Genua, Brüssel und der deutsche Sparkurs

Trägt die EU eine Mitschuld am Brückensturz von Genua? Allein die Frage wird in Brüssel schon als Unverschämtheit betrachtet. Sie sei ein populistisches Ablenkungs-Manöver, heißt es – doch ganz so einfach ist es nicht.

Schon am Dienstag hatte Kommissionspräsident Juncker den Opfern sein Beileid ausgesprochen. Doch ansonsten herrscht Funkstille in Brüssel. Den Vorwurf, die EU trage mit ihrer Sparpolitik Mitschuld an der Katastrophe, lässt man ins Leere laufen.

Aus gutem Grund: Schließlich ist die EU-Kommission für die Instandhaltung von Straßen und Brücken gar nicht zuständig. Dafür tragen  lokale Behörden die Verantwortung. Brüssel hat zwar einen langen Arm; doch bis zur Morandi-Brücke reicht er nicht.

Auch was Investitionen betrifft, weist die Kommission jede Mitverantwortung zurück: Sie seien nicht gekürzt, sondern sogar gefördert worden. Stolz verkündete Juncker im Juli, dass sein Investitionsprogramm das Plansoll übertroffen habe.

Allerdings geht es dabei nur um private Investitionen. Und bei den Privaten haben Griechenland (Platz eins) oder Spanien deutlich mehr vom Juncker-Plan profitiert als Italien, das nur auf Platz zehn (von 28) kommt..

Zudem stellt sich die Frage, ob die von Brüssel gemeldeten Milliarden auch tatsächlich in Rom angekommen sind. Schon bei den Fördermitteln, die aus dem regulären EU-Haushalt nach Italien fließen, gibt es immer wieder Probleme.

In Brüssel macht man dafür „schlechte Regierungsführung“ verantwortlich. Die italienischen Politiker seien selbst schuld, wenn sie das für sie vorgesehene Geld nicht abrufen bzw. nicht dort einsetzen, wofür es ursprünglich bestimmt war.

Und was ist mit dem Sparkurs, den die EU Italien verordnet hat? Sind es die von Deutschland forcierten Stabilitätsregeln, „die uns daran hindern, das nötige Geld für die Sicherheit unserer Autobahnen auszugeben“, wie Innenminister Salvini anklagt? 

Bisher ist dies nur eine unbewiesene Behauptung. Erst nach Abschluss der Ermittlungen wird sich sagen lassen, ob das Unglück von Genua mit dem harten Sparkurs zusammen hängt, weil dieser öffentliche Investitionen erschwert.

Unbestritten ist allerdings, dass Brüssel die Regierung in Rom zwingt, den Gürtel enger zu schnallen. Die EU-Kommission fordert regelmäßig den Abbau des „strukturellen“, also konjunkturbereinigten Defizits – und fordert dafür immer neue Einschnitte. 

Gleichzeitig empfiehlt Brüssel aber auch mehr Investitionen in die Infrastruktur – eine schizophrene Politik, die nach Genua auf den Prüfstand kommen sollte.

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