From bad to worse
Nach Trumps Europa-Trip macht sich Ernüchterung breit. “Trump zerstört Europas Illusionen”, klagt die “SZ”. Doch die EU steuert immer noch nicht gegen – auch wenn Kanzlerin Merkel so tut.
Merkel hat sich getäuscht. Diesem neuen US-Präsidenten ist nicht mit gutem Zureden, viel Geduld und pädagogischen Übungen beizukommen.
Wer versucht, ihm die EU (oder die Nato oder die G-7) zu erklären, der hat schon verloren. Trump will keine Erklärungen, er will einen Deal. Und zwar bald.
Das ist die große Lehre aus der mißglückten Europa-Tour. Die neue US-Administration geht beim Handel, bei der Rüstung und in der Klimapolitik auf Konfrontationskurs.
Sie zögert vielleicht noch bei der Wahl der Mittel. Doch in Washington braut sich etwas zusammen. “From bad to worse” – das ist es, worauf sich EUropa vorbereiten muss.
EU nicht gerüstet, G-7 gespalten
Doch die EU ist nicht vorbereitet. Auch sechs Monate nach Trumps Amtsantritt (und ein Jahr nach dem Brexit) heißt die Devise in Brüssel immer noch “Weiter so”:
- Beim Handel hält die EU unbeirrt an Liberalisierung fest. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik zielt darauf ab, dass alle Euroländer noch mehr Überschüsse machen – Deutschland will es so.
- Bei Sicherheit und Rüstung lässt man sich von Trump treiben, statt eine eigene Sicherheitspolitik zu formulieren, die es in Ansätzen ja gibt (Konfliktprävention, zivil-militärische Einsätze etc.)
- In der Klimapolitik wartet man auf Trump, statt voranzuschreiten. Dabei ist China schon im Begriff, uns in Sachen saubere Energien zu überholen. Derweil verfehlt Deutschland seine Klimaziele!
In der G-7 (und in der G-20) sieht es nicht besser aus. Beim Treffen auf Taormina hat sich die Gruppe der “führenden” Staaten sogar gespalten – in eine G-6 auf der einen und die USA auf der anderen Seite.
Merkel führt nicht mehr (auch wenn sie so tut)
Die angebliche Führungsmacht Deutschland spielte dabei keine Rolle. Kanzlerin Merkel führt nicht mehr. Sie war mit Selbstverteidigung beschäftigt – damit aus “bad, very bad” nicht “worse” wird…
Zwar sagte Merkel am Sonntag, Europa müsse sein Schicksal “in die eigene Hand” nehmen. Doch bisher war es vor allem die Kanzlerin, die jede Reform im “deutschen Europa” verhindert hat!
Dass sie sich nun so deutlich von Trump absetzt, zeigt, wie sehr sie und ihre Politik unter Druck steht. Ein Konzept für ein “souveränes” Europa hat sie – anders als Frankreichs Macron – nicht entwickelt.
Keine Entspannung mit Russland
Auch die EU macht einen desolaten Eindruck. Sie hat nicht einmal versucht, als Team zu spielen und Trump herauszufordern – etwa in der Nahostpolitik, wo er gefährlich einseitig auf die Saudis setzt.
Nur beim für den US-Präsidenten besonders heiklen Thema Russland meldet Brüssel einen “Erfolg” : Die Sanktionen könnten nicht nur weitergehen, sondern sogar noch ausgeweitet werden.
Die Chance auf eine Neujustierung, die mit dem Machtwechsel in Washington verbunden war, wurde damit verpasst. So dürfte es auch in Osteuropa bald heißen: From bad to worse…
hintermbusch
29. Mai 2017 @ 22:12
Ich frage mich schon lange, ob Angela Merkel von irgendeiner unheilbaren Geisteskrankheit befallen ist: Borderline-Syndrom mit Größenwahn würde schon irgendwie passen.
Ganz unbemerkt hat sie mal wieder eine Fundamentalwende hingelegt:
2003 ist sie nach Washington geflogen, um George W. Bush (der um kein Haar klüger oder moralischer war als Trump) zu hofieren, als ob Deutschland um buchstäblich jeden Preis auf die USA angewiesen sei. Heute will sie Deutschland zum Hegemon über Europa machen, der es mit den USA und Russland irgendwie gleichzeitig aufnimmt.
