Friedensvertrag für Ukraine: Wo waren Scholz und Baerbock?
Im Frühjahr 2022 war der Frieden in der Ukraine zum Greifen nahe. Dies legt ein Bericht der “Welt” nahe, die sogar einen Friedensvertrag vorlegt. Eine entscheidende Frage bleibt allerdings weiter offen.
Kurz nach Russlands Überfall auf die Ukraine hatten Unterhändler auf beiden Seiten einen Friedensvertrag entworfen. Das 17-seitige Papier wurde jetzt in der “Welt” veröffentlicht.
Selbst nach mehr als zwei Jahren Krieg erscheine der Deal im Nachhinein immer noch vorteilhaft, schreibt das Springer-Blatt. Dennoch vermeiden es Politiker in der EU und in Deutschland, die Veröffentlichung aufzugreifen.
Warum? Laufen im Hintergrund bereits neue Verhandlungen, bei denen die Vereinbarung von Istanbul als Grundlage dienen könnte? Dies wäre die optimistische Interpretation.
Die pessimistische lautet, dass nicht einmal mehr Deutschland den Deal unterstützt. Schon damals, im Mai 2022, war von Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock nichts zu sehen und nichts zu hören.
Dabei hätte Deutschland, neben den USA und einigen anderen, zu den Garantiemächten für den Frieden gehört. Wollten Scholz und Baerbock nicht? Oder durften sie nicht? Das ist die zentrale Frage, die weiter ungeklärt ist.
Ich hoffe, dass deutsche Investigativ-Journalisten ihr nachgehen werden. Istanbul war die zweite verpasste Chance für Deutschland – nach den Minsker Abkommen, die auch sang- und klanglos fallen gelassen wurden…
Siehe auch “Baerbock: US-Hilfe sichert europäische Friedensordnung” und “Sorry, aber die Ukraine ist nicht so wichtig für die USA”
P.S. Die USA arbeiten offenbar an einem Sicherheitsabkommen mit Kiew, das Washington für zehn Jahre zu Waffenlieferungen verpflichten soll. So könnte selbst ein Präsident Trump nicht mehr auf Friedenskurs gehen…
umbhaki
30. April 2024 @ 12:42
Zu diesem Thema möchte ich auf einen ausführlichen Artíkel bei Globalbridge hinweisen. Der Autor dort, Jack Rasmus, legt kenntnisreich und einleuchtend dar, dass der Ukraine-Krieg so bald noch nicht enden soll. Und dass Russland das weiß.
https://globalbridge.ch/so-schiessen-sich-die-usa-und-die-nato-staaten-ins-eigene-knie/
Wir kommen unserem Dritten Weltkrieg wirklich zielsicher immer näher. Und das ist kein Versehen unserer Machthaber!
Skyjumper
30. April 2024 @ 15:52
Der 3. Weltkrieg tobt bereits seit einigen Jahren. Da er sich bisher aber als Wirtschaftskrieg manifestiert wollen ihn bisher die wenigsten als solchen erkennen.
Was Rasmus hinsichtlich der weiteren Entwicklung der westlichen (USA) Hegemonie so überzeugt ausführt, könnte so eintreffen, muss aber nicht. Tatsächlich könnte man die Lage auch so interpretieren dass es die letzte Chance für den Westen ist nochmal überzeugend auf den Tisch zu hauen und den Status Quo zu zementieren. Noch (Tendenz abnehmend) vereint „der Westen“ rund 50 % des globalen BIP auf sich. Noch wird es selbst Staaten wie China schwer fallen auf diese vergelichsweise einkommensstarken Märkte zu verzichten. Das wird sich jedoch – auch ohne Sanktionen etc. – immer weiter ändern und verschieben. Letzte Chance vielleicht für den Westen einen Wirtschaftskrieg nicht nur anzuzetteln, sondern auch zu gewinnen.
Michael Conrad
30. April 2024 @ 11:28
Die USA sahen damals die einmalige Chance sowohl Putin los zu werden als auch Russland als strategische Konkurrenz zu eliminieren.
Da hätte ein Friedensvertrag nur gestört.
Auch heute noch wird in den USA argumentiert, dass man mit den Waffenlieferungen an die Ukraine nicht nur die eigene Rüstungsindustrie stärken kann sondern Russland schwächen könne, ohne einen einzigen eigenen Soldaten in Gefahr zu bringen. Das es bei dieser Konfrontation zuallerletzt um die Interessen der Ukraine geht, ist mehr als evident.
