Auch Erdogan führt die EU vor – in Libyen
In Frankreich wird heute des 5. Jahrestags von „Charlie“ gedacht – 2015 töteten islamistische Terroristen mehrere Zeichner des Satiremagazins Charlie Hebdo. Ausgerechnet an diesem denkwürdigen Tag versagt die EU erneut im Anti-Terror-Kampf.
Der Kriegsschauplatz ist diesmal nicht Paris, sondern Tripolis in Libyen. Dort tobt ein blutiger Bürgerkrieg, in dem auch zunehmend fremde Mächte mitmischen, darunter Russland und die Türkei. Und der Nato-Partner Türkei hat ganz besondere Truppen nach Nordafrika geschickt.
Sultan Erdogan hatte am späten Sonntagabend in einem Interview des Senders CNN Türk angekündigt, dass erste Truppen bereits entsandt würden. Sie sollen die Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch stützen, setzen sich aber nicht nur aus regulären Einheit zusammen.
„Als Kampftruppen werden wir dort andere Teams haben, sie werden nicht aus unseren Soldaten bestehen“, sagte Erdogan. Westliche Beobachter gehen davon aus, dass sich von der Türkei unterstützte syrische Milizionäre in Libyen aufhalten. Es sind kampferprobte Islamisten.
Dass Erdogan ausgerechnet solche „Teams“ nach Nordafrika stützt, müsste in Brüssel alle Alarmglocken läuten lassen. Tatsächlich kam Außenminister Maas zu einer Krisensitzung in die EU-Kapitale. Doch er sprach nur allgemein von fremden Truppen, nicht von Islamisten.
Auch die EU-Kommission will sich mit dem Problem beschäftigen – in einer Krisensitzung am Mittwoch. Doch Beschlüsse, gar Gegenmaßnahmen, werden nicht erwartet. Die EU hat es ja nicht einmal geschafft, die türkischen Ölbohrungen vor Zypern zu verhindern…
Siehe auch „Nach EU-Sanktionen: Erdogan droht mit dem IS“ und „Erdogan wird zum Sicherheitsrisiko“
P. S. Übrigens geht es auch in Libyen um Öl und Gas – wie immer, wenn Islamisten und Terroristen unterwegs sind…
Boris
8. Januar 2020 @ 20:52
Statt sich weiter von dieser Rotznase erpressen zu lassen, sollte man das Geld dazu verwenden, die Grenzen Europas im Süden zu schützen, die türkischen Truppen aus Zypern rauswerfen und die Türkei aus der NATO gleich dazu. Wenn ein NATO-Mitglied im Mittelmeer nach Gas bohrt mit der Rechtfertigung eines Staates, den weltweit niemand anders anerkennt (TRNC), dann sollte man ihm auf die Finger klopfen und Konsequenzen ziehen.
Peter Nemschak
8. Januar 2020 @ 15:16
Wollen Sie, dass die EU der Türkei die dort lebenden 4 Millionen Flüchtlinge abnimmt ? Erdogan kennt seinen Wert und verlangt einen Preis dafür.
ebo
8. Januar 2020 @ 16:03
Was ist los, Herr Nemschak, haben Sie die neoosmanischen Drohgebärden des Sultans schon verinnerlicht, glauben Sie ihm aufs Wort?
Barbara Dedie
8. Januar 2020 @ 08:17
Islamisten befinden sich auch in den Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln. Das ist allgemein bekannt, stört die EU aber auch nicht. Die sind ja alle weit weg und sicher aufgehoben.
Wenn Erdogan so in Juncker-Manier weitermacht („wir probieren es mal…“) und alle nur zugucken, wird das noch weitere Kreise ziehen. Die griechischen Inseln sind auf Erdogans Landkarten ja schon rechtmäßig heim ins Reich geholt. Da wird es bis zur Umsetzung auch nicht mehr ewig dauern.
Peter Nemschak
8. Januar 2020 @ 08:12
Man sieht die Spätfolgen der EU/NATO-Intervention zu Beginn der Libyenkrise vor 9 Jahren. Militärische Aktionen mit dem Ziel humanitäre Ziele zu erreichen (responsibility to protect) sind problematisch, wenn es auf globaler Ebene keinen Konsens dafür gibt. Das Stimmverhalten im UN-Sicherheitsrat zur Resolution 1973, die gegen 5 Enthaltungen angenommen wurde, sollte uns Mahnung sein. Ohne Interessenausgleich sind internationaler Friede und Stabilität nicht herstellbar. Stabilität verlangt die Anerkennung unterschiedlicher Wertvorstellungen auch im humanitären Bereich. Demokratie und Menschenrechte sind nicht universell. Sie international durchsetzen zu wollen, schafft Konflikte und Kriege.