Geläuterte Niederlande – Unverbesserliche Iren

Bisher kannten wir die Niederlande als sparwütige Steueroase, die sich selbst von Brüssel nichts sagen lässt. Doch das scheint sich gerade zu ändern. Wird Den Haag zum Vorbild – sogar für Deutschland?

Darauf deuten gleich zwei aktuelle Meldungen hin. Auf die erste haben wir schon lange gewartet: „Niederlande stoppen Steuertricks für multinationale Unternehmen“, meldet dpa.

Große Konzerne wie Shell, Philips oder AkzoNobel sollen ihre Gewinne ab 2021 voll versteuern. Die bisherigen günstigen Regelungen für Multis würden gestrichen, teilte das Finanzministerium mit.

Die neue Regelung werde schätzungsweise 265 Millionen Euro pro Jahr einbringen, sagte das Ministerium. Gleichzeitig muß Den Haag nicht mehr mit Rügen aus Brüssel rechnen.

Die zweite Meldung kommt fast noch überraschender: Den Haag will die Sparbremse lockern und massiv in die Zukunft investieren. Das meldet die britische „FT“:

According to leaks in the Dutch press, Hoekstra will announce €3bn in tax cuts for households and launch plans for an investment fund that locks in the country’s historically low borrowing rates. The plans aren’t expected to make a huge dent in the government’s healthy budget surplus (around 1 per cent of GDP) and near 50 per cent debt-to-GDP ratio. 

Financial Times

Damit tun die Niederländer genau das, was die EZB und das Europaparlament fordern: Sie setzen einen fiskalpolitischen Stimulus, um Wachstum zu fördern und die Geldpolitik zu entlasten.

In Deutschland hingegen warten wir immer noch auf entsprechende Signale. In Berlin diskutiert man zwar erstmals über Sinn und Unsinn der „Schwarzen Null“.

Doch wie es aussieht, wird sich selbst der groß angekündigte Klimaplan der Bundesregierung strikt an die selbst auferlegten Sparvorgaben halten – und Brüssel enttäuschen…

Siehe auch „Downgrade für Deutschland“

Watchlist

  • Wie sieht das neue Europaparlament den Brexit? Dies dürfte sich am Mittwoch bei einer Aussprache mit anschließender Abstimmung zeigen. Obwohl rund 50 Prozent der EU-Abgeordneten neu sind (darunter etliche MEP aus UK), scheinen sich alle dem kompromisslosen Kurs der EU-Kommission anzuschließen. Auf die Idee, auf das rebellische Unterhaus zuzugehen, ist noch keiner gekommen . Es ist übrigens auch gegen den Backstop…
  • Siehe dazu „Bewegung beim Backstop“
  • Nähern sich die Grünen der Fünf-Sterne-Bewegung an? Über mögliche Sondierungs-Gespräche wollte die Fraktion am Dienstagabend in Straßburg entscheiden. Die „Sterne“ haben mit den Grünen einige Berührungspunkte, vor allem in der Umweltpolitik. Vor ihrer – mittlerweile aufgekündigten – Allianz mit der rechten Lega hatten sie schon mit den Liberalen im EU-Parlament geflirtet….

Was fehlt

  • Der unverbesserliche Steuersünder Irland. Seit‘ an Seit‘ mit Apple kämpft das EU-Mitglied gegen die Forderung der EU-Kommission, Steuern in Höhe von 13 Mrd. Euro einzutreiben.  Die Brüsseler Entscheidung, hinter der Wettbewerbskommissarin Vestager steht, ignoriere irische Gesetze, sagte die Vertreterin des Landes, Maurice Collins, in einer Verhandlung vor dem EU-Gericht. Das Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.
  • Die „Lust an der Macht“. So nennt die Website „German Foreign Policy“ das Ziel der neuen Kommissionschefin von der Leyen, Geopolitik zu machen. Von der Leyens Pläne entsprächen in hohem Maß dem Vorhaben Berlins, die Union als eigenständige Weltmacht zwischen den USA und China zu positionieren. Doch will Berlin das wirklich? Ich habe da meine Zweifel – siehe meine Analyse: „Was heißt hier geopolitisch?“