Gipfel-Streit um Klimaziele – Was ist ein Spitzenkandidat?
Nicht nur der Brexit lähmt die EU. Auch die Klimapolitik wird beim Frühjahrs-Gipfel in Brüssel zum Streitthema. Im Europaparlament gibt es ebenfalls Ärger: Liberale und Grüne beharken sich bei der Frage, wie viele Kandidaten bei der Europawahl antreten dürfen. Was ist überhaupt ein Spitzenkandidat?
Was für ein EU-Gipfel! Erst haben sich die “Leader” über den Brexit gestritten – die Debatte wurde bis spät in den Abend verlängert, das eigentlich vorgeschobene Strategie-Thema China wurde verschoben.
Nun droht auch noch ein Streit über die Klimaziele. Wie “EurActiv” meldet, tut sich ein Graben zwischen Deutschland und Polen auf der einen, Frankreich und der EU-Kommission auf der anderen Seite auf.
Deutschland ist mal wieder im Lager der Bremser, die sich nicht auf eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 festlegen wollen. Paris und Brüssel hingegen fordern, das Pariser Klimaabkommen strikt auszulegen.
“When it comes to climate change, there is clearly a growing rift between Germany and Poland on one side, and France and other governments on the other. Germany is attempting to hold back efforts by France and several European governments for the EU to achieve net-zero greenhouse gas emissions by 2050”
Sebastian Mang, EU climate policy adviser at Greenpeace
Da steht eine alternde Industriegesellschaft mit exorbitanten Überkapazitäten gegen eine umweltbewußte Dienstleistungsgesellschaft. Und das ist nicht die erste deutsch-französische Krise.
Berlin hat schon den Neustart der EU, die Vollendung der Währungsunion und die geplante Digitalsteuer ausgebremst. Aus dem “Aufbruch für Europa” droht ein Abbruch zu werden…
Siehe auch “Brüssel, Hauptstadt der Schüler-Klima-Bewegung”
Watchlist
- Wann fällt der Vorhang im Brexit-Theater? Beim EU-Gipfel am Donnerstag rangelten Kanzlerin Merkel und Präsident Macron stundenlang über eine Deadline, bevor man sich kurz vor Mitternacht gleich auf zwei einigte: 12. April und 22. Mai. Doppelt hält besser, scheint es!? Derweil haben sich mehr als 1,5 Millionen Briten schon entschieden: In einer neuen Online-Petition fordern sie den “Exit vom Brexit”. Unter dem Ansturm sei die Website des Parlaments zeitweise zusammengebrochen, meldet “Le Monde”.
Was fehlt
- Das Gerangel um die Spitzenkandidaten für die Europawahl. Nachdem die Liberalen nicht einen, sondern sieben Top-Bewerber nominiert haben – darunter die EU-Wettbewerbskommissarin Vestager – machen sich die Grünen lustig: “Das Team der Liberalen erinnert an Schneewittchen und die sieben Zwerge”, meint Sven Giegold. Die Liberalen untergrüben das Spitzenkandidaten-System. Merkwürdig – denn die Grünen treten selbst mit zwei “Spitzen” an. Früher, unter Joschka Fischer, hatten sie auch mal 7 Politiker auf ihrer Liste…
Holly01
22. März 2019 @ 22:38
Das Stichwort lautet : „klimaneutrale Wirtschaft“
Da wir kein Konzept haben, das uns dahin führen könnte, wird das nicht erreichbar sein.
Wir haben Szenarien, in denen „Wirtschaft“ annähernd klimaneutral sein kann.
Wir haben einen „Ist-Zustand“.
Das dazwischen haben wir nicht. Wir haben nur den „Wunsch“.
Vielleicht ist jemandem aufgefallen, das es Wirtschaft heißt, nicht Industrie.
Was wir insbesondere nicht haben ist eine Energieversorgung, die auch nur annähernd stabil und planbar wäre und dabei klimaneutral sein KÖNNTE.
Photvoltaik ist NICHT klimaneutral.
Windkraft ist ebenfalls NICHT klimaneutral.
Atomkraft ist NICHT klimaneutral.
