Genossen gegen Leyen, Spanien gegen Strafzölle, Baerbock gegen Trump
Die Watchlist EUropa vom 12. September 2024 – Heute mit News und Analysen zur neuen EU-Kommission, zur China-Politik und zur Präsidentschaftswahl in den USA.
Der 11. September war rot im Brüsseler EU-Kalender angestrichen: An diesem Tag wollte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr neues Team vorstellen. Doch daraus wurde nichts. Wegen Streitigkeiten über die Gender-Balance und den Aufgaben-Zuschnitt unter den 26 Kommissaren musste der Start auf den 17. September (Dienstag) verschoben werden.
Nun meutern auch noch die Sozialdemokraten – von der Leyen II. droht ein Fehlstart.
Die CDU-Politikerin an der Spitze der 32.000-köpfigen Brüsseler Behörde laufe Gefahr, „die Unterstützung der Progressiven zu verlieren“, heißt es in einem Brandbrief von Iratxe García Pérez, der Chefin der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament.
Mehrere Beschwerden
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Die Spanierin nennt gleich mehrere Gründe: Von der Leyen habe ihren Spitzenkandidaten Nicolas Schmit ignoriert und die Geschlechterbalance in der Kommission unterminiert.
Das ist nicht ganz richtig: Schmit wurde nicht, wie gefordert, von Luxemburg nominiert – und am Gender-Problem sind die EU-Staaten schuld: Sie haben nicht genug Frauen nominiert. Aber sei’s drum.
Außerdem wolle von der Leyen einen Beschäftigungskommissar einsetzen, der sich kaum für soziale Rechte interessiert – und die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) in die europäische Gesetzgebung einbinden.
Aus Sicht der EU-Genossen wäre dies ein Verstoß gegen die „Brandmauer“ gegen Rechts, die bei von der Leyens Wiederwahl im Juli vereinbart worden war. Deshalb drohen sie nun mit Liebesentzug.
Der Konsens bröckelt
Der Konsens bröckelt, noch bevor die Arbeit richtig begonnen hat – kein gutes Zeichen für die neue, fünfjährige Legislatur. Denn ohne Sozialdemokraten, Liberale und Grüne verfügt die konservative Kommissionschefin nicht über die nötige Mehrheit im Parlament.
Immerhin hat von der Leyen noch ein paar Tage Zeit, um die Wogen zu glätten und die Genossen zu besänftigen. Allerdings haben auch die Grünen noch einige Probleme mit ihrem Dreamteam. Und ohne die Grünen geht bekanntlich gar nichts…
Siehe auch “Fehlstart mit Verlängerung”
News & Updates
- Spanien gegen Strafzölle in China. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez will die Haltung seines Landes zu den EU-Zusatzzöllen auf Elektroautos aus China überdenken. “Ich glaube, wir müssen Brücken zwischen der Europäischen Union und China bauen”, erklärte Sánchez. Spanien werde sich konstruktiv verhalten und versuchen, einen Kompromiss zwischen China und der EU-Kommission zu finden. – Wenn Spanien wirklich umschwenkt, könnten die Strafzölle am Ende doch noch scheitern…
- EU nimmt vier Millionen Ukrainer auf. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben die EU-Länder mehr als vier Millionen Ukrainer aufgenommen und ihnen einen speziellen Schutzstatus gewährt. Dies berichtet “Brussels Signal” unter Berufung auf Eurostat. Die meisten Flüchtlinge hätten Deutschland, Polen und Tschechien aufgenommen. – Die großzügigsten Sozialleistungen bekommen die ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Deutschland – und daran will die Bundesregierung auch nichts ändern...
- Russland droht dem Westen. Die Regierung in Moskau droht den USA mit Konsequenzen, falls diese grünes Licht für den Einsatz von Langstreckenwaffen gegen Ziele in Russland geben sollte. In diesem Fall werde sein Land angemessen reagieren, kündigte Regierungssprecher Peskow an, ohne Details zu nennen. Präsident Wladimir Putin brachte zur Vergeltung gegen den Westen gewisse Ausfuhrbeschränkungen bei Metallen ins Spiel, darunter Uran.- Siehe auch: Nun beginnt die gefährlichste Phase des Krieges
Das Letzte
Baerbock twittert gegen Trump. Kurz nach der TV-Debatte der US-Präsidentschaftskandidaten Trump und Harris bezog Außenministerin Baerbock eindeutig Stellung gegen Trump. Ihre Message: “Like it or not: Germany’s energy system is fully operational, with more than 50% renewables. And we are shutting down – not building – coal & nuclear plants. Coal will be off the grid by 2038 at the latest. PS: We also don’t eat cats and dogs.” – Dass sich die Grünen-Politikerin in den US-Wahlkampf einmischt, und das ausgerechnet auf X, dessen Besitzer E. Musk bekanntlich Trump unterstützt, sorgte für viele irritierte Kommentare…
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Michael
12. September 2024 @ 08:52
Die Aktivistin Baerbock bucht das alles unter “feministischer Außenpolitik” ab, sonst könnte es ja ernsthaftere Außenpolitik sein!
