Gipfel des Mißtrauens, Schlacht ums Getreide – und Greenwashing in Brüssel

Die Watchlist EUropa vom 31. Mai 2022 –

Die EU will ihre finanzielle und militärische Hilfe für die Ukraine ausweiten. Das Land muß aber weiter auf den erhofften EU-Beitritt warten. Darüber solle erst im Juni entschieden werden, hieß es beim EU-Sondergipfel am Montag in Brüssel.

Überschattet wurde das zweitägige Treffen vom Streit über ein Ölembargo gegen Russland. Das Einfuhrverbot für russisches Öl sollte ursprünglich schon Anfang Mai verhängt werden – als Teil des sechsten Sanktionspakets. Ungarn und einige andere EU-Staaten stellten sich jedoch quer.

Sie sind von dem Öl abhängig, das über die Druschba-Pipeline aus Russland nach Europa fließt, und fordern massive Finanzhilfen aus Brüssel. Ein Kompromiss, den die EU-Kommission am Sonntag vorgelegt hatte, brachte zunächst keine Lösung.

Demnach soll die Druschba-Pipeline vorerst von dem Embargo ausgenommen werden. Dies kommt zwar Ungarn entgegen, könnte jedoch zu Wettbewerbs-Verzerrungen in Belgien und den Niederlanden führen, wo das Öl eingeschifft wird.

Ölembargo ohne Biss

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Außerdem würde es den Importstopp ad absurdum führen. Ursprünglich war er ‘mal dafür gedacht, die russische “Kriegskasse” zu leeren. Nun würden bloß zwei Drittel des russischen Öls ausgesperrt, ein Drittel darf weiter fließen – das Embargo hat keinen Biß.

Zudem schürt es das Mißtrauen zwischen den “Partnern”. So forderten die Niederlande von Deutschland die schriftliche Zusage, bis zum Jahresende tatsäschlich aus dem russischen Öl auszusteigen – und nicht doch weiter auf die Druschba-Pipeline zurückzugreifen.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen dämpfte schon vor Beginn des Gipfels die Erwartungen. Die Frage des fairen Wettbewerbs beim Öl sei noch nicht geklärt, räumte sie ein. Optimistischer zeigte sich Bundeskanzler Olaf Scholz.

“Alles, was ich höre, klingt danach, als ob es einen Konsens geben könnte”, sagte Scholz bei seiner Ankunft. “Und früher oder später wird es den dann auch geben.“ Ob dies bis zum Ende des EU-Gipfels am Dienstag gelingen werde, ließ der SPD-Politiker offen.

Wiederaufbau ohne Geld

Im vorläufigen Entwurf für den Gipfelbeschluss ist das Ölembargo immerhin schon enthalten. Es soll Teil des 6. Sanktionspakets sein, heißt es darin. Die EU sagt der Ukraine zudem eine Finanzhilfe von bis zu 9 Milliarden Euro in diesem Jahr sowie langfristige Hilfe für den Wiederaufbau zu.

Die Finanzierung ist aber noch unklar. Ein finanziell sehr großzügiger Vorschlag der EU-Kommission stieß auf massive Vorbehalte, auch in Deutschland und Frankreich. Über den Wiederaufbau könne man erst nach dem Ende des Krieges entscheiden, sagte ein Diplomat.

Strittig ist unter anderem, ob die EU für die Ukraine neue Schulden aufnehmen soll. Von der Leyen und Frankreichs Macron können sich das vorstellen, Scholz ist dagegen, die Niederlande wollen nicht einmal darüber sprechen.

Auch dieses Beispiel zeigt: Die Einheit bröckelt – nicht nur gegenüber Russland, sondern auch bei der Ukraine. Dieses Treffen könnte als Gipfel des Mißtrauens in die Geschichte eingehen…

Siehe auch “Ukraine am Tropf”

Watchlist

Schickt die EU die Marine ins Schwarze Meer? Einen entsprechenden Vorschlag wollen die Staats- und Regierungschefs am Dienstag beim EU-Gipfel besprechen. Dies berichtet die spanische Zeitung „El País“ unter Berufung auf europäische Quellen. Hintergrund ist die Weizenkrise. Die Ukraine gilt nicht nur für den europäischen, sondern auch für den afrikanischen und arabischen Markt als unentbehrlicher Lieferant. Die EU will nun dafür sorgen, dass ukrainische Häfen wieder aufgemacht werden. Allerdings produzieren Russland und die EU mehr Getreide. – Mehr hier

Was fehlt

Das Greenwashing in Brüssel. Nach Angaben des Europäischen Rechnungshofs stellt die EU-Kommission die gemeinsame Agrarpolitik viel “grüner” dar, als sie in Wahrheit ist. Zudem werden die Ausgaben für den Klimaschutz viel zu hoch angegeben. In den letzten sieben Jahren habe die EU mindestens 72 Mrd. Euro weniger für grüne Politik ausgegeben als veranschlagt, kritisieren die Experten. Und das war noch vor der Zeit von Frau von der Leyen…