Kohle, Gas, Öl brauchen wir nicht drüber zu reden.
Selbst eine ganz überwiegende Umstellung auf Sonne und Wind ist technisch überhaupt nicht machbar. Wir würden Speicher benötigen. Selbst bei vollständiger Nutzung aller Speichervarianten bis 2050 (finanziell und inhaltlich überhaupt nicht machbar) würde das nicht mal für die Hälfte des Bedarf reichen.
Diese Vorbereitungen wären dann auch so klimaschädlich, das eine klimaneutralität voraussetzen würde, das wir die nördliche Halbkugel komplett mit Wald überziehen.
Und … wir stellen den Individualverkehr auf Strom um. Strom den wir nicht haben und wenn wir ihn haben, dann ist er nicht klimaneutral.
Wobei die Fahrzeuge so eine miese Effektivität und so hohe klimatisch Vorlaufkosten haben, das ein positiver Effekt überhaupt nicht eintreten kann.
Dieses affektierte „die Spinner können sich ja als Lebensinhalt gegenseitig die Haare schneiden“ ist absolut fehl am Platz.
Arbeit wird ein absoluter Mangel. Einkommen werden ein absoluter Mangel.
Und damit nicht genug. Es gibt eine ganze Menge an Menschheitsleitungen, die entspringen der Arbeitsteilung und dem Geldwesen.
Die IT wäre ohne das Geldwesen und die Arbeitsteilung überhaupt nicht möglich gewesen.
Raumfahrt? Also jetzt selbst auf den Erdorbit beschränkt? Klimaneutral? Da lachen ja die Hühner.
Rüstung? Militär? Klimaneutral?
Die Amis machen auch überhaupt nicht mit.
Die Landwirtschaft klimaneutral? Unsere Orangen im Discounter haben mehr „miles and more“ als 80% der deutschen Bevölkerung.
Ihr führt eine lustige Diskussion.
Wenn in diesem Sommer wieder (rein zufällig) über Deutschland eine Hitzeblase das Wetter bestimmt und (rein zufällig) der Trend anhält das die Arktis sich um den Faktor 2 bis 3 schneller aufheizt als der Rest der Welt, dann schauen Sie vielleicht noch mal auf diesen Text.
-> je wärmer es in der Arktis wird, desto kälter wird es auf der mittleren nördlichen Halbkugel
Holly01
23. März 2019 @ 10:50
Ganz egal, wenn das nicht technisch zu lösen ist, dann machen wir das Ordnungspolitisch.
In einer Gesellschaft in der man 80% der Bevölkerung so richtig „klimafreundlich“ leben lässt, können die restlichen nicht nur wie gewohnt weiter machen, nein da ist noch Luft nach oben ….
Merke, klimafreundlicher als H4 geht nicht …. setzt den Leuten noch eine VR Brille auf und die können „reisen“ wohin auch immer sie gerne würden ….
vlg
Daniel Jacob
22. März 2019 @ 22:00
Gehen wir einmal davon aus die These CO2 = Treibhausgas = Klimawandel ist korrekt. Dann müsste man sich doch fragen WER oder WAS stößt die meisten Emissionen aus? Wenn NABU publiziert, dass die 15 größten Handelsschiffe mehr CO2 ausstoßen als alle 760 Millionen Autos weltweit, dann man muss man sich doch die Augen reiben, wenn dauernd nur Diesel (oder das Auto an sich) als “Problem” dargestellt wird.
Doch schauen wir uns das eigentliche “Problem” genauer an. In der Schule wurde mir beigebracht, dass Pflanzen (insbesondere Bäume) CO2 als “Kraftstoff” benötigen (Stichwort: Photosynthese) um zu wachsen. Der Boden auf dem die Pflanzen wachsen dient dabei als “CO2-Speicher”. Was passiert? Urwälder in Latein-Amerika und Südost-Asien werden gerodet um Agrarflächen für Bio-Ethanol zu gewinnen! Der Hauptabnehmer ist die EU, weil die Kommission versucht mittels Bio-Sprit die CO2-Bilanz zu polieren!(1) Die Böden, die industriell-landwirtschaftlich mit Monokulturen beackert werden
erodieren langsam zu Wüsten!(2) Erschwerend hinzu kommen diverse Ackergifte wie u.a. Glyphosat die dem Boden und der Umwelt nachweislich schaden zufügen!