european
12. September 2024 @ 09:41
Ich koennte mir durchaus vorstellen, dass Trump nicht mal weiss, wer sie ist. 😉
Jordanien’s Aussenminister hat sie vor ein paar Tagen in einer Pressekonferenz regelrecht zusammengestaucht. Ich bin nicht sicher, ob das im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde.
https://x.com/doyaksec/status/1833079238045413828
Als der indische Aussenminister ihr Paroli gab, endete die deutsche Ausstrahlung nach Baerbock’s statement. Den Rest konnte man auf den Seiten der Weltwoche hoeren. Ein sehr eleganter, wohlformulierter Stinkefinger des Inders war dort zu sehen und zu hoeren. Wir sind an deutschen Belehrungen nicht interessiert.
Helmut Höft
12. September 2024 @ 13:51
Danke für’s Link, da hat Analena aus Borbeck ‚mal ’nen richtigen „Einlauf“ bekommen! *bravo*
KK
12. September 2024 @ 14:59
@ Helmut Höft:
Leider wurde der Sinn eines Einlaufs verfehlt; es ist noch unglaublich viel Mist im System verblieben, der nach wie vor heraussickert.
european
12. September 2024 @ 07:19
Es bahnt sich ein Atomkrieg an und die EU diskutiert über einen Beschäftigungskommissar. Allein schon der Titel…. 😉
Es bahnt sich tatsächlich etwas an und man wundert sich, dass immer noch niemand auf die Straße geht. Es gibt einen gut recherchierten Artikel von Wolfgang Lieb auf dem Blog der Republik, auf den ich gern hinweisen möchte: “Endgültig zurück im kalten Krieg”
https://www.blog-der-republik.de/endgueltig-zurueck-im-kalten-krieg/
Die Stationierung von Waffensystemen in Deutschland ist keineswegs durch den Ukrainekrieg begründet worden, sondern geht auf eine unilaterale Entscheidung der USA aus dem Jahr 2019 zurück, ist also schon 5 Jahre alt. Die Erklärung lautet:
“Die Vereinigten Staaten von Amerika werden, beginnend 2026, als Teil der Planung zu deren künftiger dauerhafter Stationierung, zeitweilig weitreichende Waffensysteme ihrer Multi-Domain Task Force in Deutschland stationieren. Diese konventionellen Einheiten werden bei voller Entwicklung SM-6, Tomahawks und derzeit in Entwicklung befindliche hypersonische Waffen umfassen. Diese werden über deutlich größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa verfügen.”
Das, was bei uns alles stationiert werden soll, sollte jedem den Angstschweiß auf die Stirn treiben, denn das ist richtig aggressives Kriegsgerät. Gleichzeitig berichtet Patrik Baab, dass die USA aktuell konkrete Berechnungen und Maßnahmen treffen, um einen atomaren Krieg auf das Schlachtfeld Europa zu begrenzen, damit die USA jenseits des Atlantik weiterhin “sicher” sind. Solche Szenarien hat es schon einmal zur Zeit der Kohl-Regierung gegeben. Willy Wimmer hat damals daran teilgenommen und diese Planungsgespräche unter Protest verlassen, als klar wurde, dass diese Kriege mit Atomwaffen auf deutschem Boden stattfinden sollen.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum die USA in Ramstein das größte Militärkrankenhaus außerhalb der USA bauen. Es ist nicht mehr die Frage, WAS sie vorhaben, sondern nur noch WANN.
Gefunden habe ich den Artikel nicht selbst, sondern er wurde in einem, wie immer erstklassigen, Vortrag von Gabriele Krone-Schmalz in den Pleisweiler Gesprächen erwähnt.
https://www.youtube.com/watch?v=E844gSXzVSw&t=4414s
Und wir diskutieren über Beschäftigungskommissare….