Great Reset in der EU: Die Außenpolitik

The Great Reset ist eine Initiative des Weltwirtschaftsforums, die eine Neugestaltung der Gesellschaft und Wirtschaft im Anschluss an die COVID-19-Pandemie vorsieht. Was bedeutet das für die EU? Dem gehen wir in unserer neuen Serie nach. In Teil 3 geht es um die Außenpolitik.

Die Meldung kam nicht unerwartet. Dennoch ist die Botschaft, die die US-Administration in Washington rund sechs Wochen nach dem gefeierten Besuch von US-Präsident Joe Biden in Brüssel aussendet, ein Schlag ins Kontor.

“Wir werden die bestehenden Reisebeschränkungen an dieser Stelle beibehalten”, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am 26. Juli. EU-Bürger dürfen auch künftig nicht in die USA reisen – wegen der Delta-Variante.

Dabei hatte die EU ihre Corona-bedingten Einreisebeschränkungen für US-Bürger bereits im Juni aufgehoben. Kanzlerin Angela Merkel warb bei ihrem Besuch in Washington Mitte Juli dafür, dass Biden endlich nachzieht.

Diese Hoffnung wurde enttäuscht. Die europäische Diplomatie ist ausgerechnet beim engsten Alliierten USA gescheitert – dabei setzt die EU seit Bidens Amtsantritt mehr denn je auf die “transatlantische Freundschaft”.

Rückfall in alte, transatlantische Muster

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Doch in Zeiten von Corona ist Freundschaft relativ. Biden setzt die Abschottungs-Politik seines Amtsvorgängers Donald Trump fort, die frühzeitige Öffnung durch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen war ein Fehlschlag.

Und wo bleiben die Erfolge der europäischen Außenpolitik? Hat es nach dem Trump-Schock und der Coronakrise, in der EUropa auf sich allein gestellt war, einen “Neustart” gegeben, zeigt er vielleicht sogar schon Früchte?

Ich fürchte, nein. Statt des viel beschworenen “Resets” erleben wir einen Rückfall in alte transatlantische Muster – mit dem Unterschied, dass Biden auf die EU noch weniger Rücksicht nimmt als Obama und seine Amtsvorgänger.

Für Biden zählt nur der Machtkampf mit China, die EU soll eine Ausputzer-Rolle in Europa spielen und Russland in Schach halten. Dies haben die Gipfeltreffen mit den G-7, der Nato und der EU unmißverständlich gezeigt.

Für Biden zählt nur Peking – und Berlin

Auf dem Schachbrett der Geopolitik zählt (wenn überhaupt) nur noch Deutschland – weil es über Einfluß in China und Russland verfügt. Die “geopolitische EU-Kommission” hingegen nimmt, spätestens seit dem Sofagate, keiner mehr ernst.

Wird die europäische Außenpolitik also künftig in Berlin gemacht? Haben Frankreich und Spanien, Polen und die Balten nichts mehr zu melden? Die Nord Stream-Affäre lässt dies fürchten. Biden und Merkel haben ihre Partner übergangen.

Allerdings dürfte es Berlin schwer fallen, die widersprüchlichen Interessen unter ein Dach zu bringen. Dies hat sich schon in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Ende 2020 gezeigt – Merkel redete mehr über die EU als mit den Partnern.

Seither ist die Lage nicht besser geworden. Zwischen Frankreich und den Benelux-Staaten, die sich vor China fürchten, den Osteuropäern, die Russland verteufeln und Griechenland und Zypern, die von der Türkei bedroht werden, gibt es kaum (noch) Gemeinsamkeiten.

Der “Free Rider” muß umdenken

Erschwerend kommt hinzu, dass die neoliberale Ära vorbei ist, in der die EU als passive Handelsmacht auftreten konnte – oder als “Free rider”, der im Windschatten anderer gute Geschäfte macht, wie Deutschland unter Merkel.

Eine neue Rolle hat sie jedoch noch nicht gefunden.

Die EU schwankt zwischen “strategischer Autonomie” und taktischer Unterordnung unter US-Interessen. Mal präsentiert sie sich als friedliebende Zivilmacht, dann wieder als strafendes Imperium, das die halbe Welt mit Sanktionen überzieht.

Wenn ich mir die deutsche Debatte über Außenpolitik anhöre, dürfte sich daran in Zukunft auch nicht viel ändern. Den Ton geben schon wieder die Transatlantiker an, einen originär europäischen Ansatz kann ich nicht erkennen…

(Teil 1 steht hier, Teil 2 hier, Folge vier kommt am Donnerstag)