Oder zum Thema Mikroplastik(3): 3/4 des gesamten Mikroplastik stammt aus “synthetischen Textilien”, wie Polyester (35%), Reifen (28%) sowie Haus- und Industriestaub (24%). Eine Lösung wäre es, die Produktion von synthetischen Textilien einzustellen, die Produktion von Reifen mittels “Naturfasern” wie Hanf und/oder Flachs umzustellen (das geht wirklich, die ersten Autos, die gebaut wurden hatten Reifen aus Hanffasern) und der erdölbasierenden Plastikindustrie den Geldhahn zuzudrehen. (Für den Umweltschützer Macron hieße das u.a. Michelin auf die Füße zu treten!)
So nebenbei: ich habe mir aus einer zuverlässigen Quelle sagen lassen, dass die Dämmstoff -Industrie (wir reden hier von erdölbasierenden Synthesestoffen wie Styropor und Styrodur) sich in der EU die Gesetze selbst geschrieben hat.
Zitat:
Da steht eine alternde Industriegesellschaft mit exorbitanten Überkapazitäten gegen eine umweltbewußte Dienstleistungsgesellschaft. Und das ist nicht die erste deutsch-französische Krise.
Zitat Ende.
Ich bezweifle, dass eine “Dienstleistungsgesellschaft” sonderlich umweltbewusst ist. Vielmehr erreicht die Entfremdung der Zivilisation vor der Vegetation eine neue Stufe. Die Digitalisierung hat eben nicht Arbeitsplätze sondern die Arbeit an sich vernichtet. Es gibt keine Berufe mehr, sondern nur noch “Jobs”, der man eine Zeit lang nachgeht. Berufe wie Zimmermann oder Tischler sind selten geworden und Berufe die als “altes Handwerk gelten” wie z.B. Sattler, Schuster oder Schmied nahezu ausgestorben. Wie soll eine Dienstleistungsgesellschaft “Bewusstsein” für ihre Umwelt entwickeln, wenn sie die Produktion ihrer Güter der Automatisierung und Robotisierung überlässt?
(1) https://programm.ard.de/?sendung=287249858159876
(2) http://www.landimpulse.at/agroinnovation/downloads/warth_2015/Erosion_Warth%20Klik.pdf
(3) https://schrotundkorn.de/lebenumwelt/lesen/mikroplastik-vom-winde-verweht.html
Claus
22. März 2019 @ 10:22
Ohne die „alternde Industriegesellschaft“ wird es auch in Zukunft nicht laufen, dass wird man spätestens dann merken, wenn die grün-rote Deindustrialisierung vollzogen ist, wertschöpfende Unternehmen dicht gemacht oder sich woanders hin verzogen haben und die von ihnen bisher geleisteten Politiker-„Entschädigungen“ und Steuern ausbleiben. Dann gibt es für „umweltbewusste Dienstleistungsgesellschaften“ auch nicht mehr viel Dienste, die sie noch leisten könnten.
Aber vielleicht schneiden sich dann alle gegenseitig die Haare (manuell-nachhaltig, nicht elektrisch!) und leben davon.
Rudi Ehm
22. März 2019 @ 16:02
So ist es.
