Gastbeitrag: Ist das EUropas Zukunft?

In seinem Zukunftsroman „2044 – Auf Leben und Tod“ entwirft Fred Schumacher ein dystopisches Bild von Europa und der EU. Es geht um einen Überwachungsstaat nach Abschaffung des Bargelds unter der Herrschaft einer winzigen Finanzelite.

Von Fred Schumacher*

In die „heile“ Welt des Jahres 2044 hinein werfe ich eine Bombe mit brennender Lunte, indem sich die einzige Erbin einer der allersuperreichsten Familien in einen aus Berlin stammenden „Wicht“ verliebt und mit ihm ein Liebesverhältnis beginnt. Als ihre Eltern vom Geheimdienst ein Dossier dieser undenkbaren Verbindung erhalten, setzen sich die beiden von der US-Ostküsten-Halbinsel nach Berlin ab und unvermeidlich entwickelt sich als Neben-Handlung die Darstellung dessen, was aus der heutigen Europäischen Union geworden ist.

Geschrieben habe ich den Roman 2021, also 76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und 23 vor dem für die Vision anvisierten Zeitpunkt. Ein „PARA-Welt“ genannter Machtblock, von Ort und Umfang etwa dem heutigen „Werte-Westen“ entsprechend, steht gegen „Antipodien“. Die Herren dieser Welt, die Paras, sind eine superreiche Finanzelite weniger Familien mit Hauptsitz auf besagter Halbinsel an der Ostküste der USA.

Sie haben zur Abschottung einen digitalen Vorhang errichtet und die „Wichte“ genannten Bewohner der Para-Welt wissen aus eigener Anschauung nicht, was dort geschieht. Die Herrscher Antipodiens sind laut den von den Herren der PARA-Welt gesteuerten Regierungen und Medien zutiefst aggressiv und können nur mit ständiger Hochrüstung und mittels der weitsichtigen Klugheit der superreichen Elite in Schach gehalten werden.

Wichte sind an ein umfassendes Kontrollsystem gewöhnt, schier unüberwindlich verstärkt durch die Abschaffung des Bargelds und eine ihnen im Laufe der Jahre in Fleisch und Blut übergegangene Akzeptanz der Monatsimpfung, deren inhaltliche Zusammensetzung von den Paras bestimmt wird. Mein Protagonist schaut in einer Szene in Berlin die Nachrichten und isst einen Hamburger.

„Währenddessen erläuterte ihm der deutsche Bildungsminister in einem Interview mit einem Journalisten vor dem Reichstagsgebäude die Erfolge der aktuell laufenden Bildungskampagne für Kinder aus armen Familien. Dabei sei man im Vergleich mit den anderen Ländern Ost-Paras auf einem hohen Niveau, denn man habe es geschafft, die Analphabetenquote auf unter zehn Prozent der Acht- bis Vierzehnjährigen zu drücken. Anton erinnerte sich. Das, was der Minister als Ost-Para bezeichnete, war früher einmal Europäische Union genannt worden.“ (S. 142)

Ein Leser kommt bei der Lektüre dieser unmöglichen Liebesgeschichte kaum darum herum, neben dem Hauptkonflikt – Schicksal des Protagonistenpaares, dessen Leben und Überleben – auch über die Frage nachzudenken, was sich in Bezug auf die Taktgeber der historischen Entwicklung der USA, Westeuropas, der EU und der NATO seit 1945 bis heute und dann weiter bis zur fiktiven Realität 2044 geändert hat, im Wesentlichen nämlich überhaupt nichts.

Gar wenn gegen Schluss der Geschichte der allersuperreichste Vater meiner weiblichen Protagonistin ein wenig im Stile des Degenhardt´schen Liedes „Wenn der Senator erzählt“ auspackt, wie sie, die Herren der Welt bzw. ihre Väter, Deutschland damals zweigeteilt haben, um mit dem westlichen in der Tasche die EU und die NATO unter ihrer Herrschaft zum Wohl und Segen ihrer Geschäftsaktivitäten aufzubauen und und und …

Die neoliberalen Grundsätze, welche sie den Gesellschaften der alten Demokratien in Europa aufgepfropft haben, hatten Ergebnisse, zumeist negative für Bildungsstand und Geldbeutel der einen und positive für sie selbst. Auch die sich ihnen unterwerfenden alten Eliten Westeuropas haben gelitten, denn heute bereits steuern US-Finanzoligarchen die ehemals britischen, französischen, deutschen etc. Groß-Unternehmen der jeweiligen Börsen. Und in Brüssel gibt es eine Kommission, nicht gewählt, sondern eingesetzt, welche beraten, also gesteuert, wird vom weltgrößten Finanzkonzern.

Im Roman heißt der fiktive Finanzkonzern des Jahres 2044 mit genau dieser Rolle „Schwarzenfels“. Als ich beim Schreiben an der entsprechenden Stelle war, hat der Name sich quasi von selbst in den Computer hineingetippt, ich konnte es nicht verhindern.

Die Aktualität des Romans kann meiner Meinung nach kaum deutlicher ausgedrückt werden als mit diesem Zitat aus meinem am 26. Mai 2021 verfassten Nachwort: „Das, was im Roman als Realität des Jahres 2044 beschrieben wird, ist, vereinfacht gesagt, die mittlere von drei Möglichkeiten. Es kann viel schlimmer kommen. Wenn sich die Kräfte des militärisch-industriellen Komplexes der westlichen ›Wertegemeinschaft‹ durchsetzen, die gerade ernsthaft nukleare Einsätze in einem Krieg erwägen, wird es im Jahr 2044 keine Menschen mehr geben. Das hier beschriebene Szenario schätze ich als eine furchtbare, aber leider ziemlich wahrscheinliche Entwicklung ein. Die dritte, einzig positive Möglichkeit würde voraussetzen, die Macht derjenigen endgültig zu brechen, die als Herrscher der PARA-Welt mitsamt ihrem historischen Hintergrund beschrieben sind.“

*Fred Schumacher, 2044. Auf Leben und Tod, 241 Seiten, erschienen im Juni 2021. Ebook und Taschenbuch auf https://www.amazon.de/dp/B096TL7D7D

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