Enttäuschte Liebe
Warum hat eine Mehrheit der Italiener gegen die etablierten Parteien und gegen die Politik der EU gestimmt? Das war eine zentrale Frage bei der Phoenix-Runde am Dienstag. Geht es wieder einmal gegen “Europa”?
Klare Antwort: Nein. Die EU ist nicht Europa, und Italien ist immer noch eins der europafreundlichsten Länder des alten Kontinents. Die Erdrutsch-Wahl ist eher ein Zeichen enttäuschter Liebe. Dabei geht es vor allem um zwei Themen:
- Die Flüchtlingspolitik: Schon lange, bevor Deutschland die Grenzen aufmachte, gab es die Flüchtlingskrise in Italien. Danach wurde es nicht besser. Allein seit 2014 sind schätzungsweise mehr als 600.000 Boat People in Italien angelandet. Auf andere EU-Länder umverteilt wurden aber nur 11.954 – kein Wunder, dass der Kessel unter Dampf steht.
- Die Finanzpolitik: Seit dem von Kanzlerin Merkel erzwungenen Abgang von Ex-Premier Berlusconi wurde die Finanz- und Wirtschaftspolitik auf EU-Kurs getrimmt. Erst übernahm der ehemalige EU-Kommissar Monti, dann versuchten sich Letta und Renzi an Einsparungen und Arbeitsmarkt-Reformen. Das Ergebnis: die Wirtschaft brach noch mehr ein.
Enttäuscht sind die Italiener aber auch, weil Brüssel und Berlin über ihre Probleme hinweggegangen sind. Renzi haute deshalb mehrfach auf den Tisch, er lud Merkel zu einem Dreiergipfel mit Frankreich ein – doch er wurde weiter übergangen.
Die Kanzlerin verweigerte die Einladung zum Triumphirat – und “führte” das deutsche Europa lieber im Alleingang weiter. Kurz darauf mußte EUropas Hoffnungsträger Renzi sein Amt räumen.
Die Quittung bekommen nun die italienischen Sozialdemokraten, die auf 19 Prozent abgesackt sind, also noch tiefer als die SPD. Renzi ist Geschichte, nun könnten die Rechten das Ruder übernehmen…
Und was ist die Moral von der Geschicht’? Die EU – und das heißt vor allem Deutschland – muss Italien endlich wieder ernst nehmen. Das gilt auch für die 2012 auf italienischen Druck beschlossene Bankenunion.
Sie auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschleppen, wie dies Noch-Finanzminster Altmaier plant, wäre eine Ohrfeige für Rom. Noch härtere Konditionen, wie sie das BMF fordert, könnten sogar eine neue Eurokrise auslösen…
Reinard Schmitz
8. März 2018 @ 08:49
Wenn man merkt, dass etwas nicht funktioniert hat, dann muss man es anders versuchen. Stimm’ts?
⭐bluecrystal7
8. März 2018 @ 06:54
Guter Auftritt bei der Phoenix Runde, kann mich nur anschließen!
Definitiv… Die #EU hat sich weder um Griechenland noch um Italien richtig gekümmert… Stattdessen diesen beiden Ländern in Südeuropa ein Sparpaket nach dem anderen verordnet! Toll…
“Renzi haute deshalb mehrfach auf den Tisch, er lud Merkel zu einem Dreiergipfel mit Frankreich ein – doch er wurde weiter übergangen…”
Oh ja, das stimmt… Leider! Dabei wollte er nur Veränderungen und das lässt die Merkel nicht zu…
⭐bluecrystal7
8. März 2018 @ 06:58
Ach so, natürlich generell ganz Südeuropa… Portugal, Spanien auch
ebo
8. März 2018 @ 10:09
@bluecrystal Merkel wollte 2016, kurz nach dem Brexit, verhindern, sich allein mit Hollande und Renzi in einem Boot wiederzufinden. Heute besteht die “nationale Aufgabe” darin, sich allein mit Frankreich wiederzufinden. Da kommt der “Brandbrief” der Nordländer wie gerufen…
aawirth
7. März 2018 @ 13:37
Guter Auftritt in der Runde gestern Abend, geadelt durch das „ist doch alles Quatsch“ des Herrn Krause, dem sichtlich die besseren Argumente fehlten. Vielen Dank!
ebo
7. März 2018 @ 14:44
Danke für die Blumen 🙂
Peter Nemschak
7. März 2018 @ 11:54
INTERVIEW
«Die Effekte der ultralockeren Geldpolitik sind politischer Sprengstoff»
Der liberale Ökonom Gunther Schnabl geht mit der EZB und deren Geldpolitik hart ins Gericht. Er zeigt eine Alternative zur unendlichen Verlängerung der ultralockeren Politik.
Michael Rasch, Frankfurt7.3.2018 in der NZZ vom 7.3.2018
Sehr lesenswert ! Den italienischen Schlendrian bezahlt der kleine deutsche Sparer und unsere junge Generation. Wollen wir uns das leisten?
ebo
7. März 2018 @ 14:51
@Nemschak Die EZB hat ihre Geldpolitik nicht wegen oder für Italien gelockert, sondern wegen der Deflation in der Eurozone, die eine direkte Folge der von Berlin und Brüssel verordneten Austeritätspolitik war. Nun fällt der Ausstieg aus den Nullzinsen schwer – unter anderem deshalb, weil die EZB ein starres Inflationsziel verfolgt und das Wachstum ausblendet (anders als die Fed)…
Peter Nemschak
7. März 2018 @ 19:41
Die Vorwürfe, dass die EZB die Zinsen bei Null hält, um dem Süden Reformen zu ersparen hören nicht auf. Diese Politik ist wirkungslos. Was spricht gegen die Vorschläge von Schnabl?