Allerdings scheinen sich jetzt auch in der Ukraine mehr und mehr Menschen zu fragen, für wen sie in diesem Krieg eigentlich noch kämpfen.
ebo
30. April 2024 @ 11:35
Mir scheint, die USA sehen die Mission “Russland schwächen” als beendet an. Fortan soll die EU allein die Drecksarbeit machen, während sich Washington Peking “vorknöpft”…
Michael Conrad
30. April 2024 @ 12:27
Und auch in diesem Fall werden die ökonomischen Kollateral Schäden vor allem die deutsche Industrie treffen. Da nützt auch kein Besuch von Scholz, der versucht, zusammen mit ein paar DAX Vorständen, die Schäden zu beheben, die Baerbock und Blinken anrichten.
Arthur Dent
29. April 2024 @ 23:56
„Im Frühjahr 2022 war der Frieden in der Ukraine zum Greifen
nahe. Dies legt ein Bericht der “Welt” nahe, die sogar einen
Friedensvertrag vorlegt.“ – Wenn man den Bericht von Sabine Fischer der Stiftung Wissenschaft und Politik folgt (vom 28.10.2022) klingt das weniger optimistisch. Offenbar wollte Russland da weitreichende Sicherheitsgarantien für sich selbst (von Nato oder eigentlich den USA), die Ukraine weitreichende Sicherheitsgarantien vom Westen (nicht von Russland). Also eng an einen Nato-Beitritt. Die Ukraine wollte alle Gebiete zurück, Russland schloss aber Verhandlungen über die Krim aus. Außerdem sollte die Ukraine Donezk und Luhansk als autonome Republiken anerkennen. Irgendwie kam auf keinen gemeinsamen Nenner…
Karl
30. April 2024 @ 09:15
@ Dent: “weniger optimistisch”
Selbstverständlich muss sich die sehr regierungsnahe Stiftung Wissenschaft und Politik so äußern. Denn ihr Vasallentum verpflichtet unsere Regierung (fast egal welche).
Trotzdem kann die Stiftung nicht vertuschen, dass beide Vertragsparteien – die Ukraine und Russland – ihren Friedensvertrag (!) bereits fast unterschriftsreif fertig hatten. Sie wollten unterzeichnen.
Eine gute Frage: Was hat die Außenpolitik Deutschlands als gewünschte Garantiemacht dazu gesagt?
Andere Frage: Wer wünscht sich heute Deutschland noch als Garantiemacht, wenn die immer nur plappert, was der “Große Bruder” ihr vorsagt?
ebo
30. April 2024 @ 09:34
Der Clou ist ja, dass Deutschland nun Sicherheitsgarantien abgegeben hat – an eine Ukraine im Krieg. Für einen Frieden wollte sie hingegen keine Garantien abgeben. Unverständlich…
Thorsten Müller
29. April 2024 @ 21:39
Wer sollte Trump daran hindern ein solches Sicherheitsabkommen zu brechen, hat er doch mit dem iranischen schon einmal gemacht? Soll das als Kongressgesetz kommen oder wie, da haben doch die Reps aktuell noch die Mehrheit im Haus oder müsste es nur durch den Senat?
Ist das Deutsche (wieso und überhaupt es das gibt wurde auch nirgends wirklich thematisiert) nicht auch nur eine Exekutivvereinbarung?
Aber ja, die Absurdität ist wieder einmal greifbar, laut Cicero hatte ja die BReg bei den KKW Akten schon argumentiert, dass diese nicht herausgegeben werden könnten weil man ihr sonst ihre Argumentation vorhalten könne, weswegen der BMU Sprecher wohl letzten FR so versessen darauf war zu behauptet dass sie nix zu verbegen gehabt hätten oder haben.
Da musste man ja schon wieder kotzend denken “Und die meinen irgendwo die Demokratie verteidigen zu müssen”, aber mit solchen Sicherheitsabkommen dann in der zentralsten aller Fragen einen Politikwechsel verhindern zu wollen, wo Demokratie ja eben Herrschaft auf Zeit sein soll die änderbar sein muss laut BVerfG früher mal, ist ein Offenbarungseid.
Prior restraint ist der Regierung ja was die Presse angeht ja schärfstens verboten, aber echt nicht schlecht wenn sie es dann mit der zukünftigen Außenpolitik des Konkurrenten versuchen wollten.
Angesichts dessen dass die Biden Regierung ja mit den Israel Waffenexporten seit Monaten US Bundesrecht bricht, wenn man nach dem aus Protest dagegen zurückgetretenen State Departmenteler geht aber auch nicht verwunderlich.
Es ist halt das generelle Problem mit solchen internationalen Verträgen, ist ja auch Staatspraxis in Deutschland sie einzuhalten und damit das Prinzip der Änderbarkeit der Politik einzuschränken “um als Land verlässlich zu sein”.