Gipfel der Einmischung
Über die aggressive Türkei, die die EU-Mitglieder Griechenland und Zypern bedrängt, will man in Brüssel nicht sprechen; der Konflikt wurde vertagt. Umso eiliger hatten es die EUropäer bei Belarus, das weder der EU angehört noch eine Mitgliedschaft anstrebt. Ein Sondergipfel sollte der Demokratiebewegung helfen – nur wie?
Die EU will die Demokratiebewegung in Belarus unterstützen und das Land vor einer möglichen russischen Intervention bewahren. Das sagte Ratspräsident Charles Michel bei einem kurzfristig anberaumten EU-Sondergipfel, der am Mittwoch als Videokonferenz stattfinden soll. „Es sollte keine ausländische Einmischung geben“, so Michel.
Das hindert die EU freilich nicht daran, sich nun selbst einzumischen – wenn auch aus sicherer Entfernung und ohne Gewalt. Bereits am Freitag hatten die Außenminister neue Sanktionen auf den Weg gebracht. Die Strafmaßnahmen sollen vor allem die Verantwortlichen für Polizeigewalt und Wahlfälschungen treffen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wurde zudem beauftragt, ein Konzept für einen Dialog mit der Demokratiebewegung vorzulegen.
Allerdings ist unklar, ob und wie die EU helfen kann. An den Sanktionen werde noch gearbeitet, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission, die Namensliste werde beim Sondergipfel noch nicht vorliegen. Auch das neue Belarus-Konzept sei noch nicht fertig.
Wenn nicht alles täuscht, müssen Merkel & Co. improvisieren. Nicht einmal auf die Demokratiebewegung können sie sich verlassen. Denn die lehnt nicht nur die geplanten EU-Sanktionen ab. Sie will auch keine Annäherung an Europa, sondern blickt nach Russland.
Ratspräsident Michel scheint sich mehr von Emotionen leiten zu lassen als von einem klaren Ziel. Auch Merkel, die Minsk bisher vor allem als Kulisse für ihre Ukraine-Gespräche brauchte und Präsident Lukaschenko pflegte, hat kein schlüssiges Konzept.
Deeskalation, Dialog, Demokratie – bisher sind das nur schöne Worte, eine europäische Strategie ist nicht zu erkennen. Nach dem Schlingerkurs mit Lukaschenko droht ein Schlingerkurs ohne den „letzten Diktator“.
Nur die Einmischung scheint beschlossene Sache – damit Russland sich nicht einmischt. Sicherheitshalber riefen Michel und Merkel bereits beim russischen Zaren Putin an, um ihn vor einer Militär-Intervention zu warnen.
Gleichzeitig haben die EUropäer Putin aber auch aufgefordert, mäßigend auf Lukaschenko einzuwirken – also politisch zu intervenieren. Und wie reagiert Putin? Er warnt nun seinerseits vor ausländischer Einmischung.
Wen er damit wohl meint?
Siehe auch „Schlingerkurs mit Lukaschenko“ sowie „Annexion vs. Expansion“
P.S. Die Oppositionspolitikerin Svetlana Tichanovskaja hat einen Appell an den EU-Gipfel gerichtet. Darin fordert sie Unterstützung für Neuwahlen und die Nichtanerkennung von Lukaschenko (mit dem Brüssel bisher vertrauensvoll zusammenarbeitet). Von EU-Sanktionen oder einer europäischen Vermittlung sagte sie nichts. Das Video (English) steht hier
Fritz - Ulrich Hein
19. August 2020 @ 22:58
Die Fortsetzung des Maidan? Das möge jeder für sich selbst beantworten, eine Gleichheit ist aber nicht von der Hand zu weisen. Gerade die Frau, die meinte, dass Abhören unter Freunden überhaupt nicht gehe und sich jegliche Einmischung in die innere Angelegenheiten Deutschlands verbat, mischt jetzt, wie schon vorher in der Ukraine, in Venezuela und in Hong Kong, kräftig mit. Auch die NATO – Übung vor den Toren Russlands lassen keinen Zweifel an einem „friedlichen Umsturz“ aufkommen. Auf Merkels Reaktion bin ich gespannt, wenn jetzt nach jeder Landtagswahl und der anstehenden Bundestagswahl die Opposition von Wahlfälschung spricht und sich zu Siegern der Wahlen erklärt. Übrigens wurde von der Leyen auch nicht rechtmäßig gewählt.
