Gericht heizt Katalanen-Konflikt neu an
In der EU spricht man viel über den Rechtsstaat. Da hätte man sich auch einen Kommentar zum Urteil des Obersten Gerichtshofs Spaniens im Streit um die katalanische Unabhängigkeitsbewegung gewünscht. Doch Brüssel schweigt.
„Kein Kommentar“, hieß es am Montag in der EU-Kommission. Auch das Europaparlament hielt sich bedeckt.
Der Oberste Gerichtshof hatte zuvor neun Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Neun der zwölf Angeklagten wurden wegen „Aufruhrs“ und Veruntreuung öffentlicher Gelder zu Gefängnisstrafen zwischen neun und 13 Jahren verdonnert.
Die höchste Strafe erhielt der frühere katalanische Vize-Regionalpräsident Oriol Junqueras mit 13 Jahren Haft. Er war bei der Europawahl ins Europaparlament gewählt wurden, durfte jedoch seinen Sitz nicht antreten.
Auch der frühere Separatistenführer Carles Puigdemont wurde im Mai ins EP gewählt, auch ihm wurde der Antritt seines Mandats verwehrt. Puigdemont kritisierte das Urteil als „Ungeheuerlichkeit“.
Der Richterspruch dürfte den Katalonien-Konflikt neu anheizen – und erneut die Frage aufwerfen, wie es um den Rechtsstaat in Spanien und der EU bestellt ist.
Wird es das Europaparlament dulden, dass gewählte Abgeordnete für viele Jahre ins Gefängnis geworfen werden?
Siehe auch „Puigdemont rechnet mit EUropa ab“
P.S. Kurz nach dem Urteil hat Spanien einen neuen internationalen Haftbefehl gegen Puigdemont ausgestellt. Er hält sich – nach allem, was man weiß – in Brüssel auf. Kommt es nun zum Showdown, vor den Augen der EU-Institutionen?
Kleopatra
15. Oktober 2019 @ 13:41
Zur Frage, ob Schottland sich von Großbritannien abspalten soll und ob ein unabhängiges Schottland dann problemlos EU-Mitglied werden bzw.sein könne, hat sich die EU ungeniert geäußert, und zwar abhängig vom Zeitpunkt recht opportunistisch: Solange GB als EU-Mitglied gebucht war, hat man den Schotten gedroht, sie würden nach einer Unabhängigkeit lange draußen bleiben müssen; seit GB beschlossen hat, selbst auszutreten, spekuliert man darauf, dass Schottland sich abspaltet und von der EU eingefangen werden kann.
Also die Einmischung in die politische Frage des Separatismus ist der EU nicht fremd. Und ich muss feststellen, dass GB mit der schottischen Unabhängigkeitsbewegung richtig umgegangen ist, nämich politisch, während die spanische Methode, Separatismus als politisches Verbrechen zu behandeln, sehr kontraproduktiv ist. „Die Existenz einer Nation ist ein tägliches Plebiszit“ – in Katalonien dürfte Spanien dabei sein, dieses zu verlieren.
Was die Rechtsstaatlichkeit Spaniens betrifft: spanische Gerichte haben den Europäischen Haftbefehl missbraucht, um katalanische Politiker einzuknasten (woran sie dann von belgischen und deutschen Gerichten gehindert wurden). Dieser zweifelhafte Umgang mit dem europäischen Haftbefehl verdient mindestens einen sehr scharfen Tadel. Denn dadurch wird dem Prinzip die Grundlage entzogen, nämlich das Vertrauen darauf, dass der Haftbefehl nicht missbraucht wird. Nur wenn wirklich darauf vertraut werden kann, dass ein Europäischer Haftbefehl nicht missbraucht wird, wie im Fall Puigdemont, kann man sich auf die vorgesehene Auslieferung ohne Prüfung einlassen.
ebo
15. Oktober 2019 @ 16:42
Volle Zustimmung. Die Unabhängigkeits-Bewegungen brauchen eine politische Antwort, keine juristische. Dies gilt umso mehr, wenn sie gewählte Abgeordnete in den Parlamenten haben. Leider hat man dies nicht einmal im Europaparlament begriffen – es hat Puigdemont heute erneut den Zutritt verwehrt. Neben dem Rechtsstaat leidet so auch die Demokratie…
Peter Nemschak
15. Oktober 2019 @ 12:26
Die Frage reduziert sich darauf, ob das spanische Gerichtsurteil der dortigen Rechtslage entspricht. Die spanische Verfassung mag in den Augen der Linken und Liberalen reformbedürftig sein. Wenn sie geändert werden soll, bedarf es dazu einer qualifizierten Mehrheit im spanischen Parlament. Die EU hat wenig Gusto sich in sezessionistische Probleme der Mitgliedsländer einzumischen, da eine solche Einmischung nationalistische Gefühle wachrufen würde.
Peter Nemschak
14. Oktober 2019 @ 22:41
Warum soll sich die EU in innerspanische Angelegenheiten einmischen? Das wäre kontraproduktiv für den Zusammenhalt der EU-Staaten.
ebo
14. Oktober 2019 @ 23:18
Warum mischt sie sich in innerpolnische oder ungarische Angelegenheiten ein? Es geht um den Rechtsstaat…