäischen Kern der EU? Nach Lantlerin Merkel nimmt nun auch Österreichs Wieder-Kanzler Kurz an einem Treffen der Staaten Tschechien, Polen, Ungarn und Slowakei teil. Im Mittelpunkt dürfte erneut die Flüchtlingspolitik stehen. Kurz verfolgt dort – trotz Regierungsbeteiligung der Grünen – einen harten Kurs.
Was fehlt
- Eine Nachfolgerin für “Berlaymonster” Selmayr: Latvian EU official to lead commission civil service – EU Observer
- Pünktlich zur Libyen-Konferenz in Berlin: Turkey deployed 2,000 Syrian troops to Libya – EU Observer
- Rechtsstaat: EU will einstweilige Verfügung gegen Polen – Deutsche Welle
- Green Deal: Dem EU-Parlament nicht grün genug – taz
- Green Deal: A trillion reasons to scrutinise the Green Deal Investment Plan – Bruegel (Thinktank)
Peter Nemschak
16. Januar 2020 @ 22:27
Über Gerechtigkeit lässt sich trefflich streiten. Es ist eine Frage der Kriterien, die man wählt. Man muss nicht zwingend aus allem und jedem ein sozialpolitisches Thema machen.
Peter Nemschak
16. Januar 2020 @ 22:01
Nach welchen Kriterien wird das Geld verteilt ? Warum sollen sozialpolitische Kriterien dabei eine Rolle spielen ? Es geht um Kostenkriterien im Rahmen des Strukturwandels..
ebo
16. Januar 2020 @ 22:03
Es heißt “Just Transition Fund”, zu deutsch Fonds für einen gerechten Übergang!
Kwasir
16. Januar 2020 @ 20:05
Interessant wäre, die essentiellen Unterschiede festzustellen zwischen den Massnahmen jetzt „just transition“ genannt unter der Rubrik „Klima“, und den Anpassungsbeihilfen für unter der Rubrik „vom Strukturwandel betroffene ehemalige Bergleute“ seit 1955 von der EGKS finanziert wurden oder auch den etliche Millionen ECU/Euro schweren Sonderprogrammen in den 1990-er Jahren des Regionalfonds unter der Rubrik “ Bewältigung des industriellen Wandels“ wie ADAPT – RECHAR- RESIDER-KONVER oder auch RETEX.
Alles Jacke wie Hose – nur alter Wein in neuen Schläuchen (eben die üblichen ’strukturfördernden‘ Maßnahmen wie z.B. Straßenbau) oder eben echt was nach „green“ deal aussieht ?