Holly01
19. August 2020 @ 18:23
Laut ARD aktuell erkennt die EU das Wahlergebnis nicht an.
Was das bedeutet?
Keine Ahnung, wahrscheinlich Sanktionen.
Da bin ich ja schon voller Hoffnung das wir die Präsidentenwahl in den USA auch nicht anerkennen werden.
Von demokratisch zu reden wäre lächerlich.
Die Manipulationen sind seit Jahrzehnten legendär.
Der weizenblonde meine sogar öffentlich, das eine Wahl ohne Manipulationen seine Chancen verderben würde.
Naja, schlecht für die Weissrussen, aber dann am Ende doch gut für alle. Dann lasst mal sehen, welche Sanktionen wir gegen die USA verhängen könnten ….
vlg
ebo
19. August 2020 @ 18:50
Hihi, die USA… Und was ist mit den Wahlen in der Türkei, in Nordzypern, im Kosovo?
Wie sieht es um die Demokratie in Spanien (Stichwort Katalonien) und in UK (Stichwort: Schottland) aus?
Und was wird aus den armen Bulgaren, die seit Wochen gegen ihre Regierung demonstrieren?
Das wäre doch auch mal einen Sondergipfel wert – wäre der Regierungschef nicht zufällig EVP-Politiker…
Peter Nemschak
19. August 2020 @ 21:44
Wertepolitik schafft bloß Unfrieden und Krieg. Interessensausgleich ist dagegen friedensfördernd.
ebo
19. August 2020 @ 22:00
Der Belarus-Gipfel war reine Wertepolitik, oder sehen Sie das anders?
Ernst
19. August 2020 @ 12:33
Meine Frau hat zwei Brüder in Belarusia, dort hat Ihnen die Firma mitgeteilt, sie können streiken, wenn sie wollen. Die Firmen hätten 100.00 Dollar als Streikgeld zur Verfügung. Jetzt frage ich, woher kommt dieses Geld, denn Die Brüder meiner Frau bekommen keine Auskunft darüber. Machen Sie sich selbst ein Bild davon. Ich denke das gibt Ukraine 2.0 denn die Bewerberin der Oposition ging in das Exil um Gewalt zu verhindern, jetzt plötzlich wieder diese Anstrengungen mit der Ankündigung russisch in Wort und Schrift samt der Kirche zu verbieten zu wollen. Tolle Opositon oder? Der Westen reagiert wie damals in der Ukraine und Putin wird gewarnt militärisch zu intervenieren. Nur diesmal warnt auch Putin, und ich glaube er meint es ernst.
Peter Nemschak
19. August 2020 @ 15:37
In der Ukraine hat Putin die innere Spaltung des Landes ausgenützt. Gibt es eine solche in Belarus und wie stark ist sie ? Wer gegen Lukaschenko und Putin ist, ist nicht notwendigerweise für die EU.
Peter Nemschak
19. August 2020 @ 12:02
Mäßigend einmischen, aber nicht zu viel. Die EU darf Russland keinen Vorwand bieten mit Gewalt einzugreifen. Weißrussland und die Ukraine sind Staaten ohne natürliche Grenze zu Russland.
Holly01
19. August 2020 @ 07:37
Da muss doch irgendwo ein Weissrusse in Deutschland sitzen, den man instrumentalisieren kann.
Muss ja kein Boxer sein, der für Süsszeugs Werbung macht. Obwohl … Minsk, Kiew … merken die den Unterschied überhaupt? In der EU und in den USA ganz sicher nicht.
Seien wir mal froh, das die rot/weisse Fahnen haben. Bei schwarz/weiss hätte ich sonst Sorge, da kommt noch was mit Deutschorden oder so, der Kreuzorden (rot/weiss) war ja eher eine kleinere Episode … oder wollen wir unser Königreich Preußen zurück (nicht zu verwechseln mit dem Trümmerhaufen aus dem HrRdN)?
vlg