Für Weber wird es eng (II) – Für Merkel wird es ernst

Der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) hat kaum noch Chancen, EU-Kommissionschef zu werden. Nachdem sich mehrere EU-Länder gegen ihn gestellt haben, wollen ihn die Sozialdemokraten nun vollends ausbooten.

Eine Woche vor Beginn der Europawahl hat der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Udo Bullmann, einen möglicherweise entscheidenden taktischen Schwenk angedeutet, der Webers Chancen auf eine Mehrheit im Europaparlament minimieren könnte.

Nachdem sich der SPD-Politiker früher vehement gegen Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und dessen „neoliberale und unsoziale“ Politik ausgesprochen hatte, will Bullmann nun ein „progressives Bündnis“ mit Macron und den Liberalen nicht mehr ausschließen.

„Macron ist kein Sozialist, aber warum sollten wir nicht mit ihm reden?“, sagte Bullmann, der auch Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl in Deutschland ist.

Die entscheidende Frage sei, „ob Macron in der Lage ist, sein Versprechen für eine progressive Politik einzulösen.“ Dann könne es nach der Europawahl zu einer „progressiven Allianz“ unter Einschluss der Liberalen kommen.

Die Sozialdemokraten treten europaweit mit dem Niederländer Frans Timmermans an. Da sie in den Umfragen weit hinter dem konservativen deutschen Spitzenkandidaten Manfred Weber liegen, werden ihnen bisher kaum Chancen auf einen Wahlsieg gegeben.

Allerdings kann auch Weber nur dann auf eine Mehrheit im neuen Europaparlament hoffen, wenn er die Sozialdemokraten und eine dritte Gruppe – wahrscheinlich die Liberalen oder die Grünen – auf seine Seite zieht.

Die Liberalen sind jedoch immer mehr von Weber abgerückt. Zuletzt hat Macron sogar erklärt, er wolle die Vormacht der konservativen Europäischen Volkspartei in der EU brechen und mit einer neuen liberalen Bewegung für frischen Wind sorgen.

Genau darauf setzen nun offenbar die Sozialdemokraten. Wenn es ihnen gelingt, sich mit Macrons „neuen“ Liberalen, den Grünen und Linken zusammenzutun, könnten sie eine eigene Mehrheit links der Mitte erlangen – und Weber wäre ausgebootet.

Denn ohne die Sozis kann er nie und nimmer die Führung übernehmen – der CSU-Mann ist auf Gedeih und Verderb auf die Genossen angewiesen…

Siehe auch “Für Weber wird es eng (I)”

Mehr zur Europawahl hier, aktuelle Wahlumfragen und Projektionen hier

Watchlist

  • Kommt es jetzt doch (schon) zum Iran-Krieg? Die Indizien häufen sich. Am Mittwoch haben die USA einen Großteil ihrer Diplomaten aus dem Irak abgezogen. Als Grund nannte das US-Außenministeriums eine “unmittelbare Bedrohung” durch irakische Milizen, die unter iranischer Kontrolle stünden. Die Bundeswehr und die niederländischen Streitkräfte setzten unterdessen ihren Ausbildungseinsatz im Irak aus.
  • Die EU-Außenminister hatten schon am Montag vor einem Krieg mit Iran gewarnt. Doch seitdem herrscht Funkstille – die Europäer überlassen US-Präsident Donald Trump das Gesetz des Handelns.  

Siehe auch “Iran-Krieg aus Versehen?”

Was fehlt

  • Die jüngsten Spekulationen über einen möglichen Wechsel von Kanzlerin Angela Merkel nach Brüssel. Angeheizt wurden sie durch ein Interview mit der “Süddeutschen”. Daran sagte Merkel, sie wolle sich künftig mit noch größerem Einsatz als bisher für die Zukunft Europas einzusetzen. Daraus schließt dpa, die Kanzlerin könne EU-Ratspräsident Donald Tusk nachfolgen.
  • In Paris und Brüssel liest man das Interview aber völlig anders: Als neuen Beleg für Merkels wachsende Spannungen mit Macron – denn auch darüber hat sie gesprochen. “Gewiss, wir ringen miteinander”, sagte sie. “Es gibt Mentalitätsunterschiede zwischen uns sowie Unterschiede im Rollenverständnis.” Macron hatte sogar von einer “fruchtbaren Konfrontation” geredet – und das deutsche Wirtschaftsmodell attackiert…

Siehe auch “Macron bricht mit Schengen – und mit Merkel?” und “Wie Macron das deutsche Modell zerlegt”