Sind wir sicher, dass wir uns diese Frau noch lange leisten wollen? Wenn ich ganz individuell und mit meinem aktuellen Wissensstand vor der Frage stünde, ob ich George Bush bedingungslos folgen oder mit Donald Trump einen pragmatischen und distanzierten Deal machen sollte, würde mich für die zweite Option entscheiden. Irgendetwas Grundlegendes scheint mir zu entgehen. Oder Merkel und ihre Einflüsterer haben doch eindeutig einen an der Klatsche?
Ein Europäer
29. Mai 2017 @ 13:19
Frau Merkel stellt den Status Quo in Frage und steuert Deutschland und Europa ins Aus. Die Kanzlerin hat die Amerikaner ,direkt oder indirekt, eine Absage erteilt. Sie hat, wie immer, zu allem Nein gesagt. Nun Sie hat vor, so ihr Plan, die Sicherheit Europas im Alleingang durchzuziehen. Ohne die Amerikaner und die Briten sind wir ausgeliefert. Nach Merkels Auffassung die USA soll der Zahlmeister bleiben, während die Partnern (EU) knausern. Donald Trump wird es niemals akzeptieren.
Atir Kerroum
29. Mai 2017 @ 13:15
Den Kalten Krieg verbrachte Frau Merkel hinter dem “antifaschistischen Schutzwall”. Muttis Plattitüden sind der absolute Witz.
Claus
29. Mai 2017 @ 09:42
Ich lese „Derweil verfehlt Deutschland seine Klimaziele!“ Na sowas! Bleibt es dann bei der Erderwärmung in 50 Jahren möglicherweise nicht bei den wissenschaftlich genehmigten plus 2,0 Grad, sondern sind vielleicht 2,05 Grad hinzunehmen? Positiv am G7-Auftritt von Trump war aus meiner Sicht, dass er den Erderwärmung-Vampiren aus Politik, Industrie und Forschung das Kreuz vor die Nase gehalten hat und dies hoffentlich dazu führt, die sachliche Diskussion über Ursachen von Klimaveränderungen wider aus der politischen Verbotszone und ideologischen Verbohrtheit befreien.
Und dass China schon im Begriff, uns in Sachen saubere Energien zu überholen, darüber lässt sich nach dem Besuch chinesischer Großstädte im Feierabendverkehr ebenfalls streiten. Dagegen kommt man sich in der Hamburger City vor wie in einer Lungenheilanstalt.
ebo
29. Mai 2017 @ 09:45
@Claus Mir geht es um den Gegensatz zwischen Wort und Tat, der bei Merkel eklatant ist. Sie watscht Trump wegen dessen Nicht-KLimapolitik ab, verteidigt zuhause aber die Braunkohle und die Diesel-Stinker. Und alle fallen darauf herein!
Peter Nemschak
29. Mai 2017 @ 12:52
Gekonnt ist gekonnt. Die Zeit wird kommen, wenn sie von der Braunkohle und den Dieselstinkern nichts mehr wissen will, eigentlich schon nie etwas wissen wollte. Kurz sind das Gedächtnis und die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums.
ebo
29. Mai 2017 @ 13:04
Herr Wissmann wird’s schon richten, gell?
Winston
28. Mai 2017 @ 21:56
Hier ein bisschen ausführlicher.
http://www.zerohedge.com/news/2017-05-28/watershed-moment-merkel-says-germany-can-no-longer-rely-america
Peter Nemschak
28. Mai 2017 @ 22:36
Europa kann nicht länger bei den USA Trittbrett fahren. So würde ich Merkels Kommentar lesen. Dies ist keine neue, aber anlässlich des Trump-Besuchs in Erinnerung gerufene Erkenntnis. In den USA formiert sich zunehmend Widerstand gegen Trump. Es bleibt zu hoffen, dass er die Unternehmenssteuerreform auf den Weg bringen wird, bevor ihn seine Gegner hinauswerfen. Damit käme die EU endlich unter Zugzwang, eine vernünftige Konzernbesteuerung umzusetzen – eine unbeabsichtigte, aber wohltuende Nebenwirkung Trumpschen Regierens. Die Selbsteinschätzung seines Trips in den Mittleren Osten und Europa durch ihn wird noch lange bevorzugter Gegenstand von Bachelor- und Masterarbeiten in Psychopathologie sein.
