Goodbye Europe?

Die Des-Integration der EU ist weit fortgeschritten – und zwar nicht nur in Großbritannien. Dies hat die vierteilige Sommerserie in diesem Blog gezeigt. Müssen wir uns also von Europa verabschieden?


[dropcap]M[/dropcap]ais non, aber nein – meint die liberale Europaabgeordnete S. Goulard, die ein bemerkenswertes Buch zum Brexit und seinen Folgen veröffentlicht hat (“Goodbye Europe”, Flammarion Paris).

Zwar halte der Niedergang der EU schon viel zu lange an. Doch das sei vor allem die Schuld der Nationalstaaten, die die Macht im Rat an sich gerissen und ein “Ancien Régime” errichtet hätten.

Genau wie im vorrevolutionären Frankreich sei die EU-Herrschaft absolutistisch und ineffizient – denn im Rat wird nicht diskutiert, Entscheidungen werden verschleppt oder nicht umgesetzt (siehe Flüchtlingskrise).

Das bedeute aber nicht, dass Europa gescheitert sei, so Goulard, die eine der wenigen bekennenden französischen Föderalistinnen ist. Denn die EU sei nicht mit Europa gleichzusetzen, sie sei ein “Europa auf Rabatt”.

Vielmehr gehe es darum, endlich wirklich “Europa zu machen” – mit einer eigenen Verteidigung, einem eigenen Grenzschutz, einem Euro-Budget und eigenen demokratischen Institutionen.

Das ist ein wichtiger Gedanke, wie ich finde. In der Tat ist die EU nicht Europa, und tatsächlich kann man mit dieser EU keinen Staat (mehr) machen. Die Frage ist nur, ob die Bürger das (noch) wollen?

Die Umfragen sind, wie wir im letzten Teil der Serie gesehen haben, widersprüchlich. Immer mehr Menschen wenden sich enttäuscht von dieser EU ab, bleiben aber der europäischen Idee treu.

“Es liegt an der schrecklichen Unentschiedenheit der Politiker”, sagt Goulard. Die Politiker seien schuld an der Misere, weil sie nicht vorangehen (“führen”) und somit die Zweifel der Bürger nähren.

Das jedoch scheint mir zu einfach. Denn es abstrahiert von der sehr realen, wenn auch unpolitischen und ökonomisch verbrämten Führung Deutschlands, die den Sprung nach “Europa” verhindert.

Und es übersieht die Macht-Interessen der Eliten, die sich sehr bequem in dieser EU eingerichtet haben und das “Ancien Régime” mit Zähnen und Klauen verteidigen – auch nach dem Brexit…