ebo
22. März 2019 @ 16:06
So weit ih weiß, sind die Grünen schon lange nicht mehr an der Regierung. Und wo sie es sind – wie in Hessen und BaWü – kann ich von Deindustrialisierung nicht viel sehen. Im Gegenteil. Darum geht es mir übrigens auch nicht. Es geht um die industriellen Überkapazitäten, die zu massiven ökonomischen Ungleichgewichten führen und dem Klima auch nicht zuträglich sind. Und es geht um veraltete Technologien etwa in der Autoindustrie, wo Deutschland den Anschluß verloren hat. Von Diesel will ich gar nicht erst sprechen…
Kleopatra
22. März 2019 @ 09:17
Problematisch ist noch etwas anderes: Alle Gesellschaften brauchen Industrieprodukte und Dienstleistungen (deshalb ist die Differenzierung in Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften fragwürdig, es gibt nur Schwerpunkte im Export). Wenn bestimmte Industrien in manchen Ländern konzentriert sind, konzentriert sich die Umweltbelastung zwangsläufig dort. Es ist aber eine heuchlerische Pseudomoral, wenn in einem Staatenverbund die einen Mitglieder sich mit ihrem geringen Niveau der Umweltverschmutzung brüsten, während sie dies nur dadurch durchhalten können, dass z.B. die bei ihnen benutzten Autos in anderen Ländern produziert werden. Eine hochgradige Arbeitsteilung zwischen Ländern macht gleiche Umweltziele für alle kaum machbar. Und erst recht sollte man in einem solchen Fall nicht moralisieren. Wenn Macron eine stark exportorientierte Industriegesellschaft vorgefunden hätte, würde er sicher anders reden – man kann einfach leichter mit seinem Engagement für “das Klima” angeben, wenn man in seinem Land fast keine Schwerindustrie mehr hat, die man ruinieren könnte. Wir haben also unterschiedliche Interessen und DE, Polen (und Tschechien) sind hier klassische Industrieländer. Interessengegensätze sind etwas natürliches und man sollte vernünftig über sie verhandeln; was aber brandgefährlich ist, ist dieses sentimentale Moralisieren.
Kleopatra
22. März 2019 @ 08:31
Es ist mir neu, dass Frankreich eine umweltbewusste Dienstleistungsgesellschaft sein soll. Aber man erfährt ja immer wieder etwas … (als Paradebeispiel einer auf Dienstleistungen aufgebauten Volkswirtschaft gilt üblicherweise Großbritannien, während Frankreich Probleme mit Deindustrialisierung hat). In Frankreich ist, glaube ich, weniger die Gesellschaft umweltbewusst als der Präsident auf Profilierung aus. Das mach natürlich seine Politik per se noch nicht schlechter oder besser. Korrekt ist, dass Deutschland auf Industrie orientiert ist. Nur wer keine Industrieprodukte benutzt, sollte kritisieren, dass diese irgendwo auch hergestellt werden …
ebo
22. März 2019 @ 11:55
Mal die Fakten anschauen. Weniger CO2-Ausstoß, größerer Dienstleistungssektor in Frankreich als in Deutschland. Zudem jüngere Bevölkerung. In UK gibt es eigentlich nur noch die Finanzindustrie. Deutschland produziert für die ganze Welt, muß jetzt sogar Arbeitskräfte importieren. Und macht gemeinsame Sache mit Polen (!), wenn es um Klima und Energie geht…
Kleopatra
22. März 2019 @ 12:20
Der geringere CO2-Ausstoß dürfte unter anderem daran liegen, dass ein großer Teil der Elektrizität in Atomkraftwerken erzeugt wird und die Schwerindustrie stärker von Deindustrialisierung betroffen ist als in Deutschland. Was das Umweltbewusstsein betrifft, schenken sich, glaube ich, Deutschland und Frankreich nicht viel. Nur dass eben ein Land mit Schwerindustrie bestimmte Umweltvorschriften nicht so leicht wegsteckt wie eines ohne. Global betrachtet entsteht durch die Produktion eines in Frankreich fahrenden Autos nicht mehr CO2, wenn es in Deutschland hergestellt wird, als wenn es in Frankreich hergestellt wird (und ich erinnere mich an die Schätzung, dass etwa ein Drittel der Energiemenge, die ein Auto im Lauf seiner Existenz verbraucht, auf seine Herstellung geht). Wenn Deutschland gemeinsame Interessen mit Polen hat, gibt es keinen Grund, warum man die nicht gemeinsam vertreten sollte. Oder halten Sie es für unmoralisch, mit Polen einig zu sein?
Dass es problematisch ist, dass sich die Industrieproduktion der EU tendenziell in Deutschland konzentriert (und in anderen Mitgliedstaaten dafür die Arbeitslosigkeit) ist mir klar; das steht aber auf einem anderen Blatt und hat mit Umweltbewusstsein überhaupt nichts zu tun.