Oudejans
28. Mai 2017 @ 23:34
USA _und Großbritannien seien keine verläßlichen Partner mehr.
Na denn.
Hatten wir schon mal. France gewähnt im Sack, und US & GB als Gegner behandelt.
Winston
28. Mai 2017 @ 21:53
Jetzt wird es interessant.
https://twitter.com/Snowden/status/868846494509658112
Das ist nicht nur ein Frontalangriff gegen Trump sondern gegen ganz Amerika.
Hoffe Merkel weiss was sie tut. Ich bezweifle es.
Glaube die Einschläge werden nicht lange auf sich warten lassen. Mal abwerten.
ebo
28. Mai 2017 @ 21:57
Sehe ich anders. Snowden uberinterpretiert Merkels Worte. Es ist Wahlkampf…
Winston
29. Mai 2017 @ 00:31
Glaube nicht dass das etwas mit Wahlkampf zu tun.
Merkel spricht obendrauf im namen Europas, finde das absolut unverschämt. Sie soll im namen Deutschlands reden aber nicht Europas. Merkel ist nicht Europa.
Winston
29. Mai 2017 @ 05:57
Nachtrag.
Es stimmt nicht das Trump beim G7 isoliert war. Zumindest beim Thema Handel hatte er die Unterstützung seiner G7 Partner, hauptsächlich I, F, UK, natürlich ausser Merkel.
F und UK sind Handelspartner Nr. 2 und Nr. 3 von Deutschland und ebenfalls mit einem riesigen Handelsdefizit vor allem ggü D. I hat ein Handelsüberschuss aber nur dank brutalsten Steuererhöhungen die Italien in eine nie gesehene Depression stürzten, die schlimmste in Friedenszeiten, obendrauf hat es eine systemische Bankenkrise ausgelöst, da italienische Banken vor allem im Inland tätig sind.
Mein Fazit:
Es kann so nicht weiter gehen.
Der Witz ist, Deutschland hat damit wenig zu tun, das Hauptproblem ist der Euro.
Er muss weg.
Claus
29. Mai 2017 @ 07:54
@Winston: You made my day!
Alexander
29. Mai 2017 @ 02:11
Eigentlich sollten die US-Dienste über genügend Informationen verfügen, um die C-Parteien jederzeit in Richtung Democrazia Cristiana schicken zu können! Ich bezweifele daher, ob es klug wäre, sich ernsthaft mit dem Orang anzulegen.
GS
28. Mai 2017 @ 20:56
Moment, wieso missglückter Trip? Ich denke, aus Trump-Sicht war der Trip ein voller Erfolg. Gescheitert sind die Europäer mit dem Versuch, Trump auf Linie zu bringen. Ich finde es wirklich ulkig, dass die Presse uns es genau andersherum verkauft.
ebo
28. Mai 2017 @ 21:06
Klar, deshalb steht da auch missglückt und nicht gescheitert. Glücklich kann Trump mit dem Echo nicht sein, auch die amerikanische Presse haut drauf
Peter Nemschak
28. Mai 2017 @ 22:39
Ich glaube, man wollte der geneigten Öffentlichkeit zeigen, dass mit dem pöbelhaften Trump kein vernünftiges Arbeiten ist.
Peter Nemschak
28. Mai 2017 @ 18:46
Trump hat nichts Unerwartetes geboten. So gesehen sind keine Illusionen zerstört worden., zumindest nicht bei denen, die keine hatten. Merkel würde ich zu dieser Gruppe rechnen. Ob das Ende der pax americana langfristig ein guter Deal für die USA ist, wird die Geschichte zeigen. Ihr Ende war nicht zwingend, aber letztlich war sie ein Kind des Zweiten Weltkriegs. Inzwischen hat sich die Welt in einer Weise verändert, die niemand 1945 für möglich gehalten hätte. Hinsichtlich Europa wird sich die Achse Frankreich-Deutschland wiederbeleben und die Erkenntnis durchsetzen, dass Sicherheitspolitik in die eigenen Hände genommen werden muss. Aus der amerikanischen Herausforderung (JJ Servan-Schreiber (1968)) ist ein halbes Jahrhundert später die chinesische geworden.