Gefangen im Binnenmarkt
Der neue britische Außenminister Hunt hat vor einem “harten”, ungeordneten Brexit gewarnt und die EU für das drohende Scheitern verantwortlich gemacht. Es sei ein “wirklich neuer Ansatz” der EU-Seite nötig – gemeint ist der Binnenmarkt.
Denn bisher beharren die EUropäer darauf, dass der Binnenmarkt mit seinen vier Grundfreiheiten für Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital “unteilbar” sei – und zwar auch nach dem Brexit.
Deshalb lehnen sie es ab, eine Freihandelszone mit UK zu schaffen, die nur Waren und Agrarprodukte umfasst, wie es Premierministerin May vorgeschlagen hatte. Denn das könne den Binnenmarkt gefährden.
Doch die Sorge der EU ist übertrieben. Zwar kann man nachvollziehen, dass sich Waren, Dienstleistungen und Kapital kaum noch voneinander trennen lassen – bei der Autoproduktion spielt alles zusammen.
Dennoch kann ein in UK hergestelltes Auto sehr wohl in der EU verkauft werden, auch wenn das Land – wie nach dem Brexit geplant – nicht mehr Mitglied im Binnenmarkt ist. Dafür gibt es viele Beispiele.
Wie könnte die EU sonst Freihandelsabkommen mit Kanada oder Japan schließen, obwohl diese nicht im Binnenmarkt sind? Wir kaufen ja sogar Produkte aus Ländern, die gar keinen Vertrag mit Brüssel haben.
Mit ein wenig Phantasie ließe sich vieles machen, wie die Beispiele Schweiz, Ukraine oder Türkei zeigen, die ganz unterschiedliche Regeln mit der EU vereinbart haben, aber doch alle “mit uns” Handel treiben.
Nur bei UK soll das nicht gehen – denn offenbar will die EU den Austritt einfach nicht wahrhaben, und schon gar nicht erleichtern. Das Land ist im Binnenmarkt gefangen – dabei war der mal als Incentive gedacht.
Die Lage ist umso absurder, als der Binnenmarkt ja auch schon herhalten musste, um London Einschränkungen beim freien Personenverkehr und der Migration zu verweigern. Daran ist Ex-Premier Cameron gescheitert.
Dabei wird sich das Dogma der “Unteilbarkeit” des Marktes ohnehin nicht mehr lange halten lassen. Denn Freizügigkeit und Migration werden zunehmend zum Problem – nicht nur für UK, sondern auch für Deutschland…
Reinard Schmitz
25. Juli 2018 @ 11:10
Kann mir mal jemand erklären, warum es jemandem, der eine Gemeinschaft verlässt, hinterher dank der Hilfe der Gemeinschaft besser gehen soll?
Claus
25. Juli 2018 @ 15:49
@Reinard Schmitz: . . . und kann mir mal jemand erklären, warum es jemandem, der dieser „Gemeinschaft“ erst garnicht beigetreten ist, besser geht als den meisten anderen, die sich darin befinden?
Claus
25. Juli 2018 @ 06:24
Maßstäbe des Staatsrechts angelegt, dass ein Staat durch die Merkmale Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt definiert wird, hat England mit dem Brexit die richtige Entscheidung getroffen. Offene Grenzen, Freizügigkeit und unkontrollierte Migration sind weder mit dem Staatsrecht noch mit den Möglichkeiten eines Sozialstaates vereinbar und führen zu bereits bestehenden Kontrollverlusten und früher oder später zum „Failed State“. Trump hat im diesem Zusammenhang eine drastischere Bezeichnung gewählt.
Die EU-Funktionäre reagieren auf den Brexit wie Kinder, denen man ein Spielzeug kaputt gemacht hat. Sie täten besser daran, offensichtliche Fehlentwicklungen wie auch beim Dogma der „Unteilbarkeit“ einzugestehen und zu korrigieren. Tun sie es nicht, machen es andere.
Olli
25. Juli 2018 @ 11:46
Und die Brexit-Befürworter sind wie Trump in Richtung Steinzeit unterwegs.
Und Trump gehört in die Klapse aber nicht auf den Präsidentenstuhl.
Schade, dass sich immer so schnell Leichtgläubige vor solche Irrfahrstkarren spannen lassen.
Da wird nicht überlegt, wie man den Migranten vor Ort helfen kann.
Nein da wird die Unmenschlichkeitsklatsche rausgeholt und unüberlegt draufgehauen. Nur bloss nichts abgeben vom Wohlstand.
Die Anderen, denen es nicht so gut geht, sind mir scheisseigal.
Aber daran sieht man ja auch:
Dummheit stirbt nicht aus, sondern wird im Zeitalter der Vernetzung sogar noch schlimmer und schneller als AIDS verbreitet.
Peter Nemschak
24. Juli 2018 @ 10:22
Nachdem das UK weit mehr als die EU zu verlieren hat, ist es wohl klar, wer sich wem anpassen muss. Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50% wird es letztlich zu einem Austrittsvertrag kommen. Es ist ja noch Zeit dafür. Den Kopf des UK würde ich mich an Stelle der EU nicht